Seite:Die Gartenlaube (1891) 604.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

seiner Vaterstadt Derby einen herrlichen Park mit den Worten: „Da das Glück mir mein Leben lang günstig gewesen, so wäre es undankbar von mir, wollte ich nicht einen Theil meines Vermögens dazu verwenden, das Wohlbefinden meiner Mitbürger zu fördern, durch deren Fleiß ich im Erwerben so sehr unterstützt worden bin.“

Robert Barclay, der 1830 starb, war der Gründer eines großen Hauses in London, das hauptsächlich mit Amerika Handel trieb. Als er sich vom Geschäft zurückzog, geschah es nur, um durch erneute Thätigkeit sich seinen Nebenmenschen nützlich zu machen. Er fühlte sich verpflichtet, mit seinen reichen Mitteln der Gesellschaft ein gutes Beispiel zu geben. In der Nähe seines Wohnsitzes gründete er ein Arbeitshaus und unterhielt es mehrere Jahre lang mit großen Kosten, bis es ihm endlich gelang, auf diese Weise ordentlichen, aber armen Familien der Umgegend eine unabhängigere und sorgenfreiere Existenz zu schaffen. Solche zielbewußte Wohlthätigkeit ist eine Großthat der Menschenliebe, die dauernden Segen bewirkt und höher zu werthen ist als ein allgemeines Almosen, welches flüchtige und oft zweifelhafte Bedeutung hat. Barclay war es auch, der, nachdem ihm eine Erbschaft in Jamaica zugefallen war, sofort allen Sklaven auf seinen dortigen Gütern die Freiheit schenkte, obwohl ihn das um etwa 10 000 Pfund oder 200 000 Mark jährlicher Einkünfte brachte. Er ließ die Neger außerdem auf eigenem Schiff nach einem der freien Staaten Nordamerikas schaffen, wo sie eine besondere Gemeinde bilden sollten. In der That gelang es seiner Fürsorge, die Niederlassung der Neger zu gedeihlicher Entwicklung zu bringen. Bei der Vertheilung seines großen Vermögens machte er sich selbst zum Testamentsvollstrecker und gewährte seinen Verwandten schon bei seinen Lebzeiten großartige Unterstützungen, statt sie ihnen erst nach seinem Tode durch Erbschaft zukommen zu lassen. So sorgte er durch Rath und That für ihr Fortkommen und begründete dadurch nicht nur einige der größten und blühendsten Geschäfte Londons, sondern erlebte noch persönlich die gesegnete Wirkung seiner Wohlthätigkeit.

William Baß war der Ausfahrer einer Brauerei zu Burton. Mit seinem Ersparten fing er dann selber eine Brauerei an, die sich zu einer der ersten und berühmtesten Englands aufschwang und unter seinem Sohne Michael Thomas einen ungeheuren Absatz auch im Ausland erlangte; heute versendet sie etwa hundert Millionen Flaschen. Als Michael Thomas Baß achtzig Jahre alt geworden war, übergab er – im Jahre 1880 – sein Riesengeschäft einer Gesellschaft und widmete den kurzen Rest seines Lebens dem Wohlthun in großem Stile. Er stattete seine Geburtsstadt mit öffentlichen Anlagen und gemeinnützigen Anstalten aus, die eines Peabody würdig waren: mit einem Museum, einer Bibliothek, mit öffentlichen Bädern und dergleichen mehr. Seinem Beispiel folgte ein anderer reicher Brauer, Edward Guinneß in Dublin, der nicht weniger als 250 000 Pfund Sterling (5 Millionen Mark) für Errichtung von Arbeiterwohnungen in Dublin und London stiftete.

Wir haben bisher ausschließlich verweilt bei jenen Bethätigungen einer großartigen Opferwilligkeit für das allgemeine Wohl, welche in Amerika und England zutage getreten sind. Es geschah das nicht deshalb, weil andere Länder, Deutschland besonders, arm sind an Männern, welche die geistige und materielle Hebung der weniger oder gar nicht mit Glücksgütern Gesegneten durch Schenkungen und Vermächtnisse sich angelegen sein ließen. Welche Summen sind nicht in Belgien, in Frankreich, in Oesterreich und Deutschland von einzelnen aufgewendet worden, um ihren Arbeitern ein sorgenfreies Dasein zu verschaffen als gerechten Lohn für deren Mithilfe an ihren Unternehmungen; wie ist nicht in der Schweiz die Stadt Genf überreich mit Millionen zu öffentlichen Zwecken bedacht worden: erst kürzlich hat ihr der in Kairo verstorbene Professor Gustav Revillod sein Museum in der Nähe von Genf vermacht, das einen Werth von vier Millionen Franken darstellt, ferner sein Landgut im Werth von 600 000 Franken und eine Million in Werthpapieren. Allein bei dem weitaus größeren Reichthum Amerikas und Englands vermag sich naturgemäß auch die Wohlthätigkeit dort in größeren Bahnen zu bewegen als in anderen Staaten, und die Beispiele, die man von dorther nehmen kann und durch deren Anführung wir gern eine gesteigerte Nachahmung hervorrufen möchten – sie sind schlagender und boten sich so für unseren Zweck in erster Linie dar.

Zum Schlusse nun seien einige von jenen Stiftungen und Veranstaltungen erwähnt, in welchen deutsche Menschenfreundlichkeit nicht weniger sich ein hervorragendes Denkmal gesetzt hat; wir können sie nicht alle erwähnen, nur da und dort einen Fall herausgreifen.

In Kippenheim bei Lahr in Baden steht das Denkmal eines Mannes, das ihm zum Dank für seine große Wohlthätigkeit seine Landsleute errichtet haben; es gilt dem Gedächtniß des Schneidermeisters Georg Stulz, der in London sein Glück machte und 1832 in Hyères bei Toulon starb. Er hatte in seiner kleinen Geburtsstadt ein Hospital und eine Kirche bauen lassen, dem polytechnischen Institut in Karlsruhe, dem Schullehrerseminar und anderen Stiftungen daselbst, ferner dem Kloster Lichtenthal bei Baden-Baden Hunderttausende gegeben. Um dieser fortgesetzten Ehrenthaten willen verlieh ihm der Großherzog von Baden einen altadeligen Stammsitz im Lande, nach dem er sich Ritter von Ortenberg nennen durfte.

Würdig neben die Gründungen von Stulz stellen sich die großartigen Krankenhausstiftungen des Bankiers Salomon Heine und neuerdings des Kaufmanns van Danner in Hamburg, die Leipziger Stiftungen des Rentiers Grassi im Betrag von über zwei Millionen und die des Buchhändlers Tauchnitz im Betrag von vier Millionen.

In Köln bewirkte 1855 der reichgewordene Lederhändler Johann Heinrich Richartz aus eigenen Mitteln den Aufbau eines Museums für seine Vaterstadt und bot auch 100 000 Thaler für den Bau eines neuen Theaters an; eine gleiche Summe vermachte er zur Errichtung einer Irrenanstalt, außerdem bedeutende Geldstiftungen für die Musikschule und den Ankauf von Gemälden für die städtische Sammlung. „Köln hat schon große Männer zu seinen Mitbürgern gezählt,“ sagte einmal der Oberbürgermeister zu den Stadtverordneten, „einen Richartz hatte es bisher noch nicht.“

Der Berliner Maschinenbauer Borsig hinterließ dreißig Millionen Thaler; bei Lebzeiten war er der Vater seiner Arbeiter, die nach Tausenden zählten. Nicht weniger hervorragend sind die nach Millionen zählenden Stiftungen, welche Alfred Krupp in Essen und nach dessen Tod sein Sohn und Nachfolger zur Errichtung von gesunden Arbeiterwohnungen und von öffentlichen Anlagen zum Besten ihrer Angestellten aufgewendet haben. Ein berühmter Vorgänger in dieser Beziehung ist der große Fabrikant Dollfus in Mülhausen im Elsaß; er hat tausend von einem Garten umgebene Häuschen – jedes für eine Arbeiterfamilie – gebaut und die Sache so eingerichtet, daß alle schon längst durch bloßes Miethebezahlen zum Eigenthum der Arbeiter geworden sind. Hier sei auch noch der allgemeinen Uhrmacherschule in Glashütte im sächsischen Erzgebirge gedacht, welche Adolf Lange begründete und womit er, wie durch die ganze Einrichtung seiner groß gewordenen Uhrenindustrie, für diesen einst fast gänzlich verarmten Landbezirk zum größten Segen wurde. Es ist dies in der „Gartenlaube“ schon 1879 von Karl Bruhns des Näheren geschildert worden.

Endlich hat der Schluß des vorigen Jahres noch die Nachricht von einem großherzigen Vermächtniß gebracht, das der verstorbene Oekonomierat Gustav Dippe in seinem Testament der Stadt Quedlinburg bestimmt hat. Neben verschiedenen anderen Legaten zu gemeinnützigen Zwecken setzte er die Summe von 845 000 Mark zu einer Unterstützungskasse aus, durch welche treue Beamte, Arbeiter und Arbeiterinnen im Alter oder nach Bedürfniß auch früher Hilfe erhalten sollen. – –

So weitgehend und so mannigfach nun auch einzelne eingetreten sind, um Quellen der sozialen Noth zu verstopfen – dieser letzteren ganz ein Ende zu bereiten, wird leider nicht gelingen. Wir können die Nacht erhellen, allein wir können sie nicht in Tag verwandeln. Doch schon das wiegt unendlich viel, daß sich an jenen Thaten der Opferwilligkeit Unglück und Leid von Tausenden aufrichtet, daß an ihnen der Glaube erstarkt, noch sei das Gute eine Macht im Menschen, noch lasse viele Herzen der Reichthum nicht hart werden. Diejenigen aber, welche im Ueberfluß über jene Mittel verfügen, mit denen so manche Noth gelindert werden kann, mögen im Anblick der Dürftigkeit und der sozialen Bedrängniß um sie her, angesichts des Dranges nach Bildung, welcher in vielen lebt und keine Befriedigung findet, ihre Hände weit aufthun. Wohl ist jede, auch die kleinste Gabe von Werth, welche Menschenliebe der Armuth reicht: wer selbst nicht viel besitzt und doch einspringt, wo er kann, hat sittlich betrachtet nicht weniger gethan als jene Millionäre mit ihren ungeheuren Schenkungen. Allein große Noth erfordert auch große Hilfe, erfordert „gut verwendete Millionen“. Schmidt-Weißenfels.     

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_604.jpg&oldid=- (Version vom 20.9.2023)