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verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Nr. 34.   1891.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf. In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf. In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Baronin Müller.

Roman von Karl v. Heigel.

(7. Fortsetzung.)


Das Reventlow-Beseler-Denkmal in Schleswig.
Nach einer Photographie von Wilh. Dreesen in Flensburg.

9.

Seine Excellenz, Minister Imhof, saß in seinem Empfangszimmer im Kurhaus und schrieb Briefe. Er war zum Ausgang gekleidet. Nur wenige Minuten fehlten zur Mittagsstunde, als ihm der Diener Herrn Richter Vitus Müller meldete. Ach er kommt, um mir für die Anerkennung feierlich zu danken, dachte Imhof. „Ich lasse bitten.“

Vitus, zum Befremden der Excellenz nicht im Dienstkleid, sondern in schwarzer Civiltracht, trat gemessen ein. Nach einigen höflichen Worten hin und her überreichte er dem Minister ein Paket.

Imhof blickte in den offenen Umschlag und sagte: „Geld?“

„Sechstausend Mark.“

„Und was soll ich damit?“ fragte erstaunt der Minister. Dann schlug er sich vor die Stirn. „Mein guter Müller, der Streich sieht Ihnen ähnlich. Sie wollen das Gestohlene ersetzen.“

„So ist es, Excellenz.“

Der Minister lachte. „Mein lieber Stadtrichter und alter Freund, sehr schön, sehr großmüthig, allein es geht nicht!“

„Es muß gehen,“ erwiderte ernst der andere, „denn die Mündelgelder sind von mir entwendet worden.“

Imhof lachte nicht mehr. Er sah dem Räthselhaften besorgt ins Gesicht.

„Erlauben Sie, das ist denn doch eine Auffassung –“

„Wenn ich, um mich deutlich zu machen, das harte Wort gebrauchen muß: nicht der Verunglückte, ich war der Dieb!“

Der Minister saß sekundenlang wie erstarrt, dann aber war er mit einem Satze auf und an der Thür und schloß sie ab.

Vitus Müller legte dem Minister ein offenes Bekenntniß ab, nur eines verschwieg er, den Antheil seiner Frau.

„Eine furchtbare Geschichte!“ flüsterte Imhof und rang die Hände. „Ich glaube Ihnen, daß Sie nicht die Absicht hatten, jemand zu schädigen, daß Sie des sofortigen Ersatzes sicher

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