Seite:Die Gartenlaube (1891) 557.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Thal reiten und die Fische emporlocken. In einer Pergamenthandschrift zu Stuttgart ist das Rezept aufgezeichnet, die widerspenstigen Wasserbewohner ans Licht zu rufen, ein einfacher Wortzauber:

„Blicken, Schwalen sind schlecht visch,
Den armen kommendts über tisch,
Doch mag man sy wol außerwellen,
Am besten sinds imm Aprellen.“

Die Hauptbauten der Stadt gruppieren sich um den Wilhelmsplatz, in dessen Mitte seit 1884 das Reiterstandbild des Königs Wilhelm II., von Mercier modelliert, steht. Nach dem großen Viadukt zu, jetzt fast erdrückt durch die finsteren und rauchigen Umbauten, erhebt sich die Kathedrale oder der Dom, ein seltenes Mischwerk von spätgothischen und Renaissance-Formen, mit großem prächtigem, reich mit Skulpturen geschmücktem Portal; eine säulengetragene Attika ziert es, über der aus einer Nische das Bild der Madonna herabblickt. Der Bau st von den Jesuiten errichtet worden, aber erst Maria Theresia schenkte das Gotteshaus der Stadt, das von da an als Pfarrkirche diente. Die berühmte Marienkapelle, welche das gläubige Thalvolk in hellen Scharen anlockt in den Tagen der Schobermesse am fünften Sonntag nach Ostern, liegt draußen vor dem Stadtthor; auch zu ihr hat ein Jesuitenpater, Jakob Brocquart, den Grund gelegt.

Aus den Befestigungen am Obergrunwald.

Königlicher Palast.

Nach dem Altmünsterplateau zwischen Pfaffenthal und Grund zu öffnet sich der Platz, an welchem der königliche Palast steht, das alte Regierungsgebäude, das wie der Clausener Palast unter dem Grafen Mansfeld, dem spanischen Statthalter, entstand. Keine weitgedehnten Säulenhallen, nur ein schmalschultriges, engbrüstiges Gebäude mit hohen Fenstern, einem rundherum laufenden, vorspringenden Balkon und zwei zierlichen Erkerthürmchen mit spitzem Dach: das Ganze ein gutes Beispiel der vornehm einfachen niederländischen Frührenaissance mit einzelnen rheinischen Anklängen. Ueber die Quadern im Schloßhofe floß einst das Blut des Gaspard de Heu, des Herrn von Buy und Beaufort, der hier die Strafe für begangenen Hochverrath erlitt.

Neben dem Athenäum, einer großen schon lange bestehenden Erziehungsanstalt, liegt die öffentliche Bibliothek, ein langweiliger, vielfenstriger Bau. Von dem alten Handschriftenbestand der Luxemburger Klöster sind noch etwa 300 Bände bewahrt, darunter auch einige aus Echternach, dem Willibrordkloster, bekannt durch seine Säulenbasilika und seine Springprozession. Die berühmtesten Echternacher Handschriften freilich, der kostbare Evangelienband, den Kaiser Otto II. dem Kloster geschenkt hatte, die Lebensbeschreibungen des Stifters, die Urkundenbücher sind zerstreut in den Bibliotheken zu Gotha, Trier und Gent. Was das kleine Luxemburg in den letzten Jahrzehnten für die geschichtliche Wissenschaft geleistet hat, nicht nur für die Specialforschung innerhalb seiner engen Grenzen, sondern für die Gesammtgeschichte der Rheinlande, ist bekannt; die jährlichen Veröffentlichungen zeugen nicht minder für den selbstlosen Sinn der Bewohner als die hochherzigen Stiftungen hervorragender Bürger, so des Jean Pescatore. Auch für die Bethätigung wissenschaftlichen Lebens hat Prinz Heinrich, der von 1850 bis 1879 Statthalter im Großherzogthum war, das Beste gethan, mit ihm seine hochgesinnte, reich begabte Gemahlin, die Prinzessin Amalia, eine echte Tochter des Herrscherhauses von Sachsen-Weimar. Als sie auf Schloß Walferdingen im Jahre 1872 starb, trauerte das ganze Volk um sie; ein Denkmal im Park hält ihr Gedächtniß aufrecht.

Portal des Domes.

Aus Alt-Luxemburg.

Von Alt-Luxemburg steht nur wenig mehr; die Beschießungen durch Marschall Créqui 1684, dessen Mörser über 6000 Granaten in die Stadt warfen, und durch die Revolutionstruppen im Jahre 1795 haben mit den alten Patricierhäusern gut aufgeräumt. In der Rue de la Trinité prangt noch ein Bau mit gothischer Vorhalle und zierlicher Steinhauerarbeit, den Statuen der heiligen Maria und Anna an der Fassade. In der Nähe ist die eine Seite eines römischen Sarkophags in eine Straßenfront vermauert. Da steht auch der alte Mauerbogen noch, der dermaleinst zum Judenviertel führte. Schmale Straßen ohne Brandwände mit breiten Rinnsteinen und überhängenden Holzlauben, ein holpriges Pflaster, wegsperrende Freitreppen und Schmutzhaufen, auf dem Fahrdamm tote Hunde und sich tummelnde Schweine – das ist das Bild des mittelalterlichen Luxemburg gerade so gut wie das von Köln oder Mainz. Eines der ältesten Gebäude, der Bossen-Quaderthurm

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 557. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_557.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2023)