Seite:Die Gartenlaube (1891) 524.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Form von Sekundogenituren, d. h. Ausstattung für Nebenlinien, von den Wittelsbachern hätten behauptet werden können. In der That währte es nicht lange – und die Errungenschaften Ludwigs waren seinen Nachkommen wieder entwunden.

Die Mark Brandenburg entriß den Wittelsbachern der verschlagene Meister ränkevoller Diplomatenkunst, Kaiser Karl IV., der zu jedem Mittel griff, um das werthvolle Gut mit der Krone Böhmens zu vereinen, und den besten Bundesgenossen für die Durchführung seiner Pläne fand er an der Zwietracht, welche die bayerischen Fürsten spaltete. Kaiser Ludwig hatte drei erwachsene und drei unmündige Söhne hinterlassen, die durch Theilungen ihren Besitz zersplitterten, anstatt ihre Macht zu gemeinsamem Frommen einträchtig zusammenzuhalten. Im Verlaufe dieser Auseinandersetzungen kam die Mark Brandenburg durch den Vertrag von Luckau (1351) an das Brüderpaar Ludwig den Römer und Otto V., von denen der erstere ein Jüngling von 21, der letztere ein Knabe von 5 Jahren war. Gegen die Unerfahrenheit der beiden jugendlichen Prinzen hatte der Kaiser leichtes Spiel und er wußte die Zwistigkeiten, in welche sie Erbschafts halber mit ihren Brüdern, den oberbayerischen Herzögen, geriethen, mit solcher Schlauheit auszunutzen, daß sie sich als blinde Werkzeuge vollständig in seine Hand gaben. Das Meisterstück dieser Politik waren die Verabredungen auf dem Nürnberger Fürstentage (1363), welche Ludwig zugleich auch für seinen in Nürnberg gar nicht anwesenden Bruder Otto einging. Hier sicherten die Markgrafen gegen die Zusage kaiserlichen Schutzes für den Fall ihres Absterbens ohne männliche Nachkommenschaft den Söhnen des Kaisers und dessen Bruder Johann die Nachfolge in den Marken zu, und Otto wurde mit des Kaisers fünfjähriger Tochter Elisabeth verlobt.

Der Keller mit der Säule.   Auf Burg Wolfstein.

Das war ein arger Mißgriff Ludwigs, und deren ließ er sich noch eine ganze Reihe zu schulden kommen. Daß Otto ihm darin beistimmte und daß er nach Ludwigs kinderlosem Tode (1365) im Anfange die alten verderblichen Bahnen weiter wandelte, ist wohl erklärlich, denn an die Regierung und an die Sorge für das Wohl seiner Unterthanen war er nie gewöhnt worden und immer hatte er nur gehört, daß der Kaiser es gut mit ihm und seinem Bruder meine. Ottos widerstandslose Fügsamkeit ging sogar so weit, daß er die ihm bestimmte Braut Elisabeth gegen des Kaisers ältere Tochter Katharina umtauschen ließ, die an Jahren reifere Witwe Herzog Rudolfs von Oesterreich. Durch Abschluß dieser Heirath arbeitete er den schlauen Plänen des Kaisers unmittelbar in die Hände; denn diese Ehe Katharinas wurde ebenso wenig mit Kindern gesegnet wie ihre frühere, die Vereinbarungen des Nürnberger Vertrages mußten sonach zur Thatsache werden. – Und des Kaisers Rechnung war nicht falsch.

Nur in der Beurtheilung seines Schwiegersohnes irrte er sich. Endlich war dieser doch zur Erkenntniß seiner Lage gelangt, mit einer ungeahnten Thatkraft suchte er seine Selbständigkeit zu erringen: es kam sogar zum Kriege mit dem Kaiser, als dieser die Maske fallen ließ und Otto rundweg zur Uebergabe seiner Lande aufforderte. Obwohl der Waffengang nicht ungünstig für Otto ausfiel und dieser auch wieder Anschluß an seine bayerischen Verwandten gefunden hatte, behauptete doch die Politik des Kaisers das Feld: im Frieden von Fürstenwalde (15. August 1373) traten die Wittelsbacher die Mark Brandenburg an den Kaiser ab, allerdings gegen eine Geldentschädigung, welche für die damalige Zeit außerordentlich hoch zu nennen war. Somit hatte das Haus Luxemburg das wichtige Land erworben, nur die Rechte und der Titel eines Kurfürsten verblieben Otto auf Lebenszeit.

Weltüberdrüssig und menschenscheu nach so herben Erfahrungen und bitteren Schicksalen zog er sich auf die stille Burg Wolfstein zurück und suchte Zerstreuung in den Freuden des edlen Weidwerks, wozu die Wälder und Auen der Umgegend reiche Gelegenheit boten. Die aufgedrungene ungeliebte Gemahlin aber hatte sich von ihm getrennt und lebte an des kaiserlichen Vaters glänzendem Hofe im hundertthürmigen goldenen Prag. –

Vom Berge herab steigen wir zu Thal in die lachende Uferau und lenken noch einmal den Blick zurück zur Höhe, welche die altersgraue Burgmauer krönt, umrahmt von den breiten Massen prächtigen Waldes. Es ist ein herrliches Landschaftsbild – wie malerisch muß es gewesen sein, als die Thürme und Giebel der Burg noch hoch gen Himmel strebten!

Den gleichen Pfad, den wir verfolgen, ist auch Markgraf Otto oftmals gewandelt, den Jagdspieß auf der Schulter. Er eilte an eine lauschige Stätte zu Füßen der alten Straßburg. Daß dort oben auf der riesigen Fläche die auf den römischen Straßenkarten genannte Station Jovisura – ein vielumstrittener Zankapfel der gelehrten Forscher – vielleicht zu suchen ist, daß hier über die Isar die römische Heerstraße setzte, welche aus Noricum kam, den Innübergang bei Pons Oeni (Pfunzen bei Rosenheim) mit

dem römischen Hauptwaffenplatz an der Donau, Castra Regina

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_524.jpg&oldid=- (Version vom 2.9.2023)