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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

führt immer Schläge und Stöße herbei und muthet den Brückenbauten Leistungen eigenthümlicher Art zu, die sich der Berechnung nicht wohl fügen.

Während nun von seiner Seite dem Ingenieur Eiffel, von welchem der Entwurf der Brücke herrührt, Vorwürfe gemacht worden sind, haben sich einige französische Blätter nicht enthalten können, das angeblich deutsche Material zu bemäkeln; von deutscher Seite ist dagegen entschiedene Verwahrung eingelegt worden. Das Material stammt nicht aus den beschuldigten deutschen Werken.

Geradezu vermessen ist aber die Behauptung eines französischen Blattes: „So etwas kann bei uns nicht vorkommen.“ Als Grund wird angegeben die häufige Durchmusterung der französischen Brücken, verbunden mit Belastungen, welche sich auf das Vierfache der gewöhnlichen Belastung steigern. Wer bürgt aber dafür, daß bei dieser übermäßigen Belastung nicht der Keim zum demnächstigen Zusammenbruche gelegt wird? Aus Gründen dieser Art ist z. B. auch die früher bei uns vorgeschriebene Dampfkesselprobe mit dem Doppelten des angemeldeten Druckes gesetzlich bebedeutend erniedrigt worden. Also keine Ueberhebung!

Wir wollen an den Fall keine weitere, vorläufig ohnehin verfrühte Kritik knüpfen, und wünschen nur, daß er dazu dienen möge, den Ernst der Behandlung aller einschlägigen Fragen zu verstärken und die Bestrebungen auf möglichste Sicherung zu beleben.H.     


Blätter und Blüthen.

Begehrte Ware. (Zu dem Bilde S. 493.) Bisweilen fährt durch die belebtesten Viertel Berlins ein zierlicher Wagen mit Glasscheiben, in dem allerlei unruhiges, bellendes oder dumpf in sein Schicksal sich ergebendes, vierbeiniges Volk geborgen ist. Namentlich mit weißen Seidenhündchen wird da gehandelt. Hin und wieder aber steht auch ein Händler in der Friedrichstraße und bietet die kleinen Geschöpfe aus freier Hand an. – Graue, gutmüthig und dumm ausschauende, weichpelzige Möpse mit schwarzen Schnauzen sah ich jüngst.

„Wie viel kostet der Kleine?“

„Zwölf Mark, frei ins Haus!“ und der Händler läßt gewandt eine Menge Auseinandersetzungen über die Vortrefflichkeit des Objektes folgen, so daß er oft in kurzer Zeit alles abgesetzt hat.

Unser Zeichner hat einen, von ihm wohl „Unter den Linden“ beobachteten derartigen Straßenverkauf mit großer Anschaulichkeit wiedergegeben. Das Auge wird besonders gefesselt durch die Mittelgruppe, durch den alten Mann mit dem treuherzigen Gesichtsausdruck und durch die beiden kleinen aus der Rocktasche hervorguckenden Taugenichtse. Sie haben es sicher gut bei dem Alten. Allerliebst sind auch die beiden sich ganz ihrem Entzücken hingebenden Kinder, durchaus der Wirklichkeit entsprechend. Wer hätte nicht schon Kinder beim Anblick kleiner Hunde und Katzen in derartige zärtliche Begeisterung gerathen sehen. Selbst die Puppen hätten eifersüchtig werden können! – Uebrigens findet sich auf dem lebhaft wirkenden Bilde kein Gesicht, das nicht naturgetreu wäre, bei jedem deckt sich der Ausdruck mit der Persönlichkeit; so und nicht anders zeigt sich bei solcher Gelegenheit die rasch versammelte Schar der Bewunderer und Neugierigen und wir schauen alle gern dahin, wo wir unverfälscht das Gemüth sich regen sehen: hier regt es sich bei dem Anblick der kleinen, allerliebsten, wie man im Norden sagt „schnuffigen“ Geschöpfe! – g.     

Seltene Künstler. (Zu dem Bilde S. 488 u. 489.) Eine sorglose Unterhaltung in sturmdrohender Zeit! Aus dem fernen Paris kommen böse Botschaften von Königsmord und blutiger Pöbelherrschaft, das stört aber die aristokratische Gesellschaft von Venedig nicht in ihrem Behagen, sie verläßt sich auf die Neutralität der Republik und treibt ahnungslos im gewohnten genußsüchtigen Lebensstrom dem großen Verhängniß entgegen. Ist doch das Venedig des 18. Jahrhunderts ein Hauptvergnügungsort für ganz Europa geworden! Hier treffen sich die vornehmen Müßiggänger aller Nationen, hier kann man die Reize einer aristokratischen Geselligkeit mit dem bunten Volksleben der Hafenstadt vereinigen und alle die ergötzlichen Schauspiele mitgenießen, welche hohe und niedere Venetianer zu den unentbehrlichen Lebensbedürfnissen rechnen.

Freilich, eine Ergötzlichkeit wie die auf unserem Bild dargestellte gehörte selbst in Venedig ums Jahr 1793 zu den größten Seltenheiten. Japaner aus dem fernsten Osten sind mit einem Indienfahrer angekommen, sonderbar gelbe Kaftanträger mit unbegreiflichen Kunststücken voll zauberhaftester Wirkung. Sie geben ihre Vorstellungen nicht auf dem Markusplatz, man reißt sich um sie in den Salons und ist glücklich, wenn sie kommen.

So stehen sie denn nun hier in dem vornehmen Kreis, gleichmüthig und von der Pracht dieses herrlichen Raumes unerschüttert, lassen ihre Papierschmetterlinge wie lebendige flattern, spielen mit vier, sechs, acht Bällen gleichzeitig, ohne daß einer zu Boden fällt, und machen das alles so leichthin, als sei es die einfachste Sache von der Welt. Staunend sehen es die Anwesenden: der jungen Contessa im Lehnsessel ruht der Fächer unbeweglich zwischen den Fingern, ihre bereits nach der neuen Einfachheitsmode gekleidete Schwester vergißt die beiden Verehrer rechts und links, selbst der hinter ihr sitzende Jüngling, welcher den ganzen Abend einzig an die Wirkung seines neuen Kostüms à l’Incroyable gedacht hat, giebt sich dem verblüffenden Zauber hin. Die alten Herren auf den Lehnsesseln sind ganz Auge, selbst der leidenschaftliche Schnupfer hinter ihnen starrt, während er seine Prise nimmt, unverwandt auf den Künstler hinüber. Nur ein kritischer Geist hat sich von der Gesellschaft wegverzogen, um bei den Gehilfen dort am Tisch mit den Zaubergeräthen der Sache etwas näher auf die Spur zu kommen. Ob ihm wohl die Erklärungen des höflichen Japaners dazu viel nutzen werden? ...

Der Künstler hat es verstanden, uns aufs lebendigste in jene längst vergangene Zeit zu versetzen. Sein liebenswürdiges Bild zeigt alle Vorzüge der so überraschend emporgewachsenen neu-italienischen Schule: die auf sorgfältiger Beobachtung beruhende scharfe Charakteristik, damit verbunden aber eine heitere Schönheitsfreude, die in unseren Zeiten der Elends- und Häßlichkeitsmalerei immer noch erfreulich anmuthet, auch wenn solch ein Bild eine Gesellschaft darstellt, die manche Sünde gegen Volksrecht und Menschenwürde auf dem Kerbholz hat. Bn.     


Kleiner Briefkasten.

G. P. in Troppau. Sie fragen uns, woher der Ausdruck stamme „Ueber den Löffel barbieren“. Nun, er ist ganz wörtlich zu verstehen. Wie ihn Albert Richter in seinem hübschen Büchlein „Deutsche Redensarten“ (Leipzig, Richard Richter) erklärt, rührt er daher, daß die Dorfbarbiere der guten alten Zeit den Brauch hatten, die eingefallenen und faltenreichen Wangen ihrer alten Kunden für das Bartscheren dadurch zu glätten, daß sie die Wölbung eines Löffels von innen gegen die Wange preßten. Selbstverständlich ging das Verfahren nicht immer ohne kleine Gewaltthätigkeiten ab, und so bedeutet „Ueber den Löffel barbieren“ (oder „balbieren“): „Derb, grob, unzart behandeln, keine Umstände machen“, und von da geht der Begriff dann in den des Uebervortheilens, Betrügens über.




Inhalt: Baronin Müller. Roman von Karl v. Heigel (2. Fortsetzung). S. 485. – Vincenz, Franz und Ignaz Lachner. Bildnisse. S. 485. – Seltene Künstler. Bild. S. 488 und 489. – Drei deutsche Musiker. Von E. Fritsche. S. 491. (Zu den Bildnissen S. 485.) – Lea und Rahel. Roman von Ida Boy-Ed (Schluß). S. 492. – Begehrte Ware. Bild. S. 493. – Gefahren beim Bergsteigen. Von M. Haushofer. S. 496. – Gefährlicher Abstieg. Bild. S. 497. – Das Eisenbahnunglück bei Mönchenstein. S. 498. Mit Abbildungen S. 499. – Blätter und Blüthen: Begehrte Ware. S. 500. (Zu dem Bilde S. 493.) – Seltene Künstler. S. 500. (Zu dem Bilde S. 488 und 489.) – Kleiner Briefkasten. S. 500.




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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_500.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2023)