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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


„Dann würde der Schreiber Franz als Ehrenmann behandelt werden, und dennoch hält ihn jeder für einen Spitzbuben.“

„Das ist ein häßlicher Vergleich.“

„Ich wollte nur erklären, daß die öffentliche Meinung verhältnißmäßig selten irre geht. Man sieht mich in Hohenwart – und hier ist meine Welt – für einen rechtschaffenen Mann und gewissenhaften Beamten an. Das genügt mir.“

„Das ist lange nicht genug für den rechtlichsten, liebenswürdigsten, fleißigsten aller Männer!“ rief Ida gerührt.

„Nicht das, sage: den glücklichsten!“

„Wirklich? … Aber jetzt schließen wir –“ schließen wir „die Bude“, lag ihr auf der Zunge, doch sie wußte, daß ihr Mann die burschikosen Ausdrücke nicht liebte. „Alles versammelt sich im Schloßkeller. Helmuth mit Kameraden in Civil, die heute noch über die Grenze hinüber ins Gebirge wollen, ist schon dort, und wie ich Onkel Anton kenne, wird sein erster Gang der nach dem Keller sein. Die Bekanntschaft der beiden macht sich dann von selbst.“

„Wenn Helmuth dem Onkel nur gefällt –“

„Der liebe Junge muß ihm gefallen!“

Vitus seufzte über die Zuversichtlichkeit Idas und sah scheu über die Brille weg in ihre dunklen Augen. Mit diesem überlegenen Blick und dieser stolzen Haltung erinnerte sie ihn mehr denn je an die „Frau Oberst“ und er fühlte sich gedrückt. Doch bei der Stimme, die jetzt im Vorzimmer laut wurde, erhellte sich sein Gesicht. Verena! Er hielt der eintretenden Stieftochter beide Hände hin und blickte ihr verschmitzt in die Augen.

„Ist er da?“

„Ja, Papa, aber nur noch auf kurze Zeit, dann –“

„Dann geht mein Töchterchen mit ihm!“

„O Papa!“

(Fortsetzung folgt.)




Der Weinberg der Zukunft.

Von B. Ost.


In einer Reihe von Lesebüchern für die erste Schuljugend findet sich die Erzählung, daß Friedrich der Große ein so leidenschaftlicher Verehrer frischen Obstes gewesen sei, daß seine Hofgärtner ihm zu Weihnachten frisch vom Baum gepflückte Kirschen gezogen hätten, und daran anknüpfend die weitere Legende vom sparsamen Kronprinzen, welcher, erschrocken darüber, daß ein Teller solcher Weihnachtskirschen fünf Dukaten koste, die Kirschen zu verkaufen und das Geld den Armen und Kranken zu geben befahl. Wie in so vielen derartigen Geschichtchen ist der Kern Wahrheit, welcher darin steckt, nur ein sehr geringer. Die heutige Gärtnerei ist nicht imstande, zu Weihnachten frische Kirschen hervorzuzaubern, trotz aller Verbesserungen, und die Gärtner Friedrichs des Großen haben dies Treibkunststück auch nicht geleistet.

Gerade in den letzten Jahren hat die Gärtnerei zwar gelernt, die Blüthezeit einer Reihe von Pflanzenarten wirklich nach Belieben zu verschieben, aber zwischen Blüthe und Frucht ist noch ein weiter Weg, der vielleicht eines Tages auch erschlossen werden wird, bisher aber noch nicht offen liegt.

Die ersten Blüthenpflanzen, welche die Gärtnerei von ihrer Gewohnheit, nur zu einer bestimmten Jahreszeit ihre Blüthenpracht zu entfalten, abgebracht und denen sie dafür eine beliebige Blüthezeit bestimmt hat, waren die Hyazinthen. Seit mehr als einem Jahrhundert haben diese sich schon in ihr Schicksal gefunden, statt im März oder April nach Kommando im Dezember zu blühen, allenfalls auch noch vier Wochen früher. Im Jahre 1867 aber erhielt Professor Münter in Greifswald auf der Pariser Ausstellung einen Ehrenpreis für ein im August blühendes Beet dieser Blumen. Von da an war man in der Lage, an jedem Tage im Jahre Hyazinthen in Blüthe zu haben. Praktische Verwerthung aber hat der Müntersche Versuch nicht gefunden, und erst zwanzig Jahre später wurde er von gärtnerischer Seite wiederholt mit dem schönsten unserer Frühlingskinder, dem Maiglöckchen oder Springauf, welches heute ebenso willig im Sommer, Herbst oder Winter wie sonst im Frühling blüht.

Noch leichter hinwegzutäuschen über den Wechsel der Jahreszeiten ist unsere Gartenrose, aber auch für sie bestand ein Zeitraum von drei Monaten, in welchem keine oder nur unvollkommene Rosenblüthen zu erreichen waren. Das wesentliche Verdienst, diese Lücke für die Rose und für zahlreiche andere Blüthenpflanzen zum Verschwinden gebracht, die Kunst der gärtnerischen Treibereien von Blüthe und Frucht auf einen ganz neuen Standpunkt erhoben zu haben, gebührt dem deutschen Ingenieur Carl Eduard Haupt, welcher seit zehn Jahren seine Kenntnisse in den Dienst der Gärtnerei gestellt hat. Die Hauptschen Gewächshäuser in Brieg und die in ihnen betriebenen Kulturen haben längst über Schlesiens und Deutschlands Grenzen hinaus Weltruf erlangt und sind für die Gärtnerei zur Hochschule geworden in des Wortes bestem Sinne.

Haupt hat seine Gewächshauskulturen 1878 als Liebhaber begonnen, indem er sich ein kleines Pfirsich- und Weintreibhaus bauen ließ. Bald aber wurde aus dem Gelegenheitsgärtner ein Fachmann, welcher seinen Kulturen zu Liebe die Direktion der von ihm in Brieg geleiteten Chamottefabrik niederlegte und sich ausschließlich der Treibgärtnerei zuwandte.

Heute zeigen die Gewächshäuser des königlichen Gartenbaudirektors Haupt eine Fläche von 50000 Quadratmetern Glas und umschließen so ausgedehnte Anlagen von Wein, Pfirsichen, Rosen, Azaleen, Orchideen zu Treibzwecken wie kein zweites derartiges Anwesen. Aus dem kleinen Versuchsgarten ist ein Weltgeschäft geworden, welches ganz Deutschland mit seinen Erzeugnissen versorgt und Wien, Warschau, selbst London in seinen Absatzkreis gezogen hat. Diese Erfolge sind erreicht worden durch Verbesserungen im Bau der Gewächshäuser, der Heizung, Lüftung, Bewässerung und durch verständnißvolles Eingehen auf die Lebensbedürfnisse der Pflanzen.

Die Einzelheiten haben in erster Linie für den Fachmann Bedeutung, wir wollen hier nur hervorheben, daß die Hauptschen Häuser innen Eisenkonstruktion, nach außen – der Abkühlung wegen – Holzbau zeigen, daß alle und jede Bewässerung durch unmittelbar an der Wasserleitung angebrachte Spritzbrausen geschieht (die Gießkanne ist für Haupt ein veraltetes Werkzeug), daß die Häuser keine Doppelfenster besitzen, also denkbar hell sind, daß die Pflanzengestelle und Spaliere in der Art der neueren Bibliothekgestelle gebaut sind, daß frische Luft in die Häuser eingebracht wird, daß die Temperaturen möglichst hoch gehalten werden (ein Centralkessel, Haupts Patent, versorgt das Röhrennetz des gesammten Gartens mit heißem Wasser) und daß eine für den ersten Anblick geradezu verblüffende Masse von Dungstoffen den Pflanzen zur Aufnahme geboten und von ihnen verdaut wird. Was die Pflanzen aber unter einem solchen Meistgebot von günstigen Bedingungen an Wuchs, Blüthen und Früchten leisten, das ist geradezu fabelhaft.

Einjährige Rebschößlinge haben 2 bis 4 cm Durchmesser, 2 bis 10 m Länge und tragen schon Früchte; ebenso erstaunlich wachsen Pfirsiche und Rosen. Wer im Januar und Februar die Hauptschen Rosenhäuser betritt, der glaubt in Aladins Wundergarten zu stehen: draußen Eis und Schnee, hier drinnen viele Hunderte köstlicher Rosen, in erster Linie natürlich der gelbe Marschall Niel (man spricht richtig Ni-él), aber auch alle Schattierungen von weiß und roth, dazu ein Duft wie in Schiras oder dem gesegneten Thale von Kasanlik. Weit über diesen Erfolg hinaus aber geht eine andere Errungenschaft Haupts, die Azalee, das schöne Kind Chinas, gezwungen zu haben, jahraus jahrein zu blühen, während grade diese köstliche Bukettblüthe bisher in unseren Gärten eigensinnig auf ihrer heimathlich gewohnten kurzen Blüthezeit bestand. Im Verlauf von acht Jahren hat Haupt es erreicht, an jedem Tage des Jahres blühende Azaleen zu haben, deren Blüthen daneben noch prächtig groß, fest und andauernd geworden sind. Weit über fünfzigtausend Orchideenbüsche liefern ihre barockschönen Blüthen, aber alle diese Massen reichen nicht aus, der Nachfrage Genüge zu leisten.

Dem rastlosen Geiste dieses Pfadfinders der Gärtnerei sind jedoch seine Triumphe, die besten Blüthen, die ersten Erdbeeren, die ersten Pfirsiche, die ersten Weintrauben in Deutschland zu ziehen, nicht ausreichend, und als Sohn des weinbauenden Naumburg schwebt ihm als Ideal vor, in der norddeutschen Ebene trinkbaren Wein zu bauen.

Auch diese Aufgabe hat Haupt gelöst.

Das Klima Deutschlands ist mit Ausnahme des Südwestens und einiger besonders begünstigter Lagen kein Weinbauklima.

Einst wurde allerdings bis an die Ostsee, längs der Oder, ja bis an die Weichsel Wein zum Keltern gebaut. Daß es ein ausgemachter Säuerling war, ist nicht zu bezweifeln. Wenn er doch getrunken wurde, so muß man zum Verständniß dieser Thatsache festhalten, daß die „alten Rittersleut“ – und auch die Bürger – so gescheit waren, diesen Rebensaft nur gekocht und gewürzt zu genießen. Der Name Weinberg findet sich sehr oft in unserem Nordosten und ist immer ein Zeichen dafür, daß an der betreffenden Stelle früher wirklich Weinbau getrieben wurde. Unzählbar ist die Fülle der guten und schlechten Witze, welche sich an die nordöstlichen Weinberge knüpft, besonders an die noch bestehenden oder erst in jüngerer Zeit eingegangenen. Vom Kloster Leubus sagt das Lied:

„Es heißt im Volkesmunde, hier fließt der schles’sche Rhein,
Auch wächst hier in der Runde ein ganz besondrer Wein.
Zwar hat man nie vernommen, daß jemand welchen trinkt,
Weil der ihn nur bekommen, der einen Giftschein bringt.“

Und in Grünberg wurde bekanntlich aus „Lacrymae Christi“, „Lacrymae Petri“ – „wer ihn getrunken hat, geht hinaus und weint bitterlich.“ So würde auch der Wein von Brieg nicht ungerupft davonkommen, wenn ja auch in Wahrheit alle diese Weine besser sind als ihr Ruf. Allein Haupt hat niemals daran gedacht, Keltertrauben in Brieg im Freien zu ziehen, sondern sein Ideal war, unter den möglichst billigen Verhältnissen einen „Weinberg unter Glas“ herzustellen.

In den Jahren 1883 und 1884 ist nun dieser Weinberg zur Thatsache geworden, allerdings nicht als Berg, sondern als Ebene von 5 Ar

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_454.jpg&oldid=- (Version vom 31.8.2023)