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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

von denen Abbildung 3 eine vergrößerte Darstellung der Bremsvorrichtung an den Rädern enthält. Die Leine Z ist nachgelassen und das Gewicht K hat seine tiefste Stellung eingenommen. Wie aus dem Hebelwerk zu ersehen ist, wird dadurch auch die Scheibe B an die auf der Wagenachse befestigte Scheibe A angedrückt und in der Richtung des Pfeiles gedreht. Mit der Scheibe B dreht sich die Rolle C, auf welche sich eine Gliederkette aufwickelt, welche die Bremsklötze ans Wagenrad drückt. Das Anziehen und Nachlassen der Leine Z kann sowohl von der Maschine aus (Abbild. 2 bei N) wie von dem Wagen aus (Abb. 2 bei M) erfolgen.

2. Eisenbahnzug mit Heberleinbremse.

Sonst ist in Deutschland bei den Schnellzügen zumeist die Luftbremse nach einem der Systeme Westinghouse, Carpenter oder Schleifer in Gebrauch, welche außerordentlich schnell und kräftig wirkt. Diese Bremse, bei welcher Preßluft als Kraft verwendet wird, ist „continuierlich“ und „automatisch“, continuierlich oder zusammenhängend, weil bei ihr von einem Punkte aus sämmtliche Bremsklötze des Zuges in Thätigkeit gesetzt werden können; automatisch oder selbstthätig, weil sie bei der geringsten Beschädigung der Leitung, also auch bei Zugtrennungen oder dergl., sofort von selbst in Thätigkeit tritt.

Es ist eine allgemeine Erfahrung, daß Sicherheitsvorrichtungen, sie mögen eine noch so sorgfältige und durchdachte Einrichtung haben, im Falle der Noth gar oft versagen. Dann ist ein winziges Schräubchen eingerostet, oder es fehlt etwas an der Leitung, das Ventil hat sich aufgehängt, und wie die Unfälle alle heißen, kurz: die Einrichtung versagt. Die sehr weise Vorschrift der Feuerwehren, die Brandspritzen jedesmal drei Tage vor dem Brande zu untersuchen, wird auch häufig versäumt. Zufälle dieser Art sind bei der Luftbremse, die übrigens vor Abgang eines jeden Zuges auf der Ausgangsstation probiert wird, auf eine sehr sinnige Weise dadurch beseitigt, daß die Bremse gerade dann, und zwar sofort, sich geltend macht, wenn irgend etwas nicht in Ordnung ist. Die Bremse für sich allein hat stets das Bestreben, zu wirken, sie wird von dieser Wirkung durch gepreßte Luft zurückgehalten und tritt bei der geringsten Unordnung augenblicklich in Thätigkeit. Nachstehende Beschreibung der Westinghousebremse (Abbild. 4) wird das Gesagte näher erläutern.

3. Die Heberleinbremse am Rade.

Während des dienstbereiten Zustandes sind sämmtliche Wagen und Bremsapparate durch Rohrleitungen E unter einander und mit einem auf der Maschine des Zuges befindlichen Luftbehälter C in Verbindung. Die durch eine Luftpumpe A von der Maschine in diesen Behälter gepreßte Luft geht durch ein Druckverminderungsventil und einen Bremshahn – beide bei I an der Lokomotive befindlich – in die Leitungsröhren E der Fahrzeuge und gelangt aus dieser Leitung, beziehungsweise aus dem unter dem Fahrzeuge angebrachten mit Preßluft gefüllten Behälter G in einen ebendaselbst befindlichen Behälter H, der aus einem Cylinder mit darin beweglichem Kolben besteht. Eine mit letzterem verbundene Stange greift an das Gestänge der Bremse und bewirkt dadurch das Andrücken der Klötze an die Räder und damit Stillstand des Zuges. Ist die Leitung E mit Preßluft gefüllt, so sind die Bremsklötze von den Rädern abgehoben; wird aber die Leitungsluft mittels des Bremshahns der Lokomotive oder an irgend einer Stelle der Leitung, sei es absichtlich oder zufällig, zum Ausströmen gebracht, so treten sämmtliche Bremsen sofort in Wirksamkeit.

Um auch den Reisenden eine Einwirkung auf die Bremsen zu ermöglichen, ist in allen Wagenabtheilungen ein Nothbremshebel (bei K) angebracht, dessen genauere Einrichtung Abbildung 5 zeigt. Der Hebel K wird im Nothfalle nach rechts, in der Pfeilrichtung verschoben; aus seiner ersten Lage, wo er mit „zu“ bezeichnet ist, kommt er so in die Stellung „auf“ und läßt alsdann die Luft aus der Leitung E entweichen, d. h. er setzt sämmtliche Bremsen in Thätigkeit und stellt den Zug.

4. Eisenbahnzug mit Westinghousebremse.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_446.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)