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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Frau Cilli fiel ihm um den Hals. „Eduard,“ rief sie, „bist Du ein glücklicher Mensch?“

„Ich bin’s,“ versicherte er, „und Dir danke ich es, daß ich’s bin. Es ist mir schlecht genug bekommen, daß ich einmal daran zweifelte. Höre denn heute auch mein Bekenntniß in Gegenwart dieses wissenden Freundes; es geht mir schwer über die Lippen, aber es wird Dich völlig beruhigen. Ich habe damals die Probe gemacht: das Drama, um das ich Weib und Kinder vergessen konnte, ist – kläglich durchgefallen, und ich selbst war der eifrigste, den Dichter auszuzischen, der sich zum Glück nicht mit seinem rechten Namen genannt hatte. Jedoch zum Hausgebrauch war mein Talent mehr als ausreichend, und so hat es denn auch dem Kreise gedient, in den ich durch meinen Beruf gestellt war. Hier“ – er zog ein Papier aus der Tasche und reichte es ihr hin – „hier hast Du Dein Carmen zur silbernen Hochzeit! Es ist soeben fertig geworden. Du siehst, die Tinte ist noch nicht recht trocken.“

Ihre Thränen fielen auf das Blatt. Nie habe ich einen Menschen so glückselig weinen gesehen.




Ueber Sicherheitsvorrichtungen auf den Eisenbahnen.

Geistesgegenwart ist nicht jedermanns Sache, und im Augenblicke drohender Gefahr werden von den Betheiligten vielfach Maßregeln getroffen, die dem ruhigen Beobachter unbegreiflich erscheinen und ihm die Aeußerung entlocken: „Das hätte ich entschieden anders gemacht“.

Das Verhalten des Bedrohten ist zum mindesten unberechenbar und oft geradezu verderbenbringend. Um aber einen richtigen Entschluß sofort fassen zu können, ist ein klares Verständniß und rasches Ueberschauen der vorliegenden Umstände erste Bedingung.

Wohl in keinem andern Betriebe wird die Geistesgegenwart so oft auf eine harte Probe gestellt als bei der Eisenbahn, und aus dem Grunde ist man von jeher bestrebt gewesen, die Sicherheitsvorrichtungen von den menschlichen Entschließungen möglichst loszulösen dadurch, daß man jene selbstthätig gestaltet. Wo das nicht angeht, sucht man die Verantwortlichkeit in die Hände weniger, besonders geschulter Bediensteter zu legen, die für alle voraussehbaren Ereignisse ihre Weisungen haben. Allerdings sind auch diese Leute nicht frei von menschlichem Irrthum und menschlicher Befangenheit, und trotz aller Sorgfalt wiederholen sich die Eisenbahnunfälle von Zeit zu Zeit. Auch wird es dem menschlichen Scharfsinn nicht gelingen, alle Möglichkeiten und Zufälligkeiten des Betriebes vorauszusehen und demgemäß vollkommen vorbeugende Maßregeln zu treffen. Aber durch jeden Unfall wird die Aufmerksamkeit neu angeregt und der Scharfsinn der Techniker wiederum auf die Verbesserung der Sicherheitsvorrichtungen und die Beseitigung der verhängnißvollen Zufälligkeiten, sowohl auf den Bahnhöfen als an dem fahrenden Zuge, gelenkt.

Manche dieser Einrichtungen, selbst die zum allgemeinen Gebrauch bestimmten, sind dem großen Publikum noch mehr oder weniger unbekannt, und so soll Nachstehendes dazu dienen, einige Aufklärung über die wichtigsten Sicherheitsvorrichtungen auf der Eisenbahn zu geben. Die Kenntniß des rastlosen Strebens, mit welchem die Technik die Sicherheit der Reisenden auf der Bahn zu vervollkommnen sucht, wird den Lesern aber auch ein Gefühl der Beruhigung mittheilen gegenüber den erschütternden Wirkungen, welche die Kunde von vereinzelten grauenerregenden Unglücksfällen auf alle Mitempfindenden jederzeit ausübt.

Die große Gefahr, welche in der Verwendung eines einzigen Geleises für die in entgegengesetzter Richtung fahrenden Züge liegt, hat man schon in der ersten Zeit des Eisenbahnbetriebes erkannt und danach getrachtet, das Doppelgeleise als das normale einzuführen. In der That kann man eingeleisige Bahnen mit Ausnahme der Sekundärbahnen als berechtigt nicht mehr ansehen, und die Aufsichtsbehörde sollte deren Beseitigung in allen Fällen verlangen, beziehungsweise veranlassen. Denn jene sind von jeher der Schauplatz der schwersten Unfälle gewesen, trotz der durch die neueren telegraphischen Verkehrsmittel ermöglichten leichten Verständigung an den Abgangsorten.

Aber auch bei den zweigeleisigen Bahnen hat sich eine Sicherheitsvorrichtung dafür als unerläßlich herausgestellt, daß die in derselben Richtung fahrenden Züge nicht aneinander gerathen. Die für die deutschen Eisenbahnen gültigen Polizeivorschriften schreiben u. a. vor, daß die Züge einander nur in Stationsabstand folgen dürfen. Da nun die Fahrdauer zwischen zwei Stationen mitunter eine sehr große ist, so könnten sich die Züge nur in sehr langen und unnöthig ausgedehnten Zeiträumen folgen. Es sind deshalb auf Bahnlinien mit lebhaftem Verkehr in bestimmten, zwischen den eigentlichen Stationen liegenden Bahnwärterhäusern sogenannte „Blockstationen“ eingerichtet. Diese haben weithin sichtbare Signalmaste, mittels deren einem durchfahrenden Zuge das Signal zum Halten oder zur Durchfahrt gegeben werden kann. Die Blockstationen haben ihre Telegraphenapparate, mit denen sie nach den beiden angrenzenden Stationen in Verkehr treten können.

Innerhalb einer Blockstrecke darf sich stets nur ein Zug auf demselben Geleise bewegen; ein diesem nachfolgender Zug wird zur Verhütung des Auffahrens am Anfange der Strecke durch ein dem Lokomotivführer an dem Signalmaste gegebenes Haltesignal aufgehalten oder, wie der technische Ausdruck lautet, „abgesperrt“, und zwar so lange, bis der vorauffahreude Zug die nächstvorliegende Blockstation überschritten hat. Darüber, daß dies geschehen ist, erhält der Blockstationswärter von dort ein elektrisches Zeichen. Auf manchen Eisenbahnen besteht sogar zwischen dem elektrischen Blockapparate im Wärterhause und dem Mastsignale eine mechanische Verbindung, welche den Beamten verhindert, vor Eintreffen jener Meldung der ihm vorliegenden Blockstation das Signal für freie Fahrt überhaupt zu geben, somit die Weiterfahrt des Zuges zu gestatten.

Das optische Signal besteht aus einem hohen Mast mit einem in der Regel wagerecht liegenden Arme, welcher zum Zeichen der erlaubten Durchfahrt unter einem Winkel von 45 Grad nach aufwärts gezogen wird. Bei Dunkelheit wird die wagerechte, zum Halten des Zuges auffordernde Stellung des Armes durch eine oben am Signalmaste angebrachte Laterne mit rothem Lichte, das Zeichen der gestatteten Durchfahrt durch weißes Licht dem Zugführer kenntlich gemacht.

Die Sicherheit innerhalb der Bahnhöfe hat eine große Vervollkommnung erfahren durch die centrale Signal- und Weichenanlage, deren Einführung insbesondere auf größeren Bahnhöfen unerläßlich ist. Eine derartige Anlage verfolgt den Zweck, die ungefährdete Befahrung eines Bahnhofes und der Einmündung zu demselben dadurch zu sichern, daß stets nur für diejenigen Züge das Signal „freie Fahrt“ gegeben werden kann, deren Fahrt wirklich ungehindert ist und für welche die Weichen richtig gestellt sind. Zu diesem Zwecke sind in angemessener Entfernung vor dem nächsten gefährdeten Punkte Sperrsignale aufgestellt, welche den zum Centralapparat gehörigen Geleisebereich begrenzen. Der Centralapparat enthält eine Reihe Hebel, von denen ein Theil „Weichenhebel“, die übrigen „Signalhebel“ sind. Diese Hebel stehen durch Drahtzüge, Ketten oder durch eine Wellenleitung mit den zugehörigen Weichen oder Signalen in Verbindung und sind in geschickter, wohl überlegter Weise untereinander so in Verbindung gebracht, daß an den Sperrsignalen das Signal „freie Fahrt“ für Züge, die sich gegenseitig gefährden könnten, niemals gleichzeitig gegeben werden kann. Welche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_444.jpg&oldid=- (Version vom 28.8.2023)