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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

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Hohenkrähen und sein „Poppele“.

Mit einer Abbildung von Richard Püttner.

Wenn man von der schönen Bodenseestadt Konstanz aus längs des nördlichen Ufers des Zeller- oder Untersees über Radolfzell nach den Bergen wandert – und wohl ist die herrliche Gegend einer Fußwanderung werth! – so gelangt man bei dem Städtchen Singen ins Herz des Hegaus, des „Pagus Hegauensis“, wie dieser Landstrich schon zur Zeit Karls des Großen genannt wurde, und des „Hewgau“, wie er im Mittelalter als Kanton einer freien deutschen Reichsritterschaft hieß. Reich an Burgen und „Festen“ – es waren ihrer vierzig an der Zahl – umfaßte er einst alles Land, welches den Untersee umgiebt, ferner den „Rück“ zwischen Unter- und Ueberlingersee, erstreckte sich vom kleinen Goldbach bei Ueberlingen über Engen bis auf die Höhen von Tuttlingen und grenzte östlich an den „Linzgau“, nördlich an die „Baar“ und westlich an den „Breisgau“, während im Süden der Rhein und die Vorberge der schweizer Alpen die Grenze bildeten. Jetzt in seinem größten Bestandtheile zum Großherzogthum Baden gehörig, bildet der Hegau einen der fruchtbarsten und an Naturschönheiten reichsten Bezirke dieses gesegneten Landes, hochinteressant durch acht aus dem Nagelfluh- und Geröllgebilde wie Inseln aufragende Phonolit- und Basaltkegel und besonders anziehend durch den Reiz der Romantik. Jeder dieser wundersam geformten, steil aufsteigenden Berge ist nämlich gekrönt durch die Ruinen einer ehemaligen Ritterburg, die – wir nennen nur jene des Hohentwiel, des Hohenkrähen, des Hohenstoffeln, des Mägdebergs und des Hohenhöwen – trotzig herabschauen und von langen, mühseligen Belagerungen, schweren Kämpfen und – unheimlichen Vorkommnissen reden.

Wohl die merkwürdigste, schönstgelegene und sagenreichste aller dieser Burgruinen ist – nach dem Hohentwiel – die Feste Hohenkrähen.

Mächtiges Mauerwerk und gewaltige Strebepfeiler lassen auch in den Trümmern noch die einstige Größe, Stärke und Festigkeit der Burg erkennen; die wunderbare Pracht ihrer Lage aber und die unbeschreiblich herrliche Rundsicht über alle Berggipfel des Hegaus hinweg weit ins Schwabenland hinein und über die spiegelglatte Fläche des Bodensees hinüber nach den schneebedeckten Bergriesen der Schweiz und Vorarlbergs machen die Ruine zu einer der schönsten von ganz Deutschland, während unterirdische Felsenkammern und dazu allerlei Sagen und Geschichten von einem hier und in der Umgegend spukenden Gespenste, dem „Poppele von Hohenkrähen“, ihr überdies den Zauber der Romantik verleihen.

Geschichtlich verbürgte Nachrichten über die Zeit der Erbauung der Burg sind nicht vorhanden. Auch der Name ihres Erbauers ist nicht bekannt. Im dreizehnten Jahrhundert werden zum ersten Mal in noch vorhandenen Urkunden des Klosters zu St. Gallen und der Abtei Reichenau „Edle von Kreigin“ und „Chregin“ genannt und erst ein Jahrhundert später, im Jahr 1307, wird eines „Gottfried von Krayen“ erwähnt, der gelegentlich eines Besuches auf der benachbarten Burg Bodmann bei einer Feuersbrunst mit der ganzen Familie der Edlen von Bodmann – ein einziges Söhnlein derselben ausgenommen – in den Flammen umkam. Dieser Gottfried von Krayen scheint zugleich der letzte seines Stammes gewesen zu sein, denn nach ihm wird nie mehr eines Sprossen dieses Geschlechtes Erwähnung gethan. Die Burg kam in andere Hände und endlich in die eines Raubritters, Hans von Friedingen.

Lange scheint dieser Edle übrigens nicht in ihrem Besitz gewesen zu sein. Seiner ewigen Räubereien wegen wurde Hohenkrähen, wie der schweizer Chronist Johann Stumpf erzählt, von dem berühmten Führer der Landsknechte Georg von Frundsberg belagert, eingenommen und niedergebrannt. Diese Einnahme der für unbezwinglich gehaltenen Feste scheint großes Aufsehen gemacht zu haben, denn sie wurde in verschiedenen noch vorhandenen Volksliedern gefeiert. Auch mehrere sagenhafte Erzählungen darüber, die sich auf die heutige Zeit vererbt haben, leben noch im Volksmund jener Gegend fort. Sie geben alle einen besonderen Grund für die Belagerung an und vermischen offenbar geschichtlich Wahres mit Erdichtetem.

Eine derselben, die der Wahrheit am nächsten kommen dürfte, mag hier eine Stelle finden. Sie lautet wie folgt:

In der freien Reichsstadt Kaufbeuren lebte zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts ein hochangesehener Kaufherr, der den Namen des Erfinders der Buchdruckerkunst trug, nämlich Johannes Gutenberg.

Er war nicht nur ein sehr reicher Mann, sondern auch ein glücklicher Vater, da er eine ebenso schöne als tugendsame

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_405.jpg&oldid=- (Version vom 28.8.2023)