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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Erzählung Hyrtls räthselhaft. So wird es wohl auch in Zukunft bei dem verbleiben, was Grillparzer einst sang:

„Wenn man das Grab nicht kennt, in dem er Ruh’ erworben,
Wen, Freunde, ängstet das? Ist er doch nicht gestorben!
Er lebt in aller Herzen, aller Sinn
Und schreitet jetzt durch unsre Reihen hin,

Der große Meister in dem Reich der Töne,
Der nie zu wenig gab und nie zu viel,
Der stets erreicht, nie überschritt sein Ziel,
Das mit ihm eins und einig war – das Schöne.“

An der Stelle, wo man Mozarts Grab nach dem Zeugniß dreier Personen ungefähr zu suchen hatte, – es war dies gegen den Eingang zu rechts vom Friedhofskreuze, in der fünften Gräberreihe[1] – errichtete die Stadt Wien im Jahre 1859 ein Denkmal, das nun, in Ermangelung der Asche des Gefeierten, auf den Centralfriedhof überging.

Eine trauernde Muse mit Lorbeerkranz, Lyra und Notenblatt (aus dem „Requiem“) darstellend, darunter Mozarts Medaillon, erhebt es sich inmitten des Halbkreises, der die Gräber Beethovens und Schuberts und ein wenig zurückliegend, so daß das Mozartdenkmal es den Blicken des Davorstehenden verdeckt – auch das Grab Glucks umschließt.

Gluck.

Glucks Grab ist das jüngste der den Centralfriedhof weihenden Musikergräber. Die Steinplatte, die es deckt, hat sich erst am 29. September 1890 darauf gesenkt, während Beethovens Gebeine bereits am 22. Juni 1888, diejenigen Schuberts am 23. September desselben Jahres hier die letzte Herberge fanden. Der Denkstein: ein Obelisk mit dem in Erz gegossenen Medaillon Glucks, wurde, vom Matzleinsdorfer Friedhof mit herüber genommen. Er trägt, dem Jahre 1846 entstammend, die seltsame Inschrift: „Im Einhundert dreißigsten und zweiten Geburtsjahre errichtet.“ Durch ein Versehen erhielt sie diese Gestalt. Sie lautete zuerst: „Im Einhundert dreißigsten Geburtsjahre errichtet.“ Da man sich aber verrechnet hatte, wurden die Worte: „und zweiten“ nachträglich noch eingefügt.

Auf der Basis liest man die Worte:

„Hier ruht
ein rechtschaffner deut-
scher Mann, ein eifriger
Christ, ein treuer Gatte,
Christoph Ritter Gluck,
der erhabenen Tonkunst
großer Meister.
Er starb am 15. Novem. 1787.“

Wenige Schritte nur von Glucks Grab entfernt, in unmittelbarer Nachbarschaft des Mozartdenkmals, ragt ein weißer Marmorobelisk empor, eine reichere, edlere Nachbildung des schlichten Sandsteinobelisken, der einst Beethovens Grab auf dem so poetischen, nun leider in der Zerstörung begriffenen Währinger Friedhof bezeichnete. Die Symbole von Tonkunst, Seele und Ewigkeit: eine Leier, ein Schmetterling und die sich zum Ring zusammenschließende Schlange, sind außer dem Namen „Beethoven“ sein ganzer Schmuck. „Wir haben ihm einen Stein setzen lassen,“ schrieb zur Enthüllung desselben im Herbst 1827 Grillparzer, „damit noch unsere Enkel wissen, wohin sie zu knieen haben und die Hände zu falten und die Erde zu küssen, die seine Gebeine deckt. Einfach ist der Stein, wie er selbst war im Leben. Der Name Beethoven steht darauf und somit der herrlichste Wappenschild, purpurner Herzogsmantel zugleich und Fürstenhut.“

Beethoven Mozart Schubert
Die Gräber unsrer großen Musiker in Wien.
Nach Photographien von M. Frankenstein u. Comp. in Wien.

Wie auf dem alten Währinger Friedhof, so liegt auch hier Franz Schubert, der Lieder-Beethoven, in nächster Nähe des Meisters, zu dem er im Leben aufblickte wie zu seinem höchsten Ideal, und dem auch im Tode nahe zu bleiben sein letzter Wunsch hienieden gewesen war. Zum Glück ist ihm die plastische Ausschmückung seines Grabes, die an Geschmacklosigkeit ihresgleichen suchte, nicht mit an seine neue Ruhestatt nachgefolgt. Auch die frühere, von Grillparzer herrührende Grabschrift: „Der Tod begrub hier einen reichen Besitz, aber noch schönere Hoffnungen,“ die uns durch Schubert Reichgewordenen als eine unberechtigte, wenig dankbare Klage erscheint, hat, als von der Zeit überholt, keinen Platz daselbst gefanden. Nur der Name Franz Schubert spricht nun zu dem Beschauer und weckt in ihm eine Welt voll Sang und Klang, die Erinnerung an ein Tongenie, das volksthümlich und tiefsinnig, naiv und erhaben, frohgemuth und schwermuthsvoll zugleich alle Stimmungen und Gefühle der Menschenbrust im engen Rahmen des Liedes austönend, unser Volk mit einem Liederschatz beschenkte, um den es alle andern Nationen der Erde beneiden dürfen. Auf dem Relief an seinem Grabe bekränzt die Muse der Tonkunst des Tondichters Büste, während ein Genius zu ihren Füßen ihr Blumen darreicht. Der arme


  1. Nissen, der Biograph Mozarts (Leipzig, Breitkopf u. Härtel, 1828) und Gatte seiner Witwe Konstanze, schreibt: „Zu der Zeit, wo Mozart starb, wurden nach Angabe des Todtengräbers die Leichen in der dritten und vierten Reihe vom Kreuze an, welches auf dem St. Marxer Kirchhofe steht, begraben.“ Damit stimmt die Aussage zweier alter Musiker, Freystätter und Scholl, die Mozart noch gekannt hatten, bei Lucam („Die Grabesfrage Mozarts“ , Wien, 1856) überein.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_381.jpg&oldid=- (Version vom 24.8.2023)