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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Helmuth von Moltke †.

Stimmungsbild von Hermann Heiberg. 0 Mit Zeichnungen von H. Lüders.

Noch vor wenigen Tagen, am 21. April, war es, da sah ich den Generalfeldmarschall Moltke mittags in einem offenen Wagen an den „Zelten“ vorüberfahren. Er war vom Regen überrascht worden; aber obschon seine Begleiterin einen Schirm aufgespannt hatte, so gab er selbst sich doch der Nässe vom Himmel preis. „Er ist von Eisen und er stirbt nicht,“ murmelte ich unwillkürlich; schon wiederholt war ich Zeuge gewesen, was der greise Marschall – in seinen Jahren – dem Körper bot.

Am 24. April ist der stählerne Mann nach vorangegangener ganz kurzer Schwäche abends gestorben, und eben, während ich die Feder zu einem Erinnerungswort für die „Gartenlaube“ ansetze, sind die großartigen Trauerfeierlichkeiten in Berlin beendigt.

Der Kaiser am Sterbebett Moltkes.

Und nun fluthet das Leben wie immer dahin und nur ein häufigeres Auftauchen von Offizieren in Galauniform deutet auf ein besonderes Ereigniß; alles geht seinen Weg wie sonst; das Neue allein hat ein Recht, besonders in unserer Zeit. Was gestern, was vorgestern war, hat schon den Anspruch auf Beachtung verloren. Berge von Papier werden wohl bedruckt, um die Erinnerung an hervorragende Ereignisse und Personen wach zu erhalten, um den Geschehnissen ein Denkmal zu setzen, aber das Tagesgespräch wendet sich bald mit gleich großer Aufmerksamkeit der Eröffnung einer Kunstausstellung oder einer Gerichtsverhandlung zu wie vordem dem größten Vorgang. So war’s, als Kaiser Wilhelm I. beerdigt, so war’s, als Kaiserin Augusta zur Ruhe bestattet und Kaiser Friedrichs Hülle nach Charlottenburg übergeführt worden war.

Und dennoch ist dieses flüchtige, scheinbar eindruckslose Vorüberrauschen weltbewegender Ereignisse nur eine äußerliche Erscheinung, es deckt ein so rasches Vergessen sich keineswegs mit der Wirklichkeit. Große Menschen sprechen im Grabe weiter!

Am Sonntag beschritt ich nach zwölf Uhr mittags die zu dem sogenannten „Tanzsaal“ hinaufführenden Stufen des Generalstabsgebäudes, um Moltke noch zum letzten Male zu sehen. Das Haus war erfüllt vom Duft der Blumen, aber von jenem, dem sich der scharfzudringliche des Lorbeers hinzugesellt hat und der allezeit etwas Bedrückendes, dem Sterben Verwandtes ausathmet. Es

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_349.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2023)