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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

ja Offenbarung seines Ideals reiner Natürlichkeit und edler Formvollendung in der Bühnenkunst; sie war ihm die hohe Priesterin der Musen, wie Iphigenie diejenige Dianens; sie stellte er seiner Künstlerschar als Muster vor und sie gewann er zur Lehrerin der begabtesten unter den jüngeren Talenten. Nach ihr bildete sich Amalie Malcolmi und ihr Gatte Pius Alexander Wolff, welche die „weimarische Schule“ 1816 nach Berlin verpflanzten. Und die, wie Mignon, früh verlöschende Christiane Neumann, Goethes „Euphrosyne“, bekam von ihr die Rolle der Marianne in Goethes „Geschwistern“ einstudiert wie Shakespeares Ophelia, die letzte Rolle, in welcher dieser Liebling Goethes vor seinem frühen Tode auftrat. Auch sie hat Goethe in Versen gefeiert, wie vor ihr nur Corona Schröter und nach ihr keine andere Bühnenkünstlerin besungen worden ist. Beide, Urbilder an Schönheit und Anmuth entgegengesetzter Art, Christiane ein Kind der heiteren wie Corona der ernsten Muse, haben Goethe geliebt und mit ihrer Liebe ihre Kunst beseelt und geadelt; er hat beiden dafür durch seine Liederhuldigung Unsterblichkeit verliehen. Wie sehr die rhythmisch-plastische Schule von Weimar, als noch Goethes Geist lebendig in ihren Schülern wirkte, als die Corona Schrötersche Darstellungsweise noch von solchen Nachahmung fand, die sie selbst gesehen und gehört hatten, frei gewesen sein muß von der späteren Manieriertheit, wie sie hinreißend und überzeugend gewirkt haben muß auf ein ganzes Geschlecht von Künstlern und Kunstfreunden, davon ist ihr damaliger allgemeiner Sieg über den auf den Bühnen herrschenden Naturalismus ein erschöpfender Beweis. Auch Schiller, als er nach Vollendung des „Wallenstein“ und dem großen Erfolg seiner Erstaufführung in Weimar (1799) ganz dahin übersiedelte und bis zu seinem Tod als Dramaturg eifrig an der Leitung des Theaters theilnahm, beugte sich ihrer Macht und fühlte sich zu Zugeständnissen gedrungen. Das außerordentlich erfolgreiche Gastspiel der Weimaraner in Leipzig 1807, deren dichtbesetzte, laut bejubelte Abende fast nur Aufführungen der besten Dramen von Lessing, Schiller, Goethe, Shakespeare brachten, entschied jenen Sieg. Als letzter mächtigster Vertreter derselben ragte in unsere Zeit am längsten Emil Devrient, der ewig junge, herein.

Auch in der Katastrophe, welche dann Goethe 1817 zur Niederlegung des Bühnenscepters zwang, spielte die treibende Rolle ein durch Schönheit und Talent hervorragendes Weib. Nicht als guter Genius, sondern als Dämon der Intrigue. Wie Corona Schröter in Goethe das Interesse fürs Theater zur Leidenschaft gesteigert hatte, so gelang es Karoline Jagemann, dem Dichter das Theater für alle weitere Zeit zu verleiden, Daß der äußere Anlaß dazu ein dressirter Pudel war, als habe sich der Teufel dafür rächen wollen, daß Goethe ihn im „Faust“ als Pudel auf die Bühne gebracht, ist weltbekannt. Der Wiener Schauspieler Karsten hatte um die Erlaubniß nachgesucht, seinen vielbesprochenen, überaus geschickten Hund in dem Drama „Der Hund des Aubry de Mont Didier“ auch auf der weimarischen Hofbühne auftreten zu lassen. Goethe lehnte es ab, weil dieses Gastspiel der Würde der Kunst widerspräche, aber Karl August, der davon erfuhr, bestand darauf. Dieser würde dem Konflikt gewiß aus dem Wege gegangen sein, wenn er nicht schon längst vorher durch Karoline Jagemann, die seine Gunst in hohem Grade genoß, gegen Goethes Oberherrschaft am Theater aufgehetzt gewesen wäre. Die Jagemann, die Tochter eines weimarischen Hofbeamten, war auf Kosten der Herzogin Amalie am Mannheimer Hoftheater zur Sängerin und Schauspielerin ausgebildet worden und hätte sich nach ihrem 1797 erfolgten Uebertritt auf die weimarische Bühne, schön und reizend wie sie war und ein Landeskind obendrein, schnell zum Liebling des Hofs und des Publikums emporgeschwungen. Dem Landesfürsten wurde sie mehr – „die Gesellschafterin seiner Erholungsstunden“, und erhielt als solche später den Titel einer Freifrau von Heygendorf und ein Rittergut. Auf diesen Rückhalt gestützt, hatte sie schon 1801 dem Kapellmeister Kranz peinliche Unannehmlichkeiten bereitet und auch früh schon begonnen, die ihr lästige Macht des gewaltigen Dichterministers zu unterwühlen, Goethes Frau, die als Schwester des „Theaterdichters“ Vulpius von klein auf mit dem Theater verwachsen war und große Neigung besaß, sich in diesen Theil der Geschäfte ihres Gatten zu mischen, dürfte ihr dies erleichtert haben. Kurzum, nachdem sie schon 1808 dem Dichter seine Stellung so weit verleidet hatte, daß er ein Entlassungsgesuch einreichte, gab ihr 1817 der „Hund des Aubry“ und seine Ablehnung durch Goethe die lang gesuchte Handhabe, einen Zwiespalt zwischen Karl August und Goethe herbeizuführen, der dessen unwiderruflichen Austritt aus der Direktion des Theaters zur Folge hatte. Seine Nachfolger wurden – wenn auch nicht äußerlich – sie und ein Schützling von ihr, der Bassist Stromeyer.

In wie weit Frau Jagemann als Künstlerin das Erbe der Goetheschen Kunstübung würdig zu verwalten gewußt hat, können wir nicht mehr feststellen: daß ihr anmaßlich eitles Eingreifen in die Regiegeschäfte, ihre Umtriebe gegen Goethe und ihr wahnwitziges Unterfangen, in der Direktion an seine Stelle zu treten, das Theater schnell von seiner vielbewunderten Höhe heruntergebracht haben, dies ist dagegen zweifellos. Das Drama wurde zurückgedrängt, die Oper, und zwar vom Virtuosenstandpunkt aus, bevorzugt. Erst mit dem Eingreifen Hummels als Hofkapellmeister, der 1820 von Stuttgart nach Weimar kam, nahm wenigstens die Oper einen künstlerischen Aufschwung, der die Musikfreunde einigermaßen schadlos hielt. Die Jagemann ist später – als Freifrau und Rittergutsbesitzerin – in Vergessenheit und Einsamkeit gestorben. In der Zeit ihrer Theaterleitung war auch – 1825 – das Theater abgebrannt, das die Stätte unwiederbringlich weihevoller Stunden höchster Kunstpflege gewesen, das Goethe und Schiller in herrlichen Prologen und Vorspielen gefeiert hatten, das der Schauplatz geworden war einer ganzen


                         Mit höchster Erlaubniß
                   wird heute, Sonnabend den 7ten May 1791.
                     auf dem Hof-Theater in Weimar
                              aufgeführet:
                             Die Jäger.
    Ein ländliches Sittengemälde in fünf Aufzügen vom Herrn Iffland.
                             Personen:
Oberförster Warberger zu Weissenberg.                    Hr. Malcomi.
Oberförsterin, dessen Frau.                              Mad. Amor.
Anton, ihr Sohn, Förster zu Weissenberg.                 Hr. Einer.
Friedericke, Nichte und Pflegetochter des Oberförsters.  Mad. Matstedt.
Amtmann von Zeck zu Weissenberg.                         Hr. Amor.
Kordelchen von Zeck, dessen Tochter.                     Mlle. Malcolmi.
Pastor Seebach zu Weissenberg.                           Fischer.
Der Schulze zu Weissenberg.                              Hr. Matstedt.
Matthes, Jäger bei dem Oberförster.                      Hr. Demmer.
Rudolph, Jäger bei dem Oberförster.                      Hr. Becker.
Barth, Gerichtsschreiber zu Leuthal.                     Hr. Genast.
Die Wirthin zu Leuthal.                                  Mad. Neumann.
Bärbel, ihre Tochter.                                    Mlle. Neumann.
Reichard, Bauer von Leuthal.                             Hr. Becker.
Kappe, Bauer von Leuthal.                                Hr. Schütz.
Romann, Bauer von Leuthal.                               Hr. Blos.
Jägerbursche. Bauern.
                     Dem Stücke geht ein Prolog vor.
Da die Gesellschaft größtentheils neu zusammengetreten ist, so sind die Anfangsrollen nicht als Debüts zu betrachten, sondern es wird jedem einzelnen Mitgliede nach und nach Gelegenheit gegeben werden, sich dem Publico zu empfehlen.
Auf dem ersten Parterre 12 Gr., auf dem zweyten 8 Gr., auf der Gallerie-Loge 4 Gr., auf der Gallerie 2 Gr.
                         Anfang halb 6 Uhr. 

F. J. Fischer.

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