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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Blätter und Blüthen.

Arco. (Zu dem Bilde S. 293.) An dem schönen Unterlauf der Sarca, in dem üppig fruchtbaren, in südlichem Pflanzenwuchs prangenden „Seethal“ liegt, angeschmiegt an einen steil abfallenden Kalkfelsen, das Städtchen Arco, eine Perle von Südtirol. Nach Norden, Osten und Westen durch hohe Gebirge wirksam gegen rauhe Winde geschützt, ist es zu einem Lieblingsaufenthalt für Winterkurgäste geworden, aber auch während des übrigen Jahres bildet es ein gern gewahltes Reiseziel, hat man doch von der Höhe seines Schloßbergs aus einen wundervollen Ausblick auf den Gardasee, der nur eine Stunde entfernt seine blauen Fluthen auszudehnen beginnt. Auf unserem Bildchen haben wir den See im Rücken, rechts oben aber kommt von der Station Nago herab der Bahnzug auf dem Schienenweg, der seit Jannar d. J. Arco und das nahe Riva mit Mori an der Bahnlinie Bozen-Verona verbindet. So ist dieser reizende Fleck Erde dem großen Strome von Reisenden, der jahraus jahrein auf der uralten Verkehrsstraße durch das Etschthal und über den Brenner hin und wider fluthet, um ein Bedeutendes näher gerückt und manchen wird die neue bequeme Gelegenheit verlocken, diesem „Vorposten Italiens“ einen Besuch abzustatten.

Die neueste Klatschgeschichte. (Mit Abbildung S. 296 und 297.) Sie haben sich begegnet, zum guten Glück begegnet, die eifrigen Helfershelfer der Frau Fama, ehe Sie in das Schloß zur alten Herzogin-Witwe und Er zum Diner bei Seiner Excellenz dem Oberhofmeister getragen wird. Denn, o welch herrlicher Skandal schwebt in der Luft, eine Geschichte, so pikant, so köstlich, ein solches Kompromittirtsein hoher, ja sehr hoher Personen, daß einem vor Vergnügen das Herz im Leibe lachen muß. Nur ist es dringend nothwendig, alles so genau als möglich zu erfahren, darum schnell: Niedersetzen! die Sänftendeckel auf! – und nun beginnt oben in freier Luft, trotz der in dem engen Kasten unbequem geneigten Kniee, ein genußreicher Austausch der gleichgestimmten Seelen. Diesmal ist Er der besser unterrichtete, er hat es aus den zweifellosesten Quellen – die feingepflegte Hand in der Spitzenmanschette dozirt eifrig, aber mit gemessener Grazie. während der vorsichtige Lästermund nur in Andeutungen spricht, die indessen dem angenehmen Gegenüber im seidenen Schleppkleide mit der Coiffure à 1a Candeur und den kunstvoll gemalten Wangen durchaus verständlich sind. Die Minuten fliegen, eine Viertelstunde geht vorüber, die dicke Quaste, welche zuerst über dem Haupt des Barons schwungvoll pendelte, hängt längst unbeweglich herab – die beiden in ihrer Vertiefung merken nichts vom Flug der Zeit.

Anders freilich die Herren Lakaien. Das müßige Herumstehen sind sie gewohnt und vollbringen es den langen Tag über mit der Aufopferung guter und getreuer Knechte. Aber hocherhabenen Armes viertelstundenlang Sänftendeckel halten – dafür danken Johann und Fritz ergebenst, besonders, wenn vor ihren Augen die drei „Brettelhupfer“ der gräflich H … schen Equipage in seliger Ruhe vorübergondeln. Das ist eine andere Herrschaft, die Wagen und Pferde hält, wie sich’s gehört, und nicht in einer armseligen Sänke zu Hofe rückt – pfui Teufel! Fritz schwelgt in dem Gedanken, plötzlich seinem „Alten“ den Sänftendeckel auf den tadellosen Puderkopf fallen zu lassen; einstweilen erlaubt er sich ein halblautes Gähnen als Mahnung und wird diesem im Bedarfsfall ein lautes folgen lassen – sein Herr weiß wohl, warum er es mit ihm nicht verderben darf!

Voll stiller Ergötzung schaut auf diese europäische Dreistigkeit und auf den geschwätzigen Greis im Kasten der kleine mopstragende Neger des Hoffräuleins. Er amüsirt sich über die Weißen nicht im geringsten weniger als sie sich über ihn, den kleinen Hassan!

Und ruhig betrachtet die heimkehrende Marktfrau das Duett in der Sänfte wie eine ganz gewohnte Erscheinung. Sie weiß es eben nicht anders, als daß die Herrschaften nur zu ihrem Vergnügen leben, daß gemeine Leute arbeiten und der ehemalige Soldat nun als armer Krüppel dort an der Ecke sein Brot erbetteln muß.

Mit feinem und satirischem Humor hat unser Künstler dieses Bild aus der „guten alten Zeit“ festgehalten. Wir sehen sie leibhaftig vor uns, freuen uns an der gelungenen Darstellung – und denken zum Schluß: das Beste daran ist, daß sie vorüber ist! Bn.     

Das Sammeln der Steckmuschel in den Salzseen auf Meleda. (Zu dem Bilde S. 301.) Meleda, die südlichste und zugleich die östlichste der größeren dalmatinischen Inseln, ist nicht so reich an fruchtbarem Boden wie die Weininseln Lissa und Lesina; dafür aber sind ihre Uferwässer mit Fischen, Krebsen und Kopffüßlern dicht bevölkert, und die gütige Mutter Natur hat in den beiden Salzseen auf dem westlichen Ende der Insel, dem Lago grande und dem Lago piccolo (dem großen und dem kleinen See), günstige Wohnstätten für die köstliche Auster, die Seedattel und für die größte der adriatischen Muscheln, die Steck- oder Schinkenmuschel, geschaffen.

Diese Seen besitzen alle Eigenschaften, die zum Gedeihen von Muscheln erforderlich sind; der Lago grande steht mit dem Meere durch einen sehr schmalen Kanal in Verbindung, so daß auch bei Hochfluthen sein Wasserstand sich nur unwesentlich verändert; durch einen ebenso schmalen Kanal ist er mit dem Lago piccolo verbunden.

Beide Seen sind nicht allzu tief und auf ihrem Grunde giebt es genug Stellen, an denen die zarte Muschelbrut – die anfangs nur von mikroskopischer Größe ist und lebhaft umherschwärmt – sich festsetzen und ungestört heranwachsen kann. Das reine, klare Wasser dieser Seen scheint dem Fleisch der Muschelthiere einen besondern Wohlgeschmack zu geben; denn die Austern von Meleda stehen bei den Feinschmeckern in noch höherer Gunst als die Lagunenaustern von Venedig, und auch das Fleisch der Steckmuschel, das im Risotto gedünstet eine beliebte Volksspeise bildet, hat einen angenehmen Geschmack.

Die Steck- oder Schinkenmuschel (Pinna squamosa) kommt auch in andern Gewässern Dalmatiens vor, nirgends aber so häufig und in solcher Größe wie in den Seen auf Meleda, in denen Exemplare von 70 bis 80 cm Länge ganz gewöhnlich sind und bisweilen solche von Meterlänge gefangen werden. Ihre Schalen sind sehr dünn und zerbrechlich; innen sind sie mit einer zarten rothbraunen Perlmutterschicht bekleidet. außen von röthlichgrauer Farbe. Sie sind wenig gewölbt, haben die Form eines sehr spitzwinkligen Dreieckes, das durch einen Bogen geschlossen ist, und zeigen undeutliche Längsfurchen, auf welchen hohle Schuppen in bogigen Querreihen stehen. Eine besondere Drüse, die „Byssusdrüse“, sondert den sogenannten Byssus ab, ein Büschel feiner, glänzender, goldbrauner klebriger Fäden von 12 bis 16 cm Länge, vermittelst deren sich das Thier am Gesteine festankert. Diese Byssusfäden wurden früher zu feinen seidenartigen Geweben verarbeitet. Die Muschel steckt mit ihrem spitzen Ende etwa bis zu einem Viertel ihrer Länge im Sand oder in Gesteinsspalten in einer Wassertiefe von 1 bis 4 Metern.

Die Fischer auf Meleda bedienen sich zum Sammeln der Steckmuscheln eines in einem Winkel von 40° gebogenen Eisenstabes, der an der Innenseite sägeartig gezahnt ist und der wie eine Haue an einer 4 Meter langen starken Stange befestigt wird. Je zwei solcher Sammler rudern in einer kleinen Barke nahe dem Seeufer hin; wenn sie über eine Stelle gekommen sind, wo sie die Muscheln vermuthen, ziehen sie die Ruder ein, und der im Vordertheil der Barke stehende Fischer gießt aus einem Bockshorn Oel auf die vom Wind und von den Ruderschlägen bewegte Wasseroberfläche: fast augenblicklich glättet sich diese in weitem Umkreis um das Fahrzeug, als wäre das Wasser plötzlich zu einer krystallhellen Eisplatte erstarrt, durch welche man den mit Algen bewachsenen Grund des Sees in ruhiger Klarheit sieht. Wie dunkle Felsblöcke auf einer Alpenwiese ragen daraus die großen Muscheln hervor.

Der zweite Fischer fährt nun mit seinem Eisen auf den Seegrund, so daß die Muschel nach ihrer Breite zwischen die Schenkel des Eisens zu stehen kommt, und reißt mit einem starken Ruck die Stange senkrecht in die Höhe. Die Fischer sammeln gewöhnlich nur große und mittelgroße Exemplare und lassen kleinere für eine künftige Ernte stehen. Sonst würde trotz ihrer ungeheuer großen Nachkommenschaft die Pinna dort schon ausgerottet sein, da man sie von September bis Ende März fängt und ihr Wachsthum kein sehr schnelles ist.

Bisweilen findet man in unseren Muscheln Perlen von granatrother oder weißer Farbe und häufig zwischen den Mantellappen des Thiers eine kleine Krabbe, die durch die am hintern Ende klaffenden Schalen eindringt und von dem Muschelthier als Mitbewohner seines Gehäuses geduldet wird. Schon den Alten war dieses eigenthümliche Zusammenleben bekannt, und sie nannten die Krabbe den „Pinnenwächter“, indem sie der Meinung waren, daß sie die Muschel vor Gefahr warne; die Zoologie hat der Krabbe den Namen Pinnotheres veterum – der Pinnenwächter der Alten – gegeben, ohne sie jedoch als „Wächter“ der Pinna anzusehen. – l –     




Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Hoffmann Weingarten. Ihr sieben Anfragen finden Sie beantwortet in dem von uns schon oft empfohlenen Werke von A. Dreger „Die Berufswahl im Staatsdienste“ (C. A. Kochs Verlag, Leipzig). Seite 34 bis 76 der 3. Auflage sind die Verhältnisse der Reichsmarine behandelt. Noch ausführlichere Belehrung finden Sie in dem Buche „Die Laufbahnen in der deutschen Kriegsmarine“! In demselben sind die neuesten Bestimmungen, Erlasse und Verfügungen im Auszuge zusammengestellt. (2. Aufl. Berlin, R. v. Deckers Verlag.)

W. S., Althaldensleben. Es freut uns sehr, daß die Aufsätze über die Frauenmoden bei Ihrer Familie so großen Gefallen gefunden haben. Aber Ihren Wunsch betreffend das Gedicht „Großmütterchen erzähle“ vermögen wir leider nicht zu erfüllen. Wir können doch in der „Gartenlaube“ nicht ein Gedicht abdrucken, das bereits vor 30 Jahren in einem anderen Blatte gestanden hat!

Treue Leserin in Wien. Aber warum sollen denn Ihre Haare nicht grau werden? Ist das eine Schande? Wir meinen, echte graue Haare seien immer noch besser als gefärbte blonde.

C. Gr. in Shiner, Texas. Wir danken Ihnen bestens für Ihren gutgemeinten Vorschlag. Er ist uns aber von sachverständiger Seite als undurchführbar bezeichnet worden.

P. Fr. in Darmstadt. Wir haben auch sonst schon Zustimmung zu unserer Auffassung der Frage des Zonentarifs, wie wir sie in Nr. 10 dieses Jahrgangs ausgesprochen haben, erfahren. Uebrigens ist Eduard Engels Schrift „Eisenbahnreform“ jetzt in einer zweiten billigen, als „Volksausgabe“ neu bearbeiteten Auflage (Jena, H. Costenoble) erschienen unter dem Titel „Der Zonentarif“; hier sind die neueren Ergebnisse auch schon allenthalben herangezogen.

K. S. in L. Friedrichsruh, der gegenwärtige Wohnsitz des Fürsten Bismarck, liegt an der Bahnlinie Wittenberg-Hamburg, 26 Kilometer von letzterem entfernt. – Was Ihren Wunsch nach einer Briefmarkenzeitung betrifft, so entspricht vielleicht die „Illustrirte Briefmarkenzeitung“ (Leipzig, Verlag von Ernst Heitmann) Ihrem Bedürfnisse.



Inhalt: Lea und Rahel. Roman von Ida Boy-Ed (1. Fortsetzung). S. 293. – Arco. Bild. S. 293. – Die neueste Klatschgeschichte. Bild. S. 296 und 297. – Erinnerungen an Schliemann. Von Rudolf Virchow. III. S. 299. – Das Sammeln der Steckmuschel in den Salzseen auf Meleda. Bild. S. 301. – Eine unbedeutende Frau. Roman von W. Heimburg (17. Fortsetzung). S. 303. – Eine Gewissensfrage. Bild. S. 305. – Die Astronomie auf der Straße. I. Von Dr. C. Cranz. Mit Mit Abbildung S. 307. – Blätter und Blüthen: Arco. S. 308. (Zu dem Bilde S. 293.) – Die neueste Klatschgeschichte. S. 308. (Zu dem Bilde S. 296 und 297.) – Das Sammeln der Steckmuschel in den Salzseen auf Meleda. S. 308. (Zu dem Bilde S. 301.) – Kleiner Briefkasten. S. 308.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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