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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


Blätter und Blüthen.


Frühling im Spreewalde. (Zu dem Bilde S. 265.) Die Mark Brandenburg, „des heiligen römischen Reiches deutscher Nation Streusandbüchse“, hat seit jeher in Verruf gestanden, das denkbar möglichste in landschaftlicher Einförmigkeit zu leisten. Wer sich noch niemals an den geheimnißvollen Reizen der stillen märkischen Seen erquickt, nicht ein einziges Mal dem traulichen Murmeln und friedlichen Plätschern der dortigen, bedächtig dahinfließenden Gewässer gelauscht hat; wessen Fuß noch nie die stattlichen brandenburgischen Buchenwälder betrat: der freilich vermag unbedacht in ein solch absprechendes Urtheil einzustimmen. Wie anders würde er reden, wenn er Land und Leute jener Provinz aus eigener Anschauung kennen lernte! Das ist nun aber nicht jedermann möglich, und so müssen wir dem Maler O. Piltz dankbar sein, daß er mit seinem Künstlerstifte in dem Frühlingsbilde aus dem Spreewalde ein Stück märkischer Erde aufs Papier bannte und weiten Kreisen zur Betrachtung darbot.

Der Spreewald, einige Meilen in fast südlicher Richtung von der Reichshauptstadt, nicht weit von der reichen Tuchmacherstadt Kottbus gelegen, ist sowohl in landschaftlicher wie in völkerkundlicher Hinsicht von hervorragender Eigenart. Mit wohl dreihundert Armen durchschneidet die Spree dieses Stücklein Erde, so daß wie in Venedig und vielfach in Holland das Wasser die einzige Verbindungsbahn zwischen Gehöften und Dörfern abgiebt. Von der Wiege bis zur Bahre ist darum der Kahn des Spreewäldlers stets hilfsbereiter Gefährte. Der Nachen führt ihn zur Taufe wie zur Trauung und schließlich, nach des ärmlichen Lebens Mühen und Sorgen, zum stillen Frieden des Grabes. Der Name „Spreewald“ für jene Gegend könnte heutigen Tages freilich angefochten werden; er entstammt einer Zeit, die allerdings erst kaum ein halbes Jahrhundert hinter uns liegt, – jener Zeit, in der die Waldungen zwischen dem vielmaschigen Spreenetze noch nicht wie jetzt gelichtet und zum Theil abgeholzt waren, sondern als geheimnißvoller Urwald wildem Gethier sichere Zufluchtsstätten boten. Aber der verbliebene Rest jenes Waldes ist trotzdem noch von malerischer Schönheit, besonders zur Zeit, wenn linde Lüfte in Wald und Wiese neues Leben wecken und die Mensch aus ihren strohbedachten, grün umrankten Blockhäusern an den warmen Sonnenschein hervorlocken.

Ein Frühlingsidyll auch ist es, das unser Künstler im Spreewalde belauscht hat. Die junge Mutter auf der Schnitzbank, der das Mutterglück aus dem Gesichte strahlt, stellt ihren zum Besuche gekommenen beiden jüngeren Schwestern deren erste Nichte vor. An dem zutraulichen Gebahren der Kleinen ergötzen sie sich allesammt, besonders auch der Großvater, der in heller Freude über die kluge Enkelin vielleicht gar noch die von ihm unzertrennliche Tabakspfeife erkalten lassen wird. – W. M.-M.     

Kriegsrath bei Friedrich dem Großen. (Zu dem Bilde S. 269.) Man giebt sich wohl gern der Anschauung hin, daß Friedrich der Große, dieser Meister der Strategie, wie es deren wenige in der Geschichte und keinen zweiten unter seinen Zeitgenossen gab, seine Kriegs- und Schlachtenpläne ganz allein entworfen hätte, daß sie als fertige Befehle an seine Generale ergangen wären. Dem ist nicht so; der König hielt sich nicht für zu gut, die Meinung anderer zu hören.

Unser Bild stellt uns einen Kriegsrath bei Friedrich dem Großen dar. Es handelt sich offenbar um den allgemeinen Entwurf eines Feldzugsplanes und der König hört mit ruhiger Aufmerksamteit den Vorschlägen des Grafen Schwerin zu, der, mit dem Zeigefinger der Linken auf die Karte weisend, seine Ansichten entwickelt. Auch die übrigen Generale horchen mit Aufmerksamkeit den Auseinandersetzungen des Redners zu und es scheint, daß sie im großen und ganzen einleuchtend finden, was er vorträgt. Wir erkennen links, in den Sessel zurückgelehnt, die charakteristische Gestalt des alten Ziethen, an dessen rechter Seite Feldmarschall Keith sitzt. Zur Linken von Ziethen folgen der berühmte Reiterführer Seydlitz und, im Hintergrunde, der Prinz Ferdinand von Braunschweig. Unter den übrigen müssen wir noch die markige Gestalt des Generals Winterfeld erwähnen, der, mit dem Rücken gegen das Fenster stehend, sich mit der Linken auf ein zierliches Rokokotischchen stützt.

Wenn Friedrich von einem seiner Generale einen Widerspruch erfuhr, so konnte er wohl grimmig aufbrausen, aber er ließ sich ebenso leicht durch den Erfolg wieder versöhnen. Als beim Beginn der Schlacht von Zorndorf gegen die Russen der preußische linke Flügel in arge Bedrängniß gerieth, da sandte der König an Seydlitz den Befehl, mit seiner Kavallerie vorzurücken. Aber Seydlitz hielt den Augenblick noch nicht für gekommen, er wartete ruhig zu. Der König wurde ungeduldig und ließ dem General sagen, er werde nach der Schlacht mit seinem Kopfe Rechenschaft zu geben haben. Seydlitz aber blieb und ließ zurückmelden: „Nach der Schlacht steht dem König mein Kopf zu Diensten!“ Endlich schien ihm der richtige Augenblick da und er brach mit seinen Schwadronen los; rasch hatte er die feindliche Kavallerie, gleich darauf die Infanterie geworfen, um dann auch dem rechten preußischen Flügel Hilfe zu bringen. Am Abend nach der Schlacht aber, als Seydlitz in des Königs Zelt trat, umarmte ihn dieser und sagte: „Auch diesen Sieg habe ich Ihm zu danken.“ Die anfängliche Unbotmäßigkeit seines treuen Generals hatte er ganz vergessen.

Türkische Sängerin. (Zu dem Bilde S. 261.) Das farbenreiche Leben des Orients hat den Malern immer einen dankbaren Stoff für ihren Pinsel geboten, und gerade F. M. Bredt hat sich in zahlreichen Gemälden als einen ausgezeichneten Kenner und Darsteller desselben erwiesen. Unser heutiges Bildchen stellt eine türkische Sängerin dar, wie man sie in der Hauptstadt am Bosporus vielfach trifft. Sie vertritt dort etwa die Stelle des Bänkelsängers oder Drehorgelmanns, oder besser der Gesangskünstlerin dritten Grads, die sich bei uns in den Wirthschaften oder bei öffentlichen Volksbelustigungen hören läßt. In den Kaffeehäusern oder auch in den Privatwohnungen trägt sie mit singendem Tone Märchen vor oder spielt zum Tanze auf, – ja manchmal vereinigt sie beide Künste in ihrer Person und tanzt selbst etwas vor zu den schlichten Weisen ihrer zweisaitigen Guitarre.

„Bunte Blüthen“ von Rudolf von Gottschall. Nicht bloß der Litterarhistoriker, auch der Dichter Gottschall ist unsern Lesern eine vertraute Erscheinung. Sie alle kennen seine formschönen, stimmungsvollen, von edlem Gedankengehalt getragenen Gedichte, kennen seine Kunst, die Erscheinungen der Natur und der Geschichte poetisch zu verarbeiten. Nun hat Gottschall wieder eine Reihe seiner Schöpfungen zu einem kleinen Bändchen zusammengestellt, das unter dem Titel „Bunte Blüthen“ im Verlage der Schlesischen Buchdruckerei, Kunst- und Verlagsanstalt, vormals S. Schottländer in Breslau erschienen ist. Die ganze Vielseitigkeit des Dichters, sein ganzer Reichthum an Tönen und Farben prägt sich in dieser Sammlung aus. Da finden wir das hingehauchte leise klingende Lied, die rauschende Ballade, das philosophirende Stimmungsbild, das schwungvolle und sinnreiche Gelegenheitsgedicht, das stille Ergebniß des Herzens, die träumenden Phantasien der Seele, das Ereigniß des Tages und die Entscheidungen der Weltgeschichte, alles fügt sich dem Geiste des Dichters, daß es, von ihm gestaltet, hinaustrete in die Welt, sie zu erfreuen und zu erheben.

Der Zoologe. (Zu dem Bilde S. 273.) In diesem trefflichen, nach dem Leben entworfenen Bilde werden wir in die geheimen Räume eines zoologischen Museums eingeführt. Der „Zoologe“, der mitten unter allerlei Sammlungen steht, führt in der Regel den Titel „Konservator“ und hat die schwierige Aufgabe, die neu eingegangenen Sendungen einzuordnen und sie in den Stand zu versetzen, in dem sie das Auge des Besuchers erfreuen. Forscher aus allen Welttheilen bereichern das Museum durch ihre Zusendungen, und da wird der Konservator oft vor die schwierigsten Aufgaben gestellt; die Freude über die werthvollen Eingänge wird alsdann durch Sorge getrübt, und besorgt ist gewiß der Herr Konservator auf unserem Bilde. Aber die Sorge wird nicht lange dauern; nach und nach wird der Wirrwarr sich lichten und der Konservator zufrieden lächeln, wenn die Thiere und Vögel, Reptile und Fische ferner Länder ausgestopft, präparirt und etikettirt in die lange Reihe der Museumsschätze einrücken.

Der Künstler, welcher unser Bild geschaffen hat, der 1828 zu Berlin geborene und auch heute dort ansässige Maler Fritz Werner, ist nicht zu verwechseln mit dem Historienmaler Anton von Werner; erst Kupferstecher, hat er sich erst im reiferen Alter, mit fünfunddreißig Jahren, der Malerei zugewandt und sich zunächst unter dem Einfluß Adolf Menzels, dann aber hauptsächlich unter dem seines Freundes und Lehrers Meissonier jene Kunst der feinen Charakteristik, der sorgfältigsten Beobachtung des Lebens angeeignet, welche wir auch in unserem Bilde wiedererkennen.

Die „Fornarina“. (Zu unserer Kunstbeilage.) Das Bildniß einer schönen Frau, welches wir in unserer heutigen Kunstbeilage den Lesern vorführen, galt nach alter Ueberlieferung als ein Werk Rafael Santis aus Urbillo und war auf dessen Geliebte, die schöne römische Bäderstochter, die „Fornarina“ getauft. Eines der schönsten Kleinodien unter den reichen Kunstschätzen von Florenz, fesselt es noch heute die Besucher der Arnostadt durch seine wunderbare Anumth, ist aber auch merkwürdig durch einen eigentümlichen Streit der Kunstgelehrten, der sich daran knüpfte.

Es hat nämlich mit unserem Bilde eine eigene Bewandtniß. Als ein Werk Rafaels galt es schon im 16. Jahrhundert, aber es führt in den ältesten Verzeichnissen nur den einfachen Titel „una donna“, d. h. eine Dame. Erst im 18. Jahrhundert wurde dieser „Donna“ der Name der „Fornarina“ beigelegt, ohne daß sich, wie es scheint, diese bestimmte Namengebung mit zwingenden Gründen belegen ließe. Man nahm eben an, daß eine schöne von Rafael gemalte Frau niemand anders als seine Geliebte sein könne. Und neuerdings endlich haben die Kunstgelehrten gar das ganze Werk dem Rafael selbst abgesprochen und es einem Zeitgenossen und Nebenbuhler des großen Urbinaten, dem Sebastiano del Piombo, einem engen Freunde Michelangelos, zugeschrieben.

Wie dem auch sein mag, jedenfalls haben wir in unserem Bilde ein Meisterwerk aus der Blütezeit der italienischen Malerei vor uns, wohl werth der Bewunderung, die ihm gezollt wird.



manicula Hierzu Kunstbeilage V: Die „Fornarina“.

Inhalt: Eine unbedeutende Frau. Roman von W. Heimburg (15. Fortsetzung). S. 261. – Türkische Sängerin. Bild S. 261. – Originalgestalten der heimischen Vogelwelt. Thiercharackterzeichnungen von Adolf und Karl Müller. 4. Deutsche Hinterwäldler b. Der Auerhahn. S. 264. Mit Abbildung S. 267. – Frühling im Spreewalde. Bild S. 265. – Truggeister. Roman von Anton von Perfall (Schluß). S. 267 – Kriegsrath bei Friedrich dem Großen. Bild S. 269. – Bei den darbenden Webern im Glatzer Gebirg. Von Johannes Preetß. S. 271. – Der Zoologe. Bild S. 273. – Blätter und Blüthen: Frühling im Spreewalde. S. 276. (Zu dem Bilde S. 265.) – Kriegsrath bei Friedrich dem Großen. S. 276. (Zu dem Bilde S. 269.) – Türkische Sängerin. S. 276. (Zu dem Bilde S. 261.) – „Bunte Blüthen“ von Rudolf von Gotschall. S. 276. – Der Zoologe S. 276. (Zu dem Bilde S. 279.) – Die „Fornarina“. (Zu unserer Kunstbeilage.) S. 276.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_276.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2022)