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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Die Anklage des Staatsanwaltes hallte durch den schwülen Raum, vernichtende Worte von krankhaftem Taumel, der alles ergriffen, von verbrecherischer Genußsucht, vom Hohn auf jedes Recht, von gleißnerischen Ehrbegriffen. „Die Achtung vor dem Eigenthum ist erstickt, die Liebe zur Arbeit verschwunden aus den Herzen, die Litteratur, das Theater athmen Schwelgerei und Sittenlosigkeit, der Preis der Tugend findet keine Sänger mehr; die rohe Kunst, sich zu bereichern ohne Arbeit, ohne Fleiß, ohne Ausdauer, ohne Genie, ist die einzig gepflegte, sie ist die moderne Pest der Staaten. Die heute hier als Angeklagte stehen, sind nur die sichtbaren Vertreter der allgemeinen Fäulniß, nicht über sie allein halten wir heute Gericht, nicht sie allein klage ich an, sondern die ganze Gesellschaft, die nach denselben Grundsätzen, in denselben Trieben gehandelt und gelebt hat seit Jahren. Sie alle stehen heute vor dem Richterstuhl, und das Urtheil, das heute hier gesprochen wird, gilt für sie alle; möge es die Donnerstimme der Gerechtigkeit sein, die unsere Zeitgenossen in ihrem Innersten aufwühlt und sie zur Erkenntniß bringt, wohin dieser Weg führen wird, oder vielmehr schon geführt hat – zur völligen Verderbniß, zur Selbstvernichtung.“ –


Kriegsrath bei Friedrich dem Großen.
Nach dem im Besitze der Kunsthandlung Fr. Schwarz in Wien befindlichen Gemälde von Johann Hamza.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_269.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2022)