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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

romantischer Aufenthalt! Auf der ein’ Seiten die finstern Mauern, wo nur manchmal der Kopf von ein’ Spaziergänger auf der Bastei zu seh’n war; auf der andern Seiten die hohe Böschung, die vom Glacis herunterg’führt hat. Der Grund war mit melancholischen Pappelalleen bepflanzt, die manchmal mit andern Baumgruppen Boskett’n gebildet hab’n, wie das traulich stille Studentenwaldl, wo sich die Schottner und andere Gymnasiasten, vom Lärm der Glacis entfernt, ihr Latein eingepaukt hab’n. An anderen Stellen war es weniger ruhig. da übten die neurekrutirten Trommler und Trompeter ihre Kunst in ohrenzerreißender Weise ein.

Am Abend, wenn die Sonn’ lange Schatten g’worfen hat, sind unsere Alten auf die Basteien gewandert. haben den schönen Ausblick auf die Vorstädt’ und das Kahlengebirg’ genossen und haben sich von den schlechten Zeiten vorlamentirt: daß die Mundsemmeln immer kleiner werd’n, daß das Rindfleisch schon zehn Kreuzer das Pfund kostet, daß man ein paar Backhändln nicht mehr unter acht Groschen kriegt und daß ein Familienvater, wenn er Sonntags mit den Seinigen ins Lerchenfeld wandert, mit einem Silberzwanziger nicht mehr sein auslangen find’t. Dann haben sie sich ins Paradiesgartl auf der Mölkerbastei gesetzt, wo die besseren Bürgerklassen zusammenkommen sind, und in der kühlen Abendluft bei den Klängen der Straußschen und Lannerschen Walzer von den ‚guten alten Zeiten‘ geplaudert. Aber macht nix, sie is auch schön, die neue Zeit. Ueberzeugen Sie sich nur selber.“

Das neue Burgtheater.

Sie waren inzwischen wieder an den Ausgangspunkt beim Opernhause zurückgekehrt. Herr Hainfelder erklärte seinem Gaste auf dem Wege um die Stadt alles Sehens- und Wissenswerthe. Das gewaltige Gebäude des Opernhauses mit seiner heiteren Renaissance fesselt vor allem den Blick. Von den Architekten van der Nüll und Siccardsburg erbaut und in seinen Innenräumen von den Bildhauern Pilz, Gasser, Hähnel, dann von den Malern Rahl, Griepenkerl, Geiger und anderen in reichster und prunkvollster Weise geschmückt, zählt dieses Haus neben der Pariser Oper und dem neuen Burgtheater zu den schönsten Prachtgebäuden dieser Art. Gegenüber, breit hingestreckt, erhebt sich der Heinrichshof, ein Werk des ebenfalls, wie Friedrich von Schmidt, kürzlich verstorbenen Meisters Hansen, mit Fassadefresken nach Entwürfen von Rahl. Die eine Seitenfront des Opernhauses bildet die verlängerte Kärntnerstraße; von hier hat man einen prächtigen Ausblick auf den Kärntnerring bis zum Kolowratring einerseits und auf den Opernring andererseits; gegen die Stadt zu öffnet sich die theilweise erweiterte Kärntnerstraße mit dem Stefansthurm als wirksamem Abschluß; in derselben Achse gegen die Vorstadt Wieden zu erblickt man die Elisabethbrücke mit den schönen Statuen der Babenberger Herzoge und anderer um die Stadt hochverdienter Männer, wie Sonnenfels, Bischof Kollonitsch, Graf Starhemberg, Fischer von Erlach. Die andere Seite des Hauses flankirt die Operngasse mit dem Palast des Bierkönigs Dreher; diese Gasse findet einen künstlerischen Abschluß in dem Brunnen der Augustiner-Rampe mit Marmorgruppen von J. Meixner; die Hauptgruppe stellt den alten Danubius an der Seite der mauergekrönten Vindobona dar; zu ihren Füßen spielt ein anmuthiges Kind, der Wienfluß, der in Wirklichkeit übrigens den Wienern als ungeberdiger schmutzstarrender Range häufig lästig wird. In den Nischen sind die Hauptflüsse Oesterreichs durch schöne männliche und weibliche Gestalten versinnbildlicht.

Den Opernring aufwärts öffnet sich linker Hand eine kurze breite Straße, die in den Schillerplatz mit dem von Schilling in Dresden ausgeführten Schillerdenkmal mündet; dahinter die von Hansen erbaute Akademie der bildenden Künste mit Statuen von Melnitzky und Pilz. Dann aber eröffnet sich von der Ecke der Babenbergerstraße, welche die Vorstadt Mariahilf mit der Ringstraße verbindet, dem Blicke ein überwältigendes architekonisches Bild. Rechts der Kaisergarten, in welchen der im Bau begriffene, von Hasenauer entworfene neue Burgflügel hineinragt, dann das alte. von Nobile erbaute Burgthor, ein massiver Bau mit schweren, dorischen Säulen, durch deren Halle man den Heldenplatz mit den Denkmälern des Erzherzogs Karl und des Prinzen Eugen (von Fernkorn) erblickt; weiterhin folgt rechts der Volksgarten mit dem Theseustempel, welcher bis vor kurzem die weltberühmte Marmorgruppe Canovas, Theseus den Minotaurus besiegend, umschloß, und dem von Weyr und Kundmann ausgeführten Grillparzerdenkmal. Links stehen die nach den Plänen Sempers von Hasenauer ausgeführten Hofmuseen in herrlicher Hochrenaissance; die „Gartenlaube“ hat von diesen beiden Bauten, die zusammen nahe an zwölf Millionen Gulden gekostet haben, schon in ihrem Jahrgang 1889, S. 811 Bild und Beschreibung gebracht; der Platz zwischen den beiden Museen ist in eine Gartenanlage in französischem Zopfstil umgewandelt, damit das in der Mitte sich erhebende Erzdenkmal der Kaiserin Maria Theresia zur bestmöglichen Wirkung gelangen kann. Das in den größten Maßen ausgeführte Monument, welches ebenfalls schon früher (im Jahrgang 1888, Seite 473) abgebildet worden ist, ein Werk des Bildhauers Zumbusch, stellt die große Kaiserin, auf dem Thronsessel sitzend, mit dem Scepter in der Linken, die Rechte schützend ausgestreckt, dar; den Sockel schmücken die Reiterstatuen der berühmtesten Feldherren ihrer Zeit, während in den Feldern Reliefs mit Gruppen von berühmten Persönlichkeiten, Staatsmännern, Gelehrten, Künstlern etc., angebracht sind. Hinter den Hofmuseen, ein wenig rechts, liegt das deutsche Volkstheater, ein überaus freundlicher, praktischer und behaglicher Bau, der trotz der einfachen Mittel den Eindruck zierlicher Anmuth und bürgerlicher Eleganz macht. Dies und das Gefühl der Sicherheit, welches die praktische technische Eintheilung des Baues erzeugt, haben wohl in erster Linie dazu beigetragen, dieses Haus den Wienern so werth zu machen. Den bewährten Theaterarchitekten Fellner und Helmer gebührt das Verdienst, den gefälligen Bau mit der verhältnißmäßig geringen Summe von einer halben Million Gulden hergestellt zu haben.

Wenige Schritte von den Hofmuseen beginnt der Franzensring und das Rathhausviertel mit dem schönsten modernen Platze in Europa. Auf dem Flächenraum des ehemaligen Paradeplatzes erhebt sich eine Anzahl staatlicher und städtischer Monumentalbauten, welche durch ihre mannigfachen Stilformen, den großartigen Prunk ihrer Ausstattung und die geniale Lösung der künstlerischen Aufgaben das Auge entzücken. Die Namen der Architekten Gottfried Semper, Friedr. Schmidt, Theophil Hansen, Heinrich Ferstel sind mit diesen Bauten, welche dem architektonischen Wien unserer Tage ihr charakteristisches Gepräge geben, unsterblich geworden. Abends bei Mondbeleuchtung wirkt dieser Platz wie ein Märchenzauber aus einem geträumten Wunderlande. Der mächtige gothische Rathhausbau mit seiner zierlich durchbrochenen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_230.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)