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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

setzte er, höher als man es selbst hier gewohnt war, viele zogen sich zurück; zuletzt spielten Christian und Baron Anspacher allein. Auch dieser schien erregt, der Inhalt der Brieftasche gehörte bereits seinem Gegner, dessen eiserne Ruhe man allgemein bewunderte als eine Seltenheit bei einem Neuling im Spiele.

Anspacher selbst erklärte endlich mit erzwungenem Lachen seine Zahlungsunfähigkeit; ihn ärgerten weniger die Verluste als die schadenfrohen Mienen rings umher.

Wie aus einem Traume erwachend, zählte Brennberg mit zitternden Fingern seinen Gewinn, der mehrere tausend Mark betrug; er weigerte sich, das Geld zu behalten, schob es Anspacher wieder zu, bis ihm begreiflich gemacht wurde, daß dies eine Beleidigung, eine Unmöglichkeit sei; dann steckte er es unter gestammelten Entschuldigungen ein. – –

Als er seine Wohnung betrat, erwachte er wie aus einem Traume. Er mußte wohl noch viel getrunken haben, denn der Kopf schmerzte ihn. Er saß in seinem Zimmer und vor ihm lag ein Haufen Banknoten. Ueber dem Schreibtisch hing der Großvater, der Spieler, in der dunklen Ecke des Bildes flammte es wie ein rothes Karo, darauf starrte sein Blick.

Da ging die Thür hinter ihm. Er fuhr zusammen und bedeckte die Banknoten mit beiden Händen, als wären sie gestohlenes Gut. Theodor, sein Sohn, stand hinter ihm, die Spuren einer durchschwärmten Nacht im bleichen Antlitz.

„Was willst Du noch um diese Stunde?“ fragte Christian, die Banknoten mit seinem Leibe vor den Blicken des Sohnes zu decken suchend.

„Ich habe mit Dir zu reden, Papa. Ich dachte es morgen zu thun, da sah ich aber noch Licht bei Dir, so mag es heute noch sein! Es hat Eile!“ Er lachte sonderbar.

„Uebrigens brauchst Du mir keinen Vorwurf zu machen,“ fuhr er fort, indem er einen schwankenden Schritt auf den Vater zu that und auf das Geld wies, „Du scheinst Dich auch amüsirt zu haben –“

„Du bist unverschämt, Theodor, mach’ ein Ende – ich bin krank – mein Kopf – die vielen Geschäfte –“

Er versuchte dabei, die zerknitterten Banknoten in seiner Tasche zu verstecken, doch Theodor bemerkte es und mußte hellauf lachen.

Der Kunstliebhaber. 0 Nach dem Gemälde von E. Meissonier.
Photographie von Lecadre in Paris, dem alleinigen Verleger der Meissonierschen Werke.

„Geschäfte? Ja, allerdings, und wie es scheint, bessere Geschäfte, als ich heute abend gemacht habe! – Nun, da brauche ich mich ja nicht mehr zu geniren – für das Pech kann man ja nicht – ich habe schwer verloren im Kasino.“

Christian knickte zusammen und seine Hände umkrampften die Armlehnen des Sessels. – Vater und Sohn – und über ihnen der Ahne – alle drei Spieler – die Erbschaft war angetreten! –

„Ich sehe selbst ein, die Geschichte muß ein Ende haben,“ begann Theodor nach einer Weile. „Ich warne Dich, Papa, es geht Dir nicht immer so gut wie heute abend! – Ich aber muß heirathen, das soll helfen, sagt man. Es ist wenigstens für die Zukunft. – Was sagst Du zu meiner Braut – Bertha Margold?“

Christian regte sich nicht. Das Antlitz in beide Hände vergraben, saß er auf seinem Stuhle; auf dem Boden lagen zerstreut die Banknoten Anspachers. – „Margold!“ seufzte er dumpf auf.

Theodor ahnte nicht, was in dem Vater vorging.

„Und warum nicht Margold? Wer kümmert sich heutzutage um einen Namen! Bertha ist schön, wohlhabend, alles ist entzückt von ihr. Sie wird so gut wie eine andere, ja besser vielleicht die Frau von Brennberg spielen, und ich denke, es kommt damit eine gesündere Luft in unser Haus. Ich weiß nicht, es gefällt mir hier nicht mehr, ich habe trübe Ahnungen –“

Der alte Herr erhob sich plötzlich.

„Wie kannst Du Dich erfrechen, mitten in der Nacht in mein Zimmer zu dringen?“ rief er zornig. „Ich bin kein Spieler wie Du, ein besonderer Zufall – ich weiß selbst nicht – aber ich konnte nicht anders, ich war gezwungen – beim Teufel! Ich bin Dir doch keine Rechenschaft schuldig!“

„Aber Papa, ich verlange ja auch keine,“ erwiderte, vor Erstaunen nüchtern werdend, Theodor – „ich kam ja nur –“

„Um mich zu belauschen, zu beobachten, um meinen Fehltritt, wenn es einer war, zu benutzen und mir jeden gerechten Vorwurf über Dein leichtsinniges Leben unmöglich zu machen!“

„Nein, Vater, Du irrst. Nur um Dir meinen Entschluß

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_193.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)