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verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

und kalt, die Augen brannten ihm wie im Fieber; er empörte sich über den Verlust seiner Freunde, über diesen verhaßten Baron Anspacher; wie, wenn er selbst ihm die Spitze böte? Er dachte an sein Glück, das würde ihn gewiß auch hier nicht im Stiche lassen; es wäre ja nur eine Rache an diesem ewig lächelnden Geldmenschen. Zweimal griff er schon in die Tasche nach seiner Börse; sie war schlecht gefüllt, nur einige Goldstücke fand er darin. Er nahm sie heraus und drückte sie in der Tasche zwischen den Fingern. Zweimal machte er Miene, zu setzen, aber er wagte es noch nicht.

Nun forderte ihn aber Anspacher selbst auf, an dem Spiel theilzunehmen, und von allen Seiten sprach man ihm zu. Er entschuldigte sich, nicht mit Geld versehen zu sein, aber man lachte dazu; ein Bon von Herrn von Brennberg sei bares Geld und würde jederzeit mit Vergnügen angenommen.

(Fortsetzung folgt.)


Blätter und Blüthen.

Volksthümliche Geschichtschreibung. Der große Werth, welcher mit vollem Recht bei den neuerdings auftretenden Bestrebungen zu einer Reform der Schule auf den Unterricht in der Geschichte und innerhalb dieser wieder auf die Kenntniß der neueren und neuesten Geschichte gelegt wird, lenkt unsere Aufmerksamkeit auf ein Buch, welches den geschichtlichen Stoff in solcher Bearbeitung enthält, daß er sich leicht dem Verständniß des Lesers fügt, daß er nicht bloß an sein Gedächtniß, sondern auch an sein Herz und seine Phantasie sich wendet. Denn nur, wenn der Reiz und die Sinnfälligkeit der Darstellung hinzutreten, wird sich die Jugend und der bildungsuchende Laie hineinleben in die Ereignisse der Vergangenheit und sich klare, in seinem Geiste haftende Vorstellungen zu bilden vermögen.

Es ist dies eine volksthümliche Schrift „Das neunzehnte Jahrhundert“ von Schmidt-Weißenfels (Berlin, Hans Lüstenöder). Die gewaltige Stofffülle hat der Verfasser für seine Zwecke mit großem Geschick verarbeitet: sein Werk gewährt einen klaren Ueberblick über die Folge der Ereignisse und den Gang der geschichtlichen Entwicklung. Natürlich, Schlachten- und Kriegsgemälde und die Einzelheiten der diplomatischen Verhandlungen wird man hier vergebens suchen. Dafür ist der Geist der einzelnen Zeitabschnitte oft durch Aussprüche namhafter Zeitgenossen ins hellste Licht gerückt; nachdrücklich sind die großen Wendepunkte hervorgehoben, und der Zusammenhang der Begebenheiten, der beim Studium einzelner Epochen leicht verloren geht, bleibt stets dem Leser lebendig. Darum ist die Schrift für ein solches Studium zugleich vorbildend und ergänzend; an Werken, welche die kriegerischen und diplomatischen Einzelheiten der verschiedenen Zeitabschnitte darstellen, ist ja kein Mangel; doch behält man oft die Theile in seiner Hand, „es fehlt aber leider das geistige Band“ – und dies geistige Band giebt das Werk von Schmidt-Weißenfels. Dabei ist die Darstellungsweise schwungvoll, wie sich das besonders in den Abschnitten zeigt, welche die Befreiungskriege behandeln oder den Bürgerkrieg in der nordamerikanischen Union; Lebenswärme und Herzenswärme zieht unwillkürlich an. Auch die Charakterköpfe der Fürsten, Staatsmänner und Feldherrn sind, oft mit wenigen Zügen, scharf gezeichnet; nur das Bild des dritten Napoleon erscheint uns der Vertiefung bedürftig; er war doch nicht bloß ein listiger und verschlagener Kopf, er hatte einen Zug von schwärmerischem Fanatismus, der mehr hervorgehoben zu werden verdiente.

Neben den politischen Ereignissen nimmt mit Recht die Darstellung der Kulturentwicklung einen breiten Platz in dieser Geschichtsdarstellung ein: die Industrie, die Naturwissenschaften, die Künste und die Litteratur der verschiedenen Nationen finden eine Behandlung, welche auch hier aus der unbegrenzten Stofffülle mit sicherer Hand das Bedeutsame auszuscheiden weiß. Alles ist unparteiisch und in großem Stil gehalten; nirgends merkt man etwas von den Steckenpferden, die besonders auf dem Gebiete der litterarischen Kritik so oft geritten werden. Bei der Darstellung der Technik und der Naturwissenschaften sind die rechten Anhaltpunkte gefunden, durch welche uns die Bedeutung dieser das ganze Jahrhundert und seine Weltanschauung beherrschenden Entwicklung einleuchtend gemacht wird. †     

Wie gutes Fleisch gesundheitsschädlich wird. Neuerdings erkrankten in einer kleineren Stadt in der Nähe von Berlin viele Theilnehmer eines Festmahles infolge des Genusses von Gänsebraten. Die eingeleitete Untersuchung ergab folgendes: Der betreffende Gastwirth hatte in Berlin eine Anzahl gesunder Gänse gekauft und diese frisch geschlachtet, während das Fleisch noch warm war, in Kisten eingepackt und nach Hause gebracht. Die Gänse wurden dann ausgepackt und wie gewöhnlich an einem kühlen Orte bis zum Verbrauch aufgehängt. Die warm eingepackten Gänse hatten sich aber in der Kiste nicht genügend abgekühlt, und dies begünstigte die Entwickelung von Fäulnißbakterien, welche tiefer in das Fleisch eindrangen. Man nahm ferner an, daß das Fleisch beim Braten nicht gehörig erhitzt wurde, so daß die Keime von Bakterien durch die Zubereitung nicht zerstört wurden. – Es giebt indessen noch eine andere Erklärung für derartige Massenerkrankungen nach Fleischgenuß. Die Bakterien erzeugen bekanntlich Gifte, Toxine, welche durch die Siedehitze nicht zerstört werden. Diese Gifte bleiben im Fleisch, welches einen gewissen Grad von Zersetzung angenommen hat, und rufen dann, wenn sie genossen werden, Erkrankungen hervor. – In derselben Weise wird das Zustandekommen des Wurstgiftes erklärt. Es kommt vor, daß, insbesondere bei Versendungen nach auswärts, die Würste warm aufeinandergelegt und in Kisten verpackt werden. Diese Unsitte sollte vermieden werden; Fleischwaren gehören nicht warm in Kisten, sondern vorher in kühle luftige Speisekammern, wo sie aufzuhängen sind; dann bildet sich rasch eine trockene Kruste um dieselben, welche das Eindringen von Organismen in die Tiefe verhindert. *     

Bettelmönche in Sevilla. (Zu dem Bilde S. 177.) Sevilla ist die am meisten spanische aller spanischen Städte, die Stadt des frohen Lebensgenusses, der wie eine natürliche, selbstverständliche Bedingung des Daseins auch auf den Straßen sich breit macht. Ueberall sieht man vergnügte Gesichter und heiteres plapperndes Völkchen, bis tief in die Nacht hinein.

Aber neben diesen Straßen, in denen das bunte geräuschvolle Leben hin und wider wogt, giebt es andere, die abseits vom Lärm und frohbewegten Treiben liegen. In eine solche führt uns unser Bild. An dem Gartenportal eines der Marmorpaläste erhalten zwei Bettelmönche, ein alter und ein junger, von der reizenden, schelmischen Zofe ihren Zoll an Eßwaren, den sie in der Schürze herbeigebracht hat. Armuth und Reichthum, Entsagung und Lebensfreudigkeit, Älter und blühende Jugend, klösterliche Kasteiung und weltliche Lust haben hier an der Schwelle des Eingangs zum schattigen Parke eine Verhandlung miteinander. Gewiß ein sprechendes und auch ein sehr ansprechendes Bild, wie es sich in Sevilla alle Tage den Augen der Spaziergänger darbietet. Das brave Grauthier der Padres ist schon gut mit Gemüsen und Früchten belastet; geduldig wartet es, was man ihm noch aufpacken wird für die Küche der Klosterbrüder, die ja nur von milden Gaben leben. Der Alte und der Junge lassen sich gemächlich Zeit zur Erledigung der Angelegenheit; denn es plaudert sich so hübsch mit dem zierlichen Mädchen von Sevilla, dessen Augen ihnen beiden wie Sonnenschein in das Herz leuchten.

Die Schriftzeichen liefern bekanntlich manch’ hochwichtigen Beitrag zur Geschichte des menschlichen Denkens. Ueberall entspricht die Bilderschrift dem rohesten Naturzustand, und erst allmählich wandeln sich, wie im Aegyptischen am leichtesten nachweisbar ist, ihre Begriffszeichen zu Lautwerthen um. Eine ähnliche Wandlung haben auch die chinesischen Schriftzeichen durchgemacht, und vielfach ist es heute noch möglich, aus ihrer Zusammensetzung die Gedankenverbindung zu erkennen, welche dem Worte zu Grunde liegt. So bedeuten z. B. die chinesischen Zeichen für „Herz“ und „Tod“ zusammengestellt: „Vergeßlichkeit“, „Herz“ unter „Sklave“ bedeutet: „Zorn“. Das Zeichen für „Baum“ zweimal neben einander heißt: „Wald“; dreimal: „Dickicht“. Höchst ungalant ist die Zusammensetzung des Wortes „Geschnatter“, nämlich das dreimalige Zeichen für „Frau“.

Die Gesammtzahl aller chinesischen Schriftzeichen ohne Synonyme und veraltete Zeichen wird auf 24 235 angegeben. Ein völlig Schriftkundiger muß also schon wirklich gelehrt sein. Die Kenntniß von etwa 10000 Zeichen genügt, um ein chinesisches Werk zu lesen und verständlich darüber zu schreiben. Aber der gewöhnliche Chinese kommt mit viel weniger aus. 4- bis 5000 Zeichen nur sind für die hauptsächlichsten Zwecke des Lebens erforderlich, und das niedere Volk ist so weit entfernt, sie zu besitzen, wie der englische Feldarbeiter den Wortschatz seiner Sprache. Dieser behilft sich mit 300 Worten, während das Englische deren 100,000 zählt. R. Kleinpaul schätzt den Wortvorrath eines Mannes von durchschnittlicher Bildung auf 3- bis 4000, während große Redner über 10000 verfügen. Die deutsche Sprache aber hat gegen eine halbe Million Worte. Welchen Schatz besitzen wir also in unserem Alphabet, das uns erlaubt, mit fünfundzwanzig Zeichen diese ungeheure Wortfülle zu bewältigen, statt wie die armen Chinesen aus dem Schreiben allein eine Wissenschaft machen zu müssen!


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

A. Fr. in Oberwesel. Das Bildchen auf der ersten Seite von Nummer 7 müßte von Rechts wegen allerdings „Das Rheineis bei Caub“ heißen, da das auf demselben dem Beschauer gegenüberliegende rechtsrheinische Städtchen, wie jedermann sofort erkennt, Caub mit seiner romantischen Pfalz im Rheine ist. Herr Photograph Th. Schafgans jun., dessen Geschicklichkeit und Güte wir das interessante Bildchen verdanken, hat seine Aufnahme aber auf dem linksseitigen Ufer in der Nähe von Bacharach gemacht. Daher die mißverständliche und nicht ganz zutreffende Bezeichnung in unserer Nummer 7, welche wir hierdurch richtigstellen.

H. Kr. in Baltimore. Nach neueren Forschungen wird die englische Sprache von 110 Millionen Menschen, die deutsche von 71 Millionen und die französische von 531/2 Millionen Menschen gesprochen.

An die „Deutsche Zeitung“ in Porto Alegre, Brasilien. Unseren warmen Glückwunsch zum dreißigjährigen Bestande!

J. Ch. Th. F. 19. Gewiß verdienen auch Sie und alle die vielen, die mit Ihnen seit 25 und mehr Jahren Abonnenten der „Gartenlaube“ sind, herzlichen Dank. Wir wissen, daß es viele solche giebt, die seit einem ganzen Vierteljahrhundert, ja noch länger die „Gartenlaube“ lesen und besitzen, aber die Namen der einzelnen verräth uns nur der Zufall oder eigene Mittheilung der Betreffenden. Deshalb nichts für ungut!

D. A. in Cleveland, O. Besten Dank für Ihre freundliche Zusendung der illustrirten Prachtausgabe des „Clevelander Anzeigers“, aus der wir ersehen haben, daß die Feier des „Deutschen Tags“ in Ihrer Stadt einen entschieden großartigen Verlauf genommen hat. Hoffen wir, daß solch glänzende Beispiele auch in künftigen Jahren Nachfolge finden, zum Ruhme des deutschen Namens in Amerika!



Inhalt: Eine unbedeutende Frau. Roman von W. Heimburg (10. Fortsetzung). S. 165. – Lustige Gesellschaft. Bild. S. 165. – Tragödien und Komödien des Aberglaubens. II. Von Rudolf Kleinpaul. S. 168. – Im Netz. Bild. S. 169. – Die Blumen des Paradieses. Von Dr. A. Nagel. S. 171. Mit Abbildungen S. 172, 173, 174 u. 175. – Truggeister. Roman von Anton von Perfall (10. Fortsetzung). S. 176. – Bettelmönche in Sevilla. Bild. S. 177. – Blätter und Blüthen: Volksthümliche Geschichtschreibung. S. 180. – Wie gutes Fleisch gesundheitsschädlich wird. S. 180. – Bettelmönche in Sevilla. S. 180. (Zu dem Bilde S. 177.) – Die Schriftzeichen. S. 180. – Kleiner Briefkasten. S. 180.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1891, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_180.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2023)