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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


Also bist du kleiner Hirtensang auf deiner Wanderung aus dem schönen Salzachthal schon bei den Pionieren der Kultur, bei den ersten Ansiedlern in den nordamerikanischen Urwäldern angelangt, – dachte ich mir, – Glück auf zur seltenen Fahrt!

Und die Eltern dieses Liedchens? Niemand, – oder doch nur eine verhältnißmäßig sehr kleine Zahl von Menschen –, kannte sie, ihre Namen waren und blieben dem großen Publikum vollständig fremd. Auf diesen Umstand ist auch die Thatsache zurückzuführen, daß das Lied "Stille Nacht" unter den verschiedensten Bezeichnungen erschienen ist und noch erscheint, als „Volkslied“ oder „Volksweise“, als „komponirt von M. Haydn“, als „Volkslied aus dem Zillerthal“ etc. In hundertfacher Form ist Grubers Komposition an die Oeffentlichkeit getreten, liegen doch hier vor mir auf meinem Schreibtische über zwanzig verschiedene, im Drucke erschienene Bearbeitungen derselben, – nebenbei bemerkt, bloß für Klavier oder Gesang –; aber nur in einer einzigen Ausgabe ist der Name des Dichters Mohr angegeben, des Komponisten F. Gruber geschieht nirgends eine Erwähnung!

Ich richte nun an alle Bearbeiter, Herausgeber und Verleger dieses Liedes die freundliche Bitte, künftighin bei der Veröffentlichung des „Stille Nacht“ nach sonst üblicher Weise den Namen des Komponisten und des Dichters anzugeben. Ich glaube, daß die beiden Männer, die uns das herzigste, das volkstümlichste aller Weihnachtslieder geschenkt haben, auf diese kleine Aufmerksamkeit schon Anspruch erheben dürfen, und daß das Wort: „Ehre, wem Ehre gebührt!“ wohl auch hier nicht ganz am unrechten Platze sei.

Und dieser meiner Bitte möchte ich noch eine zweite hinzufügen: ich habe bereits früher erwähnt, daß sich wahrscheinlich schon bei der von Friese in Dresden veranlaßten Niederschrift des Liedes ein Fehler eingeschlichen hat; der neunte Takt ist falsch, derselbe muß eine Terz tiefer gelegt werden, denn die Septime – doch wozu theoretische Auseinandersetzungen?

Um allen weiteren Erklärungen und Zweifeln zu begegnen, setzen wir das Liedchen in seiner ursprünglichen und darum einzig richtigen Form hierher:

Weihnachtslied.

Möge wenigstens in den Landen,

So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt –

das Andenken an die bescheidenen Salzburger Dioskuren F. Gruber und J. Mohr nicht ganz verloren gehen, mögen diese Vorstellungen ein freundliches Gehör und ein geneigtes Entgegenkommen finden, das wünscht

Joseph Bletzacher


Blätter und Blüthen

Die „heilige Zahl“ der Narren. Wenn sich auf den Straßen und Gassen Kölns, der rheinischen Residenz Sr. Tollitat des Prinzen Karneval, in den närrischen Tagen Hanswurst und Clown ein Stelldichein geben, da darf auch die kriegerische Figur des in die städtischen Farben roth und weiß gekleideten „Kölner Funken“ nicht fehlen. Kein Museum hat die Waffenrüstung des altkölnischen Stadtsoldaten aufbewahrt, und so flüchtete er sich denn unter das Narrenvolk und bildet dort eine gern gesehene Figur. Die „Funken-Infanterie“, der eine blauweiße Artillerietruppe nachgebildet ist, wie sie in geschlossener Reihe mit klingendem Spiel einhermarschirt, bildet stets eine nicht geringe Zierde des großen karnevalistischen Umzuges am „Rosenmontag“. Im rothen kleidsamen Waffenrock, weiß eingefaßt und weiß ausgeschlagen, den zierlichen Tschako auf dem gepuderten Haupte, mit Lockentollen und dem sorgfältig geflochtenen Zöpfchen, das neugierig auf die vielknöpfigen Gamaschen herabzugucken scheint – mit dem historischen Ober- und Untergewehr, an denen duftige Blumensträuße angebracht sind – so nimmt sie muthig den Kampf auf gegen die bösen Unholde Sorge und Griesgram und ist stets bereit zum Dienste der süßen Minne.

Denn elf „Flammen“ hat jeder Funke, wie das Symbol auf dem Tschako zeigt[1]. Deshalb ist die Zahl elf jedem rheinischen Narren heilig. Am elften des elften Monats um elf Uhr wird der Karneval „inaugurirt“. Und kommt dann die närrische Zeit, so leitet unter dem Vorsitz des weisen Rathes der Elfe „Dores der Elfte“ mit komischem Ernst die tollen Verhandlungen, zu denen jeder Narr für elf Mark bei Wein, Weib und Lied Sitz und Stimme sich erkaufen kann, in denen es nur Pausen von elf Minuten giebt und von denen jedermann nach dem Genuß von höchstens elf Schoppen des flüssigen Rheingoldes – wenn er will um elf Uhr nach Hause gehen darf.


Das Ozon. Seit unvordenklichen Zeiten bleichen die Frauen Garn und Leinwand auf dem Rasen – aber erst seit fünfzig Jahren ist uns durch Schönbein in Basel der Stoff bekannt geworden, der jenes Bleichen bewirkt. Der Erfinder nannte ihn nach seinem eigenthümlichen Geruch „Ozon“ von dem griechischen ozein, riechen. „Das Ozon ist ein verdichteter Sauerstoff,“ so wird gewöhnlich dem Laien erklärt. Das muß man sich so vorstellen: die kleinsten Theilchen der Elemente, die Atome, sind sehr gesellige Wesen – sie schweben nicht allein im Raume, sondern verbinden sich sofort, wenn sie frei geworden sind, mit anderen Atomen. Solche Atomgruppen nennt man ein „Molekül“. Ein Molekül Sauerstoff besteht nun aus zwei Atomen Sauerstoff; so ist der gewöhnliche Sauerstoff der Luft beschaffen. Unter gewissen Umständen aber verbinden sich drei Atome Sauerstoff zu einem Molekül, und diese Verbindung nennen wir alsdann „Ozon“. Das dritte Atom Sauerstoff ist mit den zwei anderen nur lose vereinigt; es zeigt immer das Bestreben, sich mit den Atomen anderer Elemente zu verbinden, darum wirkt das Ozon energischer als der gewöhnliche Sauerstoff. In der Natur ist es in der Seeluft, in der Waldluft etc. vorhanden. Es tritt reichlicher nach Gewittern auf, und der eigenthümliche Geruch, den wir verspüren, wenn wir eine Elektrisirmaschine in Gang setzen, ist auch auf Ozonbildung zurückzuführen.

Man hat dem Ozon auch viele gute Eigenschaften in hygieinischem Sinne nachgerühmt; in der That reinigt es die Luft, in dem bei seiner Gegenwart viele üble Gerüche, die von der Zersetzung herrühren, verschwinden. Die physiologische Wirkung des Ozons ist jedoch noch nicht genügend erforscht. Wird es künstlich dargestellt und in größeren Mengen eingeathmet, so reizt es die Schleimhäute. Man hat auch dem Ozon bakterientödtende Eigenschaften zugeschrieben. Versuche, die von russischen Aerzten angestellt wurden, haben jedoch ergeben, daß diese Eigenschaft eine recht schwache ist und die meisten Bakterien dem Ozon trotzen. Die Zimmerluft kann man mit Ozon von diesen Feinden vollends gar nicht reinigen, denn die auch dann noch schwache Wirkung tritt erst ein, wenn der Prozentgehalt der Luft an Ozon so stark wird, daß in den betreffenden Räumen die Menschen nicht athmen könnten. Der Nutzen der „Ozonwässer“ ist somit ein eingebildeter; überhaupt ist es erwiesen, daß in keinem einzigen der so viel angepriesenen Wässer Ozon vorhanden war, so daß man annehmen muß, daß Ozonwasser, selbst wenn es hergestellt wird, nicht haltbar sei.


Goldbeschlagene Streitrosse. Orientalische Fürsten und europäische Verschwender haben schon manchmal ihre Pferde mit „goldenen Hufeisen“ beschlagen lassen. Die Weltgeschichte kennt aber auch einen Fall, wo eine ganze Schwadron goldbeschlagene Streitrosse ritt. Das hat sich im Goldlande Peru im Jahre 1533 ereignet. Francisco Pizarro hielt in Caxamarca den Inka gefangen, sein Bruder Hernando stand in dem berühmten Tempelorte Patschakamak, wo er den düsteren Tempel des Orakelgötzen nach Gold durchstöberte. Da erhielt er die Nachricht, daß der indianische Häuptling Tschalkutschima an der Spitze von 30 000 Mann einen Aufstand plane. Der mutige Hernando wollte ihm zuvorkommen und brach am letzten Februar nach Chaucha auf. Es war ein furchtbarer Marsch über einen steilen Gebirgszug. Auf dem mit spitzen Gestein besäeten Saumpfade verloren alle Pferde ihre Hufeisen und traten sich die Hufe so wund, daß die Reiter absitzen mußten. Man hatte kein Eisen, um die Rosse wieder zu beschlagen. Da sahen sich die Krieger gezwungen, von peruanischen Schmieden Hufbeschläge aus Silber und Gold anfertigen zu lassen, und nun überwand die Schwadron die schneebedeckten Pässe. Die Geschichtschreiber von Peru erzählen, daß diese theueren Beschläge sich ganz gut bewährt und länger ausgedauert hätten als eiserne. Der Marsch brachte übrigens Hernando und seinen Kriegern einen glänzenden Ersatz für die goldenen Hufeisen; denn Tschalkutschima wagte nicht, Widerstand zu leisten, und lieferte den Spaniern dreißig Lasten Gold und vierzig Lasten Silber aus.


Polnische Fastnachtsfeier. (Zu dem Bilde S. 96 und 97.) Wie so vielfach das Eigenartige unter dem nüchternen, ausgleichenden Zuge der Zeit zu leiden hat, wie da und dort altüberkommene Sitten und Gebräuche zurückgedrängt werden und zu verschwinden drohen, so geht es ganz besonders dem Karneval mit allem, was drum und dran hängt. Unser

  1. Das Kölner Stadtwappen zeigt im oberen Felde 3 Kronen, darunter 11 Flammenzeichen oder Funken
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_099.jpg&oldid=- (Version vom 16.8.2023)