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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


Die Reinlichkeit in den Schulen und die Gesundheit der Schüler.

Im Auftrage des preußischen Kultusministers v. Goßler hat Professor Schmidt-Rimpler in einigen Gymnasien wiederholte Augenuntersuchungen an Schülern vorgenommen. Dieselben bezogen sich in erster Linie auf die Kurzsichtigkeit; außerdem aber wandte Schmidt-Rimpler seine Aufmerksamkeit auch den Lidschleimhauterkrankungen der Schüler zu. Das Ergebniß ist ein überraschendes: unter 1662 Schülern waren 566, das heißt 34 Prozent, mit solchen Erkrankungen behaftet. Zumeist bestanden dieselben in vermehrter Blutfülle oder Entzündung der Schleimhaut, welche bei der Mehrzahl der Schüler keinerlei hervortretende Schmerzen oder Beschwerden verursachten. Kurzsichtige und Normalsichtige wurden von dem Leiden in gleichem Verhältniß befallen; auch machte sich zwischen den einzelnen Klassen kein besonderer Unterschied bemerkbar. Die Ursachen sind nach der Ansicht Schmidt-Rimplers verschiedene. Es handelt sich dabei um Schädlichkeiten, welche während der ganzen Schulzeit die so empfindliche Schleimhaut jugendlicher Individuen treffen. Schon die unreine Atmosphäre, welche über größeren Städten lagert, trägt ihr Theil zu diesen entzündlichen Erkrankungen bei; ferner werden sie durch übermäßige Augenarbeit bewirkt und zuletzt kommt der Staub in den Schulzimmern in Betracht.

Professor Schmidt-Rimpler äußert sich in seiner jüngsten Schrift, „Die Schulkurzsichtigkeit und ihre Bekämpfung“, auch über die Reinlichkeit in den von ihm untersuchten Schulen. „Ich selbst,“ schreibt er, „habe noch geradezu skandalöse Zustände kennen gelernt: der Schmutz lag in geballten Massen auf Treppen und Fußböden, in dicker Schicht der Staub auf Tischen und Bänken; die Schüler hatten wirklich recht, wenn sie unter diesen Umständen ihre Schulen als ‚Ställe‘ bezeichneten. In einem Gymnasium wurde nur einmal im Jahre in den Sommerferien naß aufgescheuert und gründlich gereinigt, sonst begnügte man sich mit trockenem Ausfegen zweimal wöchentlich; in den Ferien wurde mit feuchten Sägespähnen gefegt! Allerdings wird eine größere Reinhaltung der Schulen auch größere Ausgaben erfordern; doch muß im Interesse der Gesundheit von Schülern und Lehrern dies Opfer gebracht werden. Ich betone hier besonders die Schädigung der Augen; die, wie gezeigt, in so zahlreichen Fällen vorhandene Blutfülle, Entzündung und Bläschenbildung in der Schleimhaut muß den günstigsten Boden für den Ausbruch einer epidemischen Augenkrankheit in der staubgeschwängerten Schulatmosphäre geben!“

In dem reinlichsten Gymnasium wurde nach Schmidt-Rimpler, wenn es draußen besonders schmutzig war, täglich gekehrt, sonst in der Regel nur Mittwochs und Sonnabends, aber alsdann, nachdem nasse Sägespähne (für diesen Zweck sehr empfehlenswert!)!) im Zimmer verstreut worden waren. Vierteljährlich fand eine gründliche Reinigung mit Wasser statt.

Wenn man aber bedenkt, wie massenhaft der Schmutz ist, den die Schüler ins Haus bringen, so erscheint es fraglich, ob auch diese Maßregeln als genügend erachtet werden dürfen. Neuerdings hat der preußische Kultusminister die Aufmerksamkeit der Schulbehörden auf diese Angelegenheit gelenkt.

Aber nicht nur die Augen der Schüler werden durch die staubgefüllte Atmosphäre gefährdet. Sie leistet auch der Verbreitung allgemeiner Ansteckungskrankheiten Vorschub. Denken wir z. B. an die Tuberkulose, die durch den eingetretenen Auswurf Schwindsüchtiger verbreitet, oder an die Diphtherie, die auf ähnlichen Wegen verschleppt wird! Wie werthvoll auch das Kochsche Heilmittel ist, so haben die bisherigen Erfahrungen doch gelehrt, daß gerade die Lungenschwindsucht durch dasselbe nicht im Handumdrehen geheilt wird. Wir müssen darum immer noch mit allen Mitteln danach streben, die Verbreitung der Seuche zu bekämpfen.

Die Gefahr, die in dem eingetrockneten Auswurf der Schwindsüchtigen ruht, ist bekannt. Hier muß die Schule gleichfalls eingreifen; denn es ist nicht möglich, alle tuberkulösen Kinder von dem Schulbesuch auszuschließen.

Der Lehrer muß streng darauf achten, daß keiner der Schüler auf den Boden des Schulzimmers auswerfe, sondern daß dazu ausschließlich in dem Schulzimmer aufzustellende Spucknäpfe benutzt werden. Dabei ist es nicht gleich, wie die Spucknäpfe beschaffen sind. Es ist im Auge zu behalten, daß der Auswurf erst dann gefahrdrohende Eigenschaften annimmt, wenn er eintrocknet, zu Staub getreten oder zerrieben wird und dann die Tuberkelbacillen mit den Staubtheilchen in die Luft aufsteigen. Sie können jetzt eingeathmet werden und die Ansteckung bewirken.

Darum dürfen die Spucknäpfe nicht aus Holz, sondern müssen aus glasiertem Thon, Porzellan, Glas oder lackirtem Blech bestehen. Als Auffangmaterial dürfen nicht abstaubende Mittel wie Sägespähne oder Sand eingefüllt werden. Man muß den Auswurf feucht erhalten, bis er vernichtet wird, und den Spucknapf entweder ganz leer lassen oder ein wenig Wasser eingießen, so daß dasselbe in ihm eine dünne Schicht bildet.

Täglich sind die Spucknäpfe zu reinigen und ist ihr Inhalt zu vernichten. Die Lebenseigenschaften der Tuberkelbacillen sind glücklicherweise genau erforscht. Wir wissen, daß dieselben in faulenden Flüssigkeiten mit der Zeit zu Grunde gehen und überhaupt erst bei 29° C. wachsen. Es ist darum nicht nothwendig, den Auswurf mit desinficirenden Mitteln zu versetzen, wodurch ziemlich umständliche Arbeiten und vielleicht unerschwingliche Kosten verursacht würden, um so mehr, als die Vernichtung der Bacillen mit chemischen Mitteln im Auswurf nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Man muß nur dafür sorgen, daß die Schulen dichte Abtrittsgruben besitzen, und den Auswurf in dieselben entleeren. Von hier können die Bacillen nicht auffliegen und werden durch die Fäulniß abgetödtet.

„Durch eine strenge Gewöhnung aller Kinder,“ schreibt Medizinalrath Rembold, „in dieser Weise ihren Auswurf nie auf den Boden des Schullokals, sondern stets in die daselbst aufgestellten Spucknäpfe zu entleeren, würde die Schule zu einer größeren Ausbreitung dieser Gewohnheit im Volke und damit zu einer rationellen Bekämpfung der Tuberkulose überhaupt in mächtiger Weise beitragen. Auch für die Bekämpfung anderer Krankheiten, die durch eingetrockneten Auswurf verbreitet werden können (Diphtherie, Keuchhusten etc.), würde dies vom größten Werthe sein.“

Noch wichtiger ist die Sorge für die Reinhaltung des Fußbodens in den Turnhallen, wo der Staub durch die Erschütterung noch mehr auffliegt. Hier ist der Boden vor jeder Unterrichtsstunde zu befeuchten.

Hoffen wir, daß bei der bevorstehenden Schulreform auch diese Fragen Berücksichtigung finden werden. Ihre Tragweite liegt auf der Hand. *     




Truggeister.

Roman von Anton von Perfall.
(4. Fortsetzung.)

Das Rollen eines Wagens weckte den alten Baron aus seinen Gedanken; in der Pappelallee, die sich gegen das alterthümliche Portal von Schönau hinzog, fuhr eine elegante Equipage, zwei herrliche Rappen waren vorgespannt und das silberbeschlagene Geschirr blitzte zwischen den alten Stämmen auf. So fuhren die Brennbergs nach Hause, ehe dieser Verschwender, der Großvater, an das Regiment kam. Christian dachte es und blickte unwillkürlich an sich herab.

Der Wagen fuhr nach Schönau, zu ihm, ohne Zweifel! Wer es nur sein konnte? Von der städtischen Aristokratie besuchte ihn niemand, wer kümmerte sich dort um den armen komischen Kauz, den Brennberg! Er glaubte zwei Herren erkannt zu haben – wenn der Stefanelly dabei wäre? Dieser war zwar bis jetzt nur mit Lohnfuhrwerk gekommen, aber er konnte ja seitdem ein Millionär geworden sein, denn er war klug und nutzte seine Zeit. In der Equipage ein Stefanelly! Vor zehn Jahren arbeitete er noch als einfacher Polier in Schönau, und die Brennbergs waren schon vor dreihundert Jahren – das Blut stieg dem alten Herrn in den Kopf, und der alte Schimmel bekam zum ersten Male seit vielen Jahren die Sporen. Er machte einen drolligen Sprung, wandte den Kopf erstaunt nach seinem Herrn um und rannte dann wie von Entsetzen gepackt dem Schlosse zu.

So kam Christian gar ritterlich angesprengt; die Knechte im Hofe rissen erstaunt die Mäuler auf, denn so etwas war noch nie vorgekommen. Vor dem Portale stand Theodor mit Stefanelly in eifrigem Gespräche.

Der ungewohnte kühne Ritt hatte das Antlitz Christians geröthet, und als ob durch denselben alle Ideen des Ritterthums wieder in ihm wachgerufen worden wären, hob er sich aus dem Sattel und erwiderte im Tone eines großen Herrn den unterthänigen Gruß Stefanellys, der zu der vornehmen Equipage auf dem Kiesplatz gar nicht paßte.

Theodor war sichtlich verlegen, gedrückt.

„Herr Stefanelly hat mit Dir in wichtiger Angelegenheit zu verhandeln,“ begann er; „wir sind zusammen aus der Stadt herausgefahren. Ein brillantes Gespann, was?“ Er deutete auf die zwei Rappen.

„Sehr hübsch,“ erwiderte Christian gemessen, ohne sein Gefallen daran zu verrathen. „Wie kommen Sie dazu, Herr Stefanelly? Ich dachte wirklich in der Ferne, Fürst Löwenstein komme angefahren.“

Ein leichtes, aber nicht verletzendes Lächeln zog über das glatte Antlitz des Bauunternehmers.

„Etwas Glück, Herr Baron!“

Christian nickte mit dem Kopfe in der hohen Kravatte bei dieser Benennung.

„Heller Kopf, unverdrossene Arbeit – und man braucht heutzutage nicht Fürst Löwenstein zu sein, um sich diese kleine Freude gestatten zu können,“ fuhr Stefanelly fort. „Für Herrn Baron würde sich diese Equipage allerdings weit besser schicken als für mich, einen Arbeiter, und wenn der Herr Baron wollen, kann sie heute noch bestellt werden.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_079.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)