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und auf den dortigen Schulen vorgebildet, nahm er 1866 nach Beendigung seiner medizinischen Studien, im Verlaufe derer der Anatom Jacob Henle in Göttingen einen großen Einfluß auf ihn gewann, eine Stelle als Hilfsarzt im Allgemeinen Krankenhause zu Hamburg an, bekleidete dieselbe jedoch nur kurze Zeit, um sich in Langenhagen in der Provinz Hannover der ärztlichen Praxis zu widmen. Dieselbe schien ihn jedoch wenig zu befriedigen, hauptsächlich wohl des kärglichen Verdienstes wegen, und er wandte sich nach der kleinen polnischen Stadt Rakwitz, von der er auch als freiwilliger Arzt auf den deutsch-französischen Kriegsschauplatz eilte, um im 11. Feldlazarett des X. Armeecorps vor Metz seine rastlose Thätigkeit zu entfalten. 1872 ließ er sich als Kreisphysikus in Wollstein im Posenschen Kreise Bomst nieder, und in diesem fernabgelegenen Städtchen, wo ihn eine anstrengende Landpraxis in Anspruch nahm und ihn oft bei Nacht und Nebel auf grundlosen Wegen viele Meilen weit fortführte, widmete er sich mit hingebendstem Fleiße seinen wissenschaftlichen Forschungen, die hauptsächlich den Milzbrand, dessen Entstehung, Gang und Verbreitung betrafen.

Käfige mit Versuchsthieren. Robert Koch im Laboratorium. Brutschrank, darauf mit Wattestöpseln geschlossene Röhrchen für Reinkulturen.

In jenen Jahren arbeitete der berühmte Breslauer Professor Dr. Ferdinand Cohn weiter fort am Ausbau der von ihm neubegründeten bakteriologischen Wissenschaft, und so kam es, daß sich häufig an ihn Dilettanten wandten und ihm ihre angeblichen Entdeckungen auf bakteriologischem Gebiet zur Prüfung vorlegten. Im April 1875 erhielt denn auch Professor Cohn von dem ihm völlig unbekannten Kreisphysikus Dr. Koch in Wollstein einen Brief, in welchem ihm jener mittheilte, daß er die Entwicklungsgeschichte der den Milzbrand charakterisierenden Bacillen ermittelt zu haben glaube, und die Anfrage daran knüpfte, ob er nicht Professor Cohn persönlich seine Erfahrungen vorführen dürfte. Auf die sofort ertheilte Erlaubniß hin kam jener Kreisphysikus am 30. April nach Breslau und suchte Cohn in dessen Institut auf, wo zur Zeit noch mehrere Kollegen Cohns weilten. Alle erkannten während der Demonstrationen Kochs sofort, daß ihnen hier ein erster Meister wissenschaftlicher Forschung gegenüber stände, dessen Untersuchungen sich bereits damals durch die höchstmögliche Vervollkommnung auszeichneten. „Denn das unterscheidet eben die Arbeiten Kochs von denen der meisten übrigen Forscher“, so schreibt Professor Cohn in einem zur Veröffentlichung bestimmten, uns freundlichst mitgetheilten Briefe, „daß er mit ihnen nicht eher vor die Oeffentlichkeit tritt, als bis sie auf den letzten Feilstrich vollendet sind.

Andere Forscher fahren Bausteine auf zum Fortbau der Wissenschaft, oder sie zeichnen einen neuen Entwurf, oder sie setzen einen neuen Flügel an, oder ein neues Stockwerk, ein neues Dach auf: aber sie stellen nur den Rohbau fertig und überlassen es andern, den Bau zu vollenden und wohnlich zu machen. Die wissenschaftlichen Gebäude, die Koch aufgeführt hat, giebt er nicht eher aus seinen Händen, als bis er sie im ganzen und im einzelnen, fix und fertig zur Benutzung der andern, hergestellt, die dann nichts weiter zu thun haben, als in der neuen Einrichtung ein paar Stühle umzustellen oder dieses oder jenes kleine Geräth hinzuzufügen. So vollendet in Form und Inhalt sind alle Arbeiten Kochs gewesen, daß den Nachfolgenden nichts übrig blieb, als sie zu bestätigen, und es nicht möglich war, etwas Wesentlichem hinzuzuthun.“

Kochs rasch gewonnene wissenschaftliche Freunde in Breslau suchten ihn an jene Stadt zu fesseln, und als im Sommer 1879 die Stelle eines Gerichtsphysikus in Breslau frei wurde, setzten sie seine Berufung durch, in der Hoffnung, daß ihm bald eine außerordentliche Professur an der Breslauer Universität übertragen würde. Koch fühlte sich jedoch weder wissenschaftlich noch materiell von diesem neuen Platz befriedigt, und er kehrte nach wenigen Monaten nach Wollstein zurück, wo man ihm das Kreisphysikat offen gelassen hatte.

Seine Rückkehr sollte jedoch nur sehr vorübergehender Natur sein, 1880 wurde er als ordentliches Mitglied des Reichsgesundheitsamtes nach Berlin berufen, drei Jahre darauf zum Geheimen Regierungsrath ernannt und 1885 erhielt er eine ordentliche Professur an der Berliner Universität. Seine Verdienste als Leiter der deutschen Cholera-Expedition nach Egypten und Indien, wobei er den Cholerabacillus entdeckte, sind zu bekannt, als daß wir sie hier noch des Näheren hervorzuheben brauchen, ebenso würde es über den Rahmen dieser Skizze hinausgehen, wenn wir uns des Weiteren mit den übrigen wissenschaftlichen Verdiensten Kochs befassen wollten.

Das Bild Robert Kochs, als Gelehrter wie als Mensch, ist so schön und ungetrübt, daß man sich immer nur von neuem an ihm erfreuen kann, eingedenk der warmen Worte, die der Kultusminister von Goßler in der Sitzung des preußischen Landtages vom 29. November vorigen Jahres über ihn gesprochen: „Sein Forschungstrieb und seine reine Wahrheitsliebe werden nur erreicht von seiner Uneigennützigkeit und von seiner Liebe zur Menschheit!“



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verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Leipzig: Ernst Keil’s Nachfolger, 1891, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_015.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)