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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Die neueste Sammlung unter dem Titel „Allerlei aus A. Hendschels Skizzenmappen“, ein fein ausgestatteter Quartband von 40 Blatt, unterscheidet sich von den früheren dadurch, daß sie bisher noch nicht Veröffentlichtes enthält. Es sind Reiseeindrücke, Porträts, Thier- und andere Studien, Humoristisches und Ernstes.

Von einem anderen, verwandten Unternehmen haben wir unseren Lesern bereits wiederholt berichtet. Es sind die „Studienmappen deutscher Meister“, herausgegeben von Julius Lohmeyer (Breslau, C. T. Wiskott). Die heuer erschienene Mappe ist Paul Meyerheim gewidmet, von dem sie zehn Studienblätter in Lichtdruck bringt. Meyerheim ist ein Künstler von seltener Vielseitigkeit, das spiegelt sich auch in diesen wenigen Blättern wieder; sie vereinigen Thierstücke, Landschaftliches und Genre. Besonders interessant sind die Loggienbilder aus der Gartenhalle des Geh. Kommerzienraths Borsig in Berlin, welche Scenen aus der Welt des Maschinenbaus enthalten. – In dem Augenblick, da wir diese Zeilen druckfertig machen, geht uns auch die nicht minder gediegene A. v. Werner-Mappe zu. – Und noch ein Künstleralbum haben wir zu besprechen: es führt uns einen etwas einseitigeren, aber in seiner Beschränkung vollendeten Meister vor, Carl Fröschl. Seine wunderbar zart gehaltenen Porträts und seine reizenden Kinderscenen haben ihm nicht bloß in der Werthschätzung unter den Fachgenossen einen der ersten Plätze errungen, sondern ihm auch eine weitreichende Beliebtheit in den Kreisen der Laien gesichert. Das nunmehr im Verlage des litterarischen Jahresberichts (Leipzig, Artur Seemann) erschienene Fröschl-Album vereinigt sechzehn köstliche Kinderscenen und bildet eine wahrhaft herzerquickende Gabe für alle Kunstliebhaber, ganz besonders aber für die Kinderfreunde unter ihnen.

In Halbheft 23 haben unsere Leser schon ein paar Proben aus dem Prachtwerke von C. W. Allers über die Meininger kennen gelernt. Das ganze Werk (bei Friedrich Conrad in Leipzig erschienen) umfaßt 40 solcher prächtiger Zeichnungen, wie wir sie in jenem Halbheft mitgetheilt haben; sie schildern uns die Meininger nicht bloß auf der Bühne, sondern auch hinter den Coulissen, bei der Probe, daheim in ihren vier Wänden, man lebt alle ihre Leiden und ihre Freuden, viel Ernst und noch mehr Humor mit ihnen durch. Allers’ graziöser Stift hat in seinen „Meiningern“ ein Werk geschaffen, das seinen früheren Veröffentlichungen, die sich so rasch die Gunst des Publikums erobert haben, ebenbürtig an die Seite tritt.

Um vorläufig in dem Gebiete des Dramas zu bleiben, sei hier erwähnt, daß Alexander Zick eines der schönsten Ritterschauspiele, welche unsere Litteratur besitzt, das „Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe“ von Heinrich v. Kleist, zu illustrieren unternommen hat. Zicks Zeichnungen sind in jeder Beziehung vortrefflich gelungen, und die neue Prachtausgabe (Berlin, Verlag von Albert Goldschmidt) wird nicht verfehlen, die Dichtung Kleists dem deutschen Volke vertrauter zu machen, wie dies mit dem „Zerbrochenen Kruge“ durch die wunderbaren Zeichnungen Adolf Menzels geschehen ist.

Die landschaftlichen Prachtwerke, welche lange das Feld fast vollständig beherrschten und z. B. noch im vorigen Jahre in Jensens „Schwarzwald“ einen hervorragenden Vertreter fanden, treten diesmal ganz zurück. Das einzige, das hier der Erwähnung bedarf, ist Rudolf Cronaus „Im wilden Westen. Eine Künstlerfahrt durch die Prairien und Felsengebirge der Union“ (Braunschweig, Oskar Löbbecke). Unsere Leser kennen die gewandte Feder und den nicht minder gewandten Stift des Schriftstellers und Künstlers Cronau, und so ist aus seinen Händen ein hochinteressantes, Genuß und Belehrung glücklich verbindendes Buch hervorgegangen, das jung und alt erfreuen wird. – Viele Freunde wird sich, besonders in Thüringen, ein kleines, aber wunderhübsch ausgestattetes Bändchen erwerben, „Thüringen in Bild und Poesie“ (Eisenach, Verlag von Hugo Brunner). Es enthält eine Menge meist farbig ausgeführter Vignetten, kleine Kabinettstückchen der Landschaftsmalerei von der Hand einer künstlerisch begabten Dame, Lisa Vielitz, denen sich zugehörige Verse aus dem reichen Schatze der deutschen Poesie anschließen. Und es giebt ja fast keinen unter unseren großen Dichtern, der nicht einmal in seinem Leben die Stimme zum Preise des schönen Thüringerlandes erhoben hätte!

Eigentlich unter den Jugendschriften einzureihen wäre gewesen ein Prachtwerk aus dem Verlag von Adolf Titze in Leipzig, „Prinzen-Märchen“ von Agnes Schöbel, illustriert von Georg Schöbel. Der Text bewegt sich mit Glück im schlicht anmuthigen Märchenton, der sich dem kindlichen Verständniß so leicht anschmiegt, während die Zeichnungen ihre Wirkung mehr bei den Erwachsenen üben dürften.

Und nun einen Sprung aus dem Land der zarten Märchen in das der rauhen Politik. Ein politisches Prachtwerk – beinahe eine sogenannte contradictio in adjecto, ein Widerspruch in sich selbst! Und doch möchten wir das „Bismarckalbum“ des Kladderadatsch so nennen, das uns die Geschichte des großen Mannes von einer so eigenartigen Seite vorführt, das zugleich selbst ein Stück Geschichte der modernen Karikatur überhaupt bildet. An äußerem Erfolg reiht sich ja auch das Bismarckalbum mit seinen fünfzehn Auflagen in neun Monaten (Berlin, A. Hofmann u. Co.) den Löwen des Tages, „Rembrandt als Erzieher“ und Bellamys „Jahr 2000“, an.


Ein lebender Frauenschmuck. (Mit Abbildung.) Im Juni dieses Jahres habe ich von unserm Standquartier im Harz aus in Gesellschaft von Kurgästen einen Ausflug gemacht. Als wir am späten Abend heimkehrten, zogen die Johanniskäfer ihre leuchtenden Bahnen durch die Luft. Eine der jungen Damen fing einige derselben, um damit ihren Hut zu schmücken, und in der That leuchteten die Käferchen, in dem Tüllschleier gefangen, wie kleine Juwelen.

Der Einfall, sich mit strahlenden lebenden Wesen zu schmücken, war nicht neu. Die Damen im tropischen Amerika, namentlich die Mexikanerinnen tragen schon seit lange Leuchtkäfer als Schmuck. Die amerikanischen Leuchtkäfer von dem Geschlecht Pyrophorus (wörtlich = „Feuerträger“) leuchten aber viel stärker als unsere Johanniskäfer. Der Pyrophorus oder Elater noctilucus ist den Spaniern unter dem Namen Cucuyo bekannt: er ist schwarzbraun, 30 bis 50 mm lang und 10 bis 15 mm breit. Das Licht sieht man am deutlichsten an zwei rundlichen Stellen des Halsschildes sowie unter dem Bauch zwischen dem Bruststück und den Hinterleibsringen erstrahlen. Es ist so stark, daß man bei ihm lesen kann, wenn man den Leuchtkäfer nahe an die Schrift bringt und ihn längs der Zeile fortbewegt, namentlich dann, wenn der Käfer besonders erregt ist und in diesem Zustande kräftiger leuchtet.

Die Leuchtkraft des Cucuyo wird in verschiedenen Gegenden zu verschiedenen Zwecken benutzt.

Der Cucuyo-Käfer, ein lebender Frauenschmuck.

„So steckt man,“ heißt es in Brehms Thierleben, „einige in ausgehöhlte, mit kleinen Löchern versehene Flaschenkürbisse, um natürliche Laternen dadurch herzustellen. Sehr sinnreich ist die Verwendung zu nennen, welche die Damen davon machen, um ihre Reize zu erhöhen. Sie stecken des Abends die Käfer in ein Säckchen von feinem Tüll, deren mehrere in Rosenform am Kleide befestigt werden; am schönsten aber soll sich dieser Schmuck ausnehmen, wenn er, mit künstlichen aus Kolibrifedern gefertigten Blumen und einzelnen Brillanten verbunden, als Kranz im Haare getragen wird. Die Käfer bilden in Veracruz eben darum einen Handelsartikel.“

Diese Mode hat auch in New=York Eingang gefunden. Die Matrosen in Havanna, Cienfuegos etc. zahlen für einen lebenden Käfer gern sogar 1 Peso (= 1 Dollar); gelingt es ihnen dann, denselben lebend nach New=York zu bringen, so erhalten sie von den dortigen Damen 10 bis 20 Dollars. – An diese interessante Thatsachen erinnerte ich mich, als meine Begleiterin sich mit Glühwürmchen schmückte. Wie war ich aber überrascht, als einige Tage darauf in einem Postpacket zwei lebende Cucuyos eintrafen!

Lebende amerikanische Leuchtkäfer sind schon öfters nach Europa gebracht worden. In einer Nachricht von Bondoroy in den „Mémoires de l’Acadèmie des sciences 1766“ wird erwähnt, eine Anzahl dieser Käfer, welche zufällig in altem Holze nach Paris gelangt waren, hätten in der Vorstadt St. Antoine gewaltigen Schrecken verursacht. An die Käfer, die ich erhalten habe, knüpfte sich jedoch ein besonderes Interesse. Sie kamen nicht aus Amerika, sondern von Prag, wo sie meines Wissens zum ersten Male in Europa gezüchtet wurden. Der glückliche Züchter, Herr J. B. Pichl, wird später über die zwei Jahre dauernde Entwickelung des Käfers genauere Nachricht geben. Vor der Hand muß man lebende Exemplare von ihm beziehen. Sie werden in Glasgefäßen gehalten, getrocknetes Zuckerrohr, in dem sie versendet werden, ersetzt ihnen ihre Heimath; ein feuchter Lappen, der im Glase liegt, macht die Luft des Behälters der feuchten tropischen ähnlich. Der Cucuyo lebt in der Gefangenschaft von Rosinen, Feigen und zuckerhaltigem Biskuit – leider aber lebt er nur eine kurze Zeit – unter günstigen Umständen etwa 4 Monate.

Es ist ein eigenartiger Reiz, diese Käfer daheim beobachten zu können. Nach Sonnenuntergang erstehen sie zu fröhlichem Leben und beginnen sich zu tummeln, sie leuchten mit den Platten auf der Brust und am Bauche. Das Licht ist grünlich, sehr wirkungsvoll und die Käfer bewegen sich wie kleine Lokomotiven in der Nacht, wobei die Brustplatten die Laternen darstellen. Das effektvolle Leuchten, welches der Käfer aus eigenem Antriebe sehen läßt, das bald verlöscht, bald zu einem starken Glanze aufflackert, dauert gewöhnlich drei Stunden. Dann beruhigt sich das Thierchen, beginnt zu fressen und leuchtet nur mit der Brust. Das Licht, welches der Cucuyo ausstrahlt, ist übrigens so stark, daß es auch am Tage wahrgenommen wird, wenn man den Käfer in die Hand nimmt oder auf eine andere Weise aufmuntert.

J. B. Pichl stellt der europäischen Damenwelt durch seine gelungenen Züchtungen die Möglichkeit in Aussicht, die Mode, lebendige Leuchtkäfer als Schmuck zu tragen, den Mexikanerinnen zu entlehnen. Ob diese Mode bei uns Eingang finden wird? Das ist Geschmacksache. Aber das Halten und namentlich das Züchten des Cucuyo wird, sobald Näheres darüber bekannt sein wird, ohne Zweifel viele Liebhaber finden; denn eine mit Leuchtkäfern besetzte „Lampyrière“, wie Pichl sein Glasgefäß nennt, bildet am Abend einen wirklich ausgesuchten Zimmerschmuck. Auch die Wissenschaft kann den Erfolg des Züchters nur willkommen heißen, da diese Käfer zum Studium der noch so wenig erforschten Phosphoreszenz der Thiere, dank ihrer starken Leuchtkraft und dank der Leichtigkeit, mit welcher sie sich behandeln lassen, ein äußerst günstiges Material abgeben.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 866. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_866.jpg&oldid=- (Version vom 9.2.2023)