Seite:Die Gartenlaube (1890) 692.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

1700 Marinesoldaten unter der Führung des Kontreadmirals Schröder eine Landung, um dem Feinde in die Flanke zu fallen und dem angreifenden Nordcorps Hilfe zu schaffen. Bis an die Brust im Wasser stehend, mit hoch empor gehaltenen Gewehren gingen die Matrosen an Land, warfen die zur Vertheidigung des Ufers befehligte Infanterie und erstürmten die Höhen, während jetzt das Nordcorps gleichzeitig tambour battant vorging und in raschem Anlauf das Südcorps aus der festen Stellung zurückwarf.

Am folgenden Tage verfolgte das Nordcorps den zurückgeworfennen Feind unter stetem Gefecht bis nach Gravenstein und versuchte hier die Appenrader Chaussee zu erreichen, um nach Norden zu entweichen. Allein nach 5stündigem lebhaften Kampfe erhielt das Südcorps auf seinem linken Flügel bedeutende Verstärkung, welche es ihm ermöglichte, nunmehr seinerseits zum Angriff überzugehen und allmählich wieder Boden zu gewinnnen. Das 15. Husarenregiment ging, unterstützt von einem Bataillon Infanterie, über den Ekensund nach der Halbinsel Broacker, wobei die Pferde durch den Ekensund schwammen, während die Husaren in Booten übergesetzt wurden. Dieses Detachement beunruhigte in bemerkenswerther Weise den linken Flügel des zurückgehenden Nordcorps durch mehrere mit großer Kraft ausgeführte Angriffe der wegen des bergigen Geländes zu Fuß kämpfenden Husaren, infolgedessen das Nordcorps jetzt auf die am Tage vorher eingenommene Düppelstellung zurückweichen mußte. Die Flotte konnte an diesem Tage sich nicht an dem Gefechte betheiligen, weil sich die Landarmee immer weiter vom Wasser entfernte. Die dem Südcorps beigegebenen beiden Torpedodivisionen versuchten indessen am Tage, sowie in der darauf folgenden Nacht einen Angriff auf das Manövergeschwader, der aber jedesmal abgeschlagen wurde, letzterer mit Hilfe des elektrischen Lichtes, welches eine Ueberrumpelung verhinderte.

Das letzte Gefecht am 10. September wurde vor Tagesanbruch um 4 Uhr morgens durch einen heftigen Angriff des Südcorps eröffnet. Auch hier wurde mit Anwendung des elektrischen Lichtes das vom Angreifer besetzte Gelände taghell erleuchtet und dadurch jede Bewegung desselben, die Zahl der angreifenden Truppen, die Waffengattung dem Vertheidiger bemerkbar gemacht. Nach mehrmaligen zurückgewiesenen Angriffen wurden endlich vom rechten Flügel des Südcorps mit dem Bajonett die ersten Schanzen erstürmt und das Nordcorps aus der ganzen Düppelstellung geworfen.

Damit hatte das Manöver sein Ende erreicht. Der Kaiser, welcher sich in der Kritik sehr lobend über die Leistungen des 9. Armeecorps ausgesprochen hatte, verließ um 5 Uhr nachmittags auf der Jacht „Hohenzollern“ die Sonderburger Föhrde, nachdem er am Tage vorher das schleswig-holsteinische Füselierregiment Nr. 86, welches seine besondere Zufriedenheit erworben hatte, seiner Gemahlin verliehen und dem Regiment den Namen „Königin“ gegeben hatte.


Auf schwankem Boden.

Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.
Von W. Heimburg.[1]

So stehe ich denn einmal wieder in dem niedrigen Zimmer des alten Gasthauses zur „Rothen Forelle“, dem ersten „Hotel“ in der kleinen thüringischen Stadt, und schaue über die einsame, wohlbekannte Straße mit dem holperigen Pflaster und der Reihe alter einstöckiger Häuser, denen man dem Pfingstfest zu Ehren neuen Anstrich gegeben hat. Ich sehe den Brunnen mit seinen drei immer fließenden, krystallklaren Wasserstrahlen; der kleine eiserne Ritter auf der schmucklosen Säule, der diese Strahlen entquellen, ist St. Martinus, der besondere Schutzheilige des Städtchens. Es hat sich nichts verändert, aber auch nichts, und die Linde vor der Thür des Gasthauses hat heut wieder ebensolche junggrüne Blätter wie damals, als ich im Schatten des ehrwürdigen Baumes zum ersten Male aus der Extrapost stieg, um meinen Fuß auf Borndorfer Gebiet zu setzen.

Zu beiden Seiten des mächtigen Hausthores bemerkte ich vorhin Maien, mit rothen Schleifen verziert, und auch, just wie dazumal, auf dem altersbraunen Flügel einen rothen Theaterzettel. Wäre mir nicht statt des alten weißköpfigen Wirthes ein frischer junger Mann mit neumodischer Höflichkeit entgegengetreten, wahrhaftig, ich hätte meinen können, es sei noch einmal der Pfingstsonnabend des Jahres 1867 erschienen, der lange, lange vergessen ist von den meisten Menschen, nur von mir nicht – und von einer andern auch nicht.

Ich wende mich um, denn das rothbäckige Zimmermädchen ist eingetreten und fragt, ab Madame irgend etwas wünsche, vielleicht Kaffee; der Kuchen sei auch eben aus dem Backhause gekommen.

„Danke, nein! Aber Sie können mir gewiß dieses Billet in die Pfarre tragen, liebes Kind? Recht bald, wenn es möglich ist. Sagen Sie auch der Frau Pfarrerin, sie solle nicht etwa hier herunter kommen, ich sei flinker als sie und wolle nur ein wenig Toilette machen, dann käme ich. Das Billet ist nur, damit sie nicht erschrickt.“

Das hübsche Mädchen sieht mich, indem es mir den Brief aus der Hand nimmt, ganz verwirrt an. „Madame meinen die Frau Oberpfarrerin Steinkopf?“ fragt es dann.

„Ja, versteht sich! Doch, bitte, geben Sie mir den Brief zurück, ich habe es mir anders überlegt. Bestellen Sie einfach, Fräulein Martha möchte doch einmal herunter kommen, wenn ihre Zeit es erlaubt.“

„Ein Fräulein?“ fragt das Mädchen.

„Ja, Fräulein Steinkopf.“

„Es ist kein Fräulein in der Pfarre.“

„Meine Gute! Sie sind wohl nicht von Borndorf?“

„Nein, Madame, aber ich diene seit einem Jahre hier in der ‚Forelle‘ und kenne alle Leute in Borndorf. Nein, ein Fräulein ist nicht in der Pfarre.“

„Schicken Sie mir, bitte, den Wirth herauf!“ rufe ich ärgerlich; und sie verschwindet.

Der überhöfliche junge Mann, der sein gelbes fettiges Haar wie der Oberkellner irgend eines ersten Berliner Hotels frisirt hat, was so gar nicht zu dem kleinen „Forellenhotel“ passen will, wirbelt ins Zimmer und fragt, womit er der „gnädigen Frau“ dienen könne.

„Ich vermag mich nicht mit Ihrem Zimmermädchen zu verständigen,“ sage ich, „ich will, daß man in die Pfarre hinausschicke, um dort eine Empfehlung von mir zu bestellen: ich lasse Fräulein Martha Steinkopf bitten, so bald als möglich mich hier zu besuchen.“

„Gnädige Frau, leider ist der Befehl unausführbar, denn – hm –“

„Ist das Fräulein etwa verheirathet?“ frage ich erstaunt.

„Gnädige Frau verzeihen – hm – gnädige Frau ist vielleicht verwandt mit Oberpfarrers – nicht? Oder nahe bekannt? hm –“

„Aber, Gott im Himmel, so reden Sie doch!“ rufe ich gereizt. „Ist sie todt? Nein? – Nun, es kann doch kein Mensch


  1. Die Vollendung des angekündigten Romanes „Eine unbedeutende Frau“ hat sich durch Krankheit der Verfasserin verzögert. Derselbe wird nunmehr sicher in Heft 1 des nächsten Jahrganges zu erscheinen beginnen. Inzwischen stellt uns die Verfasserin die hier folgende fesselnde Novelle zur Verfügung, welche von ihren zahlreichen Verehrern gewiß nicht minder freundlich aufgenommen werden wird.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 692. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_692.jpg&oldid=- (Version vom 31.5.2023)