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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Landungsbrücke an der Flensburger Förhde.

Von den schleswigschen Städten nimmt Flensburg durch seinen Reichthum, durch seine großen gewerblichen Anlagen, durch seine ausgedehnten Handelsverbindungen ohne Frage den ersten Platz ein und behauptete denselben auch in anderer Beziehung während der Kaisertage: Stadtverwaltung und Bürgerschaft hatten in edlem Wetteifer ein farbenprächtiges Bild geschaffen und der Stadt einen geschmackvollen und großartigen Schmuck angelegt. Aber nicht Flensburg allein, auch die übrigen Städte und Flecken, welche den Kaiserbesuch erwarteten, wie Sonderburg, Gradenstein, Glücksburg und Augustenburg, hatten Ehrenpforten errichtet, ihre Häuser mit Fahnen, Wappenschildern und Kränzen verziert, grüne Laubgewinde über die Straßen gezogen, während hohe, flaggentragende Mastbäume eine via triumphalis bildeten. Selbst die Landbevölkerung wollte nicht zurückbleiben, sondern auch ihre Freude an dem Besuch des verehrten Herrscherpaares durch ein äußeres Zeichen an den Tag legen; überall auf den Landwegen sah man hohe Ehrenpforten, bekränzte und beflaggte Häuser auch in den kleinsten und ärmlichsten Dörfern.

Endlich war der 4. September angebrochen, die Vorbereitungen waren beendet und alles war zu einem festlichen Empfange des Herrscherpaares vollendet. Tausende und Abertausende Fremder und Einheimischer flutheten durch die Straßen Flensburgs. 150 Kampfgenossen- und Kriegervereine der Provinz hatten 4000 Mitglieder entsandt, welche mit flatternden Fahnen Aufstellung auf dem vier Kilometer von der Stadt entfernten Paradefeld nahmen.

Kaiser Wilhelm traf auf der „Hohenzollern“ am Morgen des 4. September zuerst an der Landungsbrücke ein, empfangen von dem Oberbürgermeister Toosbüy und mehreren höheren Beamten, und begab sich zu Wagen nach dem Manöverfelde. Wenige Minuten später kam die Kaiserin in ihrem Salonwagen auf dem herrlich verzierten und geschmückten Staatsbahnhofe an, wo sie mit ihrer Schwester, der Herzogin Karoline Mathilde von Schleswig-Holstein-Glücksburg, den von sechs Rappen gezogenen Wagen bestieg, der sie gleichfalls nach dem Paradefelde führte. Ein unbeschreiblicher Jubel durchbrauste die Straßen, als die junge Kaiserin, gefolgt von ihrer Leibgarde und der in besonderem Wagen fahrenden Prinzessin Irene von Preußen, sichtbar wurde; die auf den Bürgersteigen aufgestaute, vielhundertköpfige Menschenmenge begrüßte die geliebte Herrscherin mit brausenden Zurufen; aus den vollbesetzten Fenstern wehten Tücher und ergoß sich ein fortwährender Blumenregen.

Um 10 Uhr setzte sich der Kaiser, einen prächtigen Trakehner Rappen reitend, an die Spitze einer glänzenden Suite von Fürsten, deutschen und fremdherrlichen Offizieren, um die Front des in Regimentskolonnen aufgestellten 9. Armeecorps abzureiten, während die Kaiserin, die Prinzessinnen und Hofdamen ihm zu Wagen folgten. Dann begrüßte er die an der Nordseite des Paradefeldes aufgestellten Krieger- und Kampfgenossenvereine und nahm in der Mitte des Paradefeldes mit seinem Gefolge Stellung, worauf die endlosen Kolonnen ihren Vorbeimarsch begannen, daran die Infanterie, dann Kavallerie, Artillerie und Train.

Damit hatte die Kaiserparade ihr Ende erreicht und unter nicht endenwollenden Hurrah- und Hochrufen kehrte das Kaiserpaar nach der Stadt zurück, um im festlich geschmückten Rathhause ein von der Stadtverwaltung angebotenes Frühstück einzunehmen, an welchem auch der inzwischen eingetroffene Generalfeldmarschall Graf Moltke theilnahm.

Das Hoflager wurde nach dem dem Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein gehörenden Schlosse Gravenstein verlegt.

Der kleine gleichnamige Flecken an der Flensburger Föhrde, seit etwa 10 Jahren Badeort, ist einer der anmuthigsten Punkte der an Naturschönheiten überaus reichen schleswig-holsteinischen Ostküste. Das Schloß ist mit dem dazugehörigen Gutsfelde seit dem Jahre 1725 im Besitze der Herzöge von Augustenburg. 1757 brannte es nieder, wurde aber 1758 wieder aufgebaut, doch nicht in der alten Pracht, und ist seitdem auch nur gelegentlich von der früher in Augustenburg residirenden herzoglichen Familie bewohnt worden. 1864 hatte der kommandirende General der verbündeten Armee, Prinz Friedrich Karl von Preußen, während des deutsch-dänischen Krieges hier sein Hauptquartier aufgeschlagen.

Schloß Gravenstein war während der siebentägigen Kaisermanöver als Sitz des kaiserlichen Hoflagers der Mittelpunkt des reichen, sich jetzt entfaltenden Lebens. Hier wurde am 4. September das Paradediner gegeben, zu welchem sämtliche Stabsoffiziere des 9. Armeecorps, etwa 240 Personen, zugezogen waren. Am 5. September folgte das Diner für die Provinz, an dem die gesamte schleswig-holsteinische Ritterschaft, der Provinzialausschuß, sowie die höchsten Beamten der Provinz theilnahmen, und am Abend ließen vor dem Schlosse im Park 150 Sänger der Flensburger Gesangvereine ihre Lieder zu Ehren ihres Landesherrn ertönen.

Den Schluß der offiziellen kaiserlichen Festlichkeiten bildete das Marinediner am 6. September, zu welchem die höheren Marineoffiziere Einladungen erhalten hatten. Unter den rauschenden Klängen des von 1000 Musikern und Spielleuten ausgeführten Zapfenstreiches ging der Tag zur Rüste.

Feldgottesdienst auf dem Herzenshügel.

Am anderen Morgen wurde es schon früh im Schloßparke lebendig. In langen Zügen marschirten die im Sonnenlichte blitzenden Bataillone zum Feldgottesdienste heran und bildeten um den Herzenshügel die weite Runde. Eine feierliche Stimmung lag über dem kriegerischen Bilde, das sich in den grünen Anlagen des herrlichen Parkes dem Auge darbot, und in lautloser Stille

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 690. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_690.jpg&oldid=- (Version vom 10.2.2023)