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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Mamorplatte schreibt man wunderthätige Heilung von mancherlei Gebreste zu, und Scharen frommer Wallfahrer pilgern alljährlich zu dieser Stelle.

Es ist noch zweifelhaft, wie viele Menschen durch den Einsturz am frühen Morgen des 4. September ihren Tod gefunden haben. Vorläufig weiß man von drei Todten. Der fünfte, sechste und siebente Bogen sind weggerissen, die Fundamentpfeiler aber scheinen unverletzt und ragen aus den Wellen empor.

Hoffentlich gelingt es, das zerstörte Bauwerk in alter Schöne wieder herzustellen und so der Stadt das nationale Symbol vergangener Herrschergeschlechter zu erhalten.

König Gram befreit seine Braut Signe. (Zu dem Bilde S. 648 und 649.) Baumbach, der anmuthige Sänger der Spielmannslieder, hat ein Epos gedichtet, worin er die Geschichte von der Werbung Horands um Hilde, die Tochter König Hagens, erzählt – in freier Umformung der Stoffe, die uns im Gudrunlied erhalten sind. Wie Baumbach das liebt, fügt er bei schicklichen Gelegenheiten kurze, dramatisch bewegte Lieder ein, wie sie dem Orte und der Stimmung entsprechen. Ein solches Lied hat unseren Künstler zu seinem Gemälde begeistert. Hildburg singt es dem Königskinde Hilde, in dessen jungfräulicher Seele eben die Liebe zu dem fremden Recken Horand aufzusprießen begonnen hat. Es ist ein Lied von dem König Gram, dem ein geheimnisvoller Spiegel die ferne Braut, Signe, des Finnenkönigs Tochter, im Brautgeschmeid und Brautgewand an eines Fremden Seite zeigt:

„Da sprach kein Wort der König Gram,
Das Steuer er zu Handen nahm,
Gen Mitternacht, gen Finnenland
Ward schnell das Drachenschiff gewandt;
     Hei, wie es flog im Winde!

Der Finnenkönig saß im Saal
Bei seiner Tochter Hochzeitsmahl.
Schön Signe saß so blaß und bleich
Und neben ihr im Kleide reich
     Der Fürst der wilden Sachsen.

Da trat ein alter Mann herein,
Den hüllten Grauhundfelle ein.
Er ging am Stab gebückt einher,
Als ob er siech und müde wär’,
     Und saß am Eingang nieder.

So Meth als Wein in Strömen rann,
Und wüster Lärm im Saal begann,
Manch einer vom Bewußtsein schied,
Ein finn’scher Sänger sang ein Lied,
     Das klang wie Rabenkrächzen.

Da nahm das Saitenspiel zur Hand
Der fremde Mann im Wolfsgewand
Und sang ein Lied voll Klang und Gluth,
Von Frauentreu und Mannesmuth.
     Schön Signe saß und lauschte.

Und wie vom Regen neu belebt
Die welke Blüthe sich erhebt,
So hob das schöne Haupt die Braut,
Von heißen Thränen hell bethaut,
     Und spähte nach dem Sänger.

Da warf der Fremde von sich schnell
Die Kappe sammt dem rauhen Fell.
Hei, wie den bleichen Bräutigam
Zu Boden schlug der König Gram
     Mit seinem guten Schwerte!

Schön Signe von dem Hochsitz sprang,
Der König fest die Braut umschlang,
Und aus dem Hochzeitssaal im Flug
Sein starker Arm die Taube trug
     Zum Drachenschiff am Strande.“

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Aus dem oberen Donauthal. (Zu dem Bilde S. 665.) Dort, wo bei Fridingen die Donau in ihrem ersten Laufe die Wasser der Beera in sich aufnimmt, stellt sich dem jugendlichen Ueberschäumen des jetzt schon stattlichen Flusses ein bedeutendes Hinderniß entgegen: es ist dies der steilabfallende südöstliche Rand der Schwäbischen Alb, durch dessen hochragende Jurakalkfelsen sich die Gewässer in vielgewundenem und tiefeingeschnittenem Thal ihren weiteren Weg zu bahnen haben. Der sich hier eröffnende Theil des oberen Donauthals ist eine der reizvollsten Gegenden unseres deutschen Vaterlandes und bietet eine unvergleichliche Fülle landschaftlicher Schönheiten. Die zerklüfteten Felsen der Alb erheben sich aus dem Schmuck prachtvoller Laubholzwälder zu bedeutender Höhe und sind vielfach mit Schlössern und Ruinen gekrönt, während tief unten das Wasser der Donau in seinem engen Bette wildschäumend über mächtige, moosbewachsene Steinblöcke dahinbraust. Schon vom Eingang der Thalschlucht glänzt uns hoch oben das Enzbergische Schlößchen Bronnen entgegen, welches, auf steilem Felsenriff erbaut, nur durch eine Zugbrücke mit der nahen Höhe verbunden ist. Eine herrliche Fernsicht eröfnet sich dem trunkenen Auge aus dem kleinen, noch erhaltenen Rittersaal des Schlosses, dessen Fenster, jäh über dem gründämmernden Abgrund gelegen, einen Ausblick über die vielzerklüfteten Felsmassen der näheren Umgebung bis zu den fernen Alpen gestatten.

Die Wände treten nun immer näher zusammen, prachtvoller Buchenwald nimmt uns auf, bis sich nach etwa zweistündigem Wandern die Schlucht öffnet und aus einer Thalmulde das Kloster Beuron mit seinen stattlichen Gebäuden in weltabgeschiedener Einsamkeit uns entgegenblickt. Die schöne Stiftskirche, noch heute ein sehr beliebter Wallfahrtsort, zeigt in sehr guten Freskogemälden die Sage von der Stiftung des Klosters und die Bildnisse seiner Patrone und Wohlthäter. Die Klostergebäude sind jetzt wieder mit Mönchen (Benediktinern) besetzt.

Von Beuron zieht sich die Straße über eine gedeckte Brücke auf das linke Ufer der Donau. Bald erscheint rechts auf großartiger Felsenhöhe, von starrenden Klippen umgeben, die stattliche Bergfeste Wildenstein. Ein abgesprungenes Felsenriff trägt auf besonderen Grundmauern ein Thor, von welchem eine Zugbrücke über einen gähnenden Abgrund den Zugang zu der Burg ermöglicht, und staunend betrachten wir die riesigen Mauern und Thürme dieses Edelsitzes, welcher in allen seinen Einzelheiten ein wohlerhaltenes Bild mittelalterlicher Befestigungsbauten bietet. Ein bis zur Sohle der Donau hinabreichender Brunnen, eine Mühle und ein Zeughaus machten in Verbindung mit der natürlichen festen Lage das Schloß geradezu uneinnehmbar. Von der gothischen Burgkapelle führte ein jetzt verschütteter Gang unterirdisch zu Thal. Im Hauptgebäude, dessen Räume sammt dem Rittersaal noch erhalten sind, befanden sich die Wohngemächer des jetzt ausgestorbenen Geschlechts der Herren von Wildenstein, der Erbauer dieses durch alle Stürme des Mittelalters mannhaft behaupteten Schlosses.

Unterhalb von Wildenstein, nach einer wiederholten Krümmung des Flusses, eröffnet sich ein prachtvolles Panorama: von beiden Seiten treten senkrecht aufsteigende Felswände bis an die Thalsohle heran und eine der großartigsten der riesigen Felsmassen zur Linken des Flusses trägt das alte fürstenbergische Schloß Werwag mit seinen stattlichen Giebeln und Thürmen, welches mit seinen alterthümlichen Innenräumen und Einbauten, die ganz ursprünglich erhalten sind, mit dem dazu gehörenden Gutshof und ausgedehnten Grundbesitz einer der schönsten Edelsitze des Landes genannt werden muß. Vorbei an dem Dorfe Hausen mit der stattlichen Ruine Wagenburg und einer großen gegenüberliegenden Felsenhöhle wälzt nun die Donau ihre grünen Fluthen thalabwärts. Manche stattliche Ruinen wie Gutenstein, Falkenstein und Dietfurth liegen noch an ihrem Ufer, und ihrem Laufe folgend, gelangen wir auf schöner, dem Felsen abgerungener Kunststraße mit mehreren Tunnels über Thiergarten nach dem Orte Laiz, von wo an die Felsmassen zurücktreten und der Fluß durch flachere Gefilde der „Burg Sigmars“ zustrebt, der ebenso hübschen wie malerischen Stadt Sigmaringen. R. Stieler.

Schloß Kronborg. (Zu dem Bilde S. 669.) Bei der dänischen Stadt Helsingör, an der Stelle, wo der Sund am schmalsten ist und die Küsten von Seeland und Schweden bis auf vier Kilometer einander sich nähern, liegt das stolze Schloß, das unsere Abbildung dem Leser zeigt. Vor mehr als 300 Jahren, 1577 bis 1585, von König Friedrich II. erbaut und stark befestigt, diente es lange Zeit dazu, die Erhebung des Sundzolls mit seinen Kanonen zu unterstützen und einem etwaigen Gegner die Durchfahrt zu versperren. Heute freilich ist das Schloß als Festung ohne Bedeutung, und der Sundzoll, der in früheren Jahren für Dänemark rund 71/2 Millionen Mark abwarf, ist 1857 um das hübsche einmalige Sümmchen von annähernd 70 Millionen Mark abgelöst worden. So ist das „Schloß am Meere“ zur prosaischen Kaserne geworden und nur die geschichtliche Erinnerung und schattenhafte Sagen erhalten ihm einen Schein seiner einstigen Bedeutung. Auf der „Terrasse vor dem Schlosse bei Helsingör“ läßt Shakespeare den Geist des ermordeten Dänenkönigs vor seinem Sohne Hamlet erscheinen und tief unten in den Kasematten sitzt Holger Danske, Dänemarks Schutzgeist, von dem Andersen uns erzählt und der hervortreten wird, wenn das Vaterland in Gefahr schwebt. Dem Reisenden aber, der heute Kronborg besucht, dem zeigt der Kastellan wohl auch die Zimmer, in denen die unglückliche Königin Karoline Mathilde, Christians VI. Gemahlin, gefangen saß, weil sie des sträflichen Einverständnisses mit dem Arzte und Kabinettsminister Struensee bezichtigt ward.

Es sind keine freundlichen Bilder, welche Geschichte und Sage aus Kronborgs Mauern hervorzaubern. Wer aber von ihren Schauern sich erholen will, der steige hinauf auf das platte Dach des südwestlichen Schloßthurms: da wird ihn die prachtvolle Aussicht über den Sund und hinüber nach der schwedischen Küste, wie landeinwärts über Seeland hinweg wieder erfrischen und das bewegte Treiben auf See zurückführen in die lebenswarme und lebensfrohe Gegenwart. =

Unsere litterarischen Beziehungen zu Holland haben wir kürzlich in einem kleinen Artikel auf Seite 323 unter dem Titel „Litterarisches Freibeuterthum“ gekennzeichnet. Wir haben dort die Thatsache berühren müssen, daß von dem Romane „Flammenzeichen“ von E. Werner, lange ehe er vollendet vorlag, in Holland bereits drei unerlaubte Uebersetzungen und zwar schlechte Uebersetzungen erschienen. Es will uns scheinen, als ob den Holländern nun doch selbst das Gewissen schlüge über diese Art von „Aufnahme der deutschen Kultur“. Wenigstens können wir nur so eine Auslassung verstehen, welche sich in dem „Arnhemschen Courant“ findet. Ins Deutsche übersetzt, lautet die Auslassung des holländischen Blattes folgendermaßen:

„Schon öfters ist darüber geklagt worden, daß deutsche Verleger freiweg holländische Romane ohne Nennung des Verfassers übersetzen und dieselben für sich oder in Zeitschriften herausgeben. Daß sie dafür den niederländischen Schriftstellern kein Honorar bezahlen und auch nicht um ihre Erlaubniß fragen, ist so schlimm nicht. Das Honorar würde doch nicht viel zu bedeuten haben, und wer würde wohl die Erlaubniß verweigern, wenn es sich mit eine Auszeichnung handelt Aber der Name könnte doch wenigstens genannt werden!

„Jetzt sehen wir aber zu unserer größten Verwunderung, wie eine deutsche Schriftstellerin, die auch in unserem Lande nur lobend genannt wird, ihren eigenen Namen über einen Roman stellt welcher wörtlich in der Zeitschrift ‚Nederland‘ steht, die laut Titelblatt ‚nur Originalbeiträge von niederländischen Schriftstellern‘ enthält. In ‚Onkel Leos Verlobungsring‘ giebt Fräulein W. Heimburg Wort für Wort den Inhalt von ‚Uit de nalatenschap van oom Frederick‘ von J. Kunst wieder, welche Geschichte in ‚Nederland‘ zu lesen ist. Nur die Namen der Personen sind geändert, Leo heißt Friedrich, Helena von Roland heißt Mina Visser etc.

„Das Unerhörte bei der Sache ist aber das: während Herr J. Kunst seine Novelle in die Mailieferung 1890 von ‚Nederland‘ aufnehmen ließ, hat Fräulein Heimburg die Unverschämtheit gehabt, ihr Plagiat in den ‚Gartenlaube‘-Kalender von 1889, welcher im Spätsommer 1888 erschien, aufnehmen zu lassen.

„Man kann bald fragen, wie das möglich ist?“

Ja, das wäre allerdings unerhört, wenn Fräulein Heimburg im Spätsommer 1888 eine im Mai 1890 erschienene Geschichte des Herrn J. Kunst abgeschrieben hätte! Das wäre mehr als „vierte Dimension“!

Nach unserem Dafürhalten hat der ehrenwerthe Herr Verfasser des Artikels in dem „Arnh. Courannt“ einen guten und löblichen Witz gemacht, indem er mit feiner Ironie seinem weniger ehrenwerthen Herrn Landsmann J. Kunst zu verstehen gab, daß es doch nicht ganz passend sei, das litterarische Hab und Gut seines Nächsten so „offen fortzutragen“. Wir aber entnehmen aus der ganzen Geschichte mit Vergnügen die Thatsache, daß „Onkel Leos Verlobungsring“ dem Herrn J. Kunst recht gut gefallen hat, sonst hätte er sich wohl nicht die Mühe gegeben, die Heimburgsche Novelle in einen „Originalbeitrag eines niederländischen Schriftstellers“ zu verwandeln. =

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 675. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_675.jpg&oldid=- (Version vom 10.2.2023)