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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

den unter dem Wagen angebrachten Dynamomaschinen leitet. Die Vorrichtung besteht aus einem beweglichen, durch eine Feder an den Kupferdraht angedrückten Arme, der sogenannten Kontaktstange, deren Ende mit einer Rolle versehen ist, welche beim Vorbeigleiten den Strom aus dem Drahte entnimmt. Die Rolle ist mit einer tiefen Rille versehen, damit die Berührung mit dem Kupferdrahte nicht verloren gehe.

Von dem elektrischen Strome werden nun die zu je einer Wagenradachse gehörenden Dynamomaschinen in Umlauf gesetzt. Da die Umdrehungszahl bei diesen Dynamo zweckmäßig groß gewählt wird und erheblich höher ist als die der Radachse, so muß noch eine Uebersetzung ins Langsame erfolgen, wozu Zahnräder verwendet werden. Die bisher in Gebrauch genommenen Wagen haben je zwei elektrische Motoren, deren jeder 10 Pferdekräfte entwickeln kann.

Die elektrischen Wagen haben sich sehr schnell die Gunst des Publikums errungen und sind durchweg voll besetzt. Bei einbrechender Dunkelheit erstrahlt das Innere der Wagen im Lichte von fünf Glühlampen. Die Probefahrt am 21. Juni verlief so vorzüglich, daß sofort nach deren Beendigung die polizeiliche Erlaubniß zur Betriebseröffnung ertheilt werden konnte. Das Anfahren der Wagen geschieht unmerkbar, das Fahren ist geräuschlos, stoßfrei und rasch; besondere Anerkennung fand der wiederholt gelieferte Beweis, daß es möglich ist, den Wagen bei voller Geschwindigkeit, beinahe augenblicklich mit Hilfe des Stromumkehrhebels und der Bremsen anzuhalten. Nachmittags um 1 Uhr wurde der regelmäßige Betrieb mit drei Wagen eröffnet, und bis abends 10 Uhr waren bereits etwa 2500 Personen befördert.

Welch goldene Zeiten werden aber erst für den elektrischen Bahnbetrieb anbrechen, wenn es sich bestätigt, daß der langjährige Traum der Elektrotechniker, „Elektricität unmittelbar aus der Kohle zu gewinnen“, nunmehr in Erfüllung gehen soll! Wie amerikanische Blätter berichten, ist die Lösung vor kurzem gelungen, und die erforderlichen Einrichtungen sollen so einfach sein, daß sie gar nicht einmal den Namen einer Maschine beanspruchen können. Dann genügt ein Ofen von der Größe eines Stubenofens – und fort geht’s, ohne Draht, über Berg und Thal. Vorläufig gilt für uns allerdings noch das Dichterwort: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!“

Volksstimmen über die Gründung des Deutschen Reichs. Wenige Monate nur trennen uns noch von dem zwanzigsten Jahrestage der Gründung des Deutschen Reiches. Das großartige Ereigniß ist tausendfältig gefeiert worden in Rede und Gedicht, und ein erhabenes Denkmal dort auf der grünen Höhe des Niederwalds legt in Stein und Erz vor den spätesten Geschlechtern Zeugniß ab von der überwältigenden Macht der Bewegung, welche die Errungenschaft der Jahre 1870 und 1871 in den Gemüthern des deutschen Volkes wachrief.

Die Germania auf dem Niederwald ist das stolzeste, das gewaltigste, das eindrucksvollste Erinnerungszeichen an jene große Zeit. Aber sie ist nicht das einzige! Allüberall drängte die gehobene Freudenstimmung über das Gewonnene zu einem sichtbaren Ausdruck. Von dem weithin das Land beherrschenden Standbild bis zur schlichten Gedenktafel an Baum oder Fels, an Haus oder Kirche ist ein weiter Abstand; und doch will es uns scheinen, als ob diese letzteren oft nicht minder eindringlich zum Herzen des nachwachsenden Geschlechtes sprächen und nicht minder ergreifend für die Tiefe der Empfindung unter den Zeitgenossen von damals zeugten, als die großartigen Schöpfungen der Kunst, zu denen die führenden Männer der Nation die erzgegossenen Sprüche ersonnen haben. Jene bescheidenen, oft vielleicht formlosen Aeußerungen, die ohne jeden andern Antrieb rein aus der Tiefe der mächtig berührten Volksseele geflossen sind, sie enthüllen dem wahrheitsuchenden Auge des Geschichtsforschers oft mehr als die Kundgebungen mehr oder weniger offizieller Kreise.

Auf Seite 576 dieses Heftes ist die Inschrift der alten Eiche bei Krayn abgedruckt.

Solche Inschriften haben wir im Sinne, wenn wir uns heute an alle unsere Leser mit der Bitte wenden, uns „Stimmen des Volkes über die Gründung des Reiches“ sammeln zu helfen, die wir dann zum 18. Januar 1891 in der „Gartenlaube“ der Oeffentlichkeit übergeben könnten. Ausdrücklich bemerken wir, daß die Inschriften an größeren künstlerischen Denkmälern hier bei Seite bleiben sollen; selbstverständlich fallen auch etwaige kurze Vermerke wie „Gestiftet zum Andenken am die Aufrichtung des Deutschen Reichs“ oder dergl. weg. Das angeführte Beispiel zeigt am besten, was wir suchen. – Wir bitten, in der Abschrift des Textes, in der Bezeichnung des Gegenstandes, welcher die Inschrift trägt, sowie in allen etwa sonst zu machenden Angaben über Verfasser oder dergl. ja recht genau zu sein, damit keine Irrthümer sich einschleichen.

Allen aber, die uns bei dem vaterländischen Werke behilflich sein werden, im voraus schon unseren herzlichen Dank! Die Redaktion.

Eine deutsche Kolonialmünze. Unsere obenstehenden Abbildungen zeigen die erste deutsche Kolonialmünze, welche auf Rechnung der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft kraft des derselben vom deutschen Kaiser verliehenen Rechts durch die königliche Münze in Berlin geprägt worden ist. Es ist ein aus fast reinem Kupfer hergestelltes Geldstück, etwas größer als unser Einmarkstück. Auf der einen Seite trägt es im Ring um den Reichsadler in lateinischen Buchstaben die Inschrift „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ und die Jahreszahl 1890, auf dem von einem Lorbeerkranz umrandeten Innenraum der andern Seite in arabischer Schrift die Worte: „Die Deutsche Gesellschaft“.

Von diesen „Kupferpesas“ gehen 64 auf eine Rupee. Da die letztere nach dem heutigen Silberpreis etwa den Werth von 1 Mark 75 Pfennig hat, so würde unsere Kolonialmünze ungefähr 2,7 Pfennig gelten.

Den Kupferpesas sollen in einigen Monaten noch silberne Rupees folgen, die in der Größe ungefähr unserem Zweimarkstück entsprechen werden. Dieselben werden, im Unterschied von den Reichsmünzen, den Kopf des Kaisers Wilhelm II. nicht unbedeckt, sondern mit dem Garde du Corps-Helm bekleidet zeigen. =

Die erste deutsche Kolonialmünze.

Hirsch todt! (Zu dem Bilde S. 569.) Hirsch – Schweißhund – das edelste Wild des deutschen Waldes – der edelste Hund des deutschen Jägers! C. F. Deiker, der berühmte Düsseldorfer Jagdmaler, zeigt uns heute den Schluß einer Art von Hirschjagd, die früher ausschließlich im Hannoverschen betrieben wurde, die von hier aus aber mit dem Schweißhunde, einer specifisch hannoverschen Rasse, auch in einige andere Hirschreviere verpflanzt worden ist – das „Lanciren“ des Feisthirsches.

Der hannoversche Schweißhund ist mittelstark, roth oder gestromt ohne weiße Abzeichen, im Gesicht schwarz gebrannt und muß die Eigenschaft haben, sowohl auf einer gesunden Hirschfährte am Riemen nachzuziehen und dieselbe selbst dann zu halten, wenn sie durch die frischeren eines Rudels führt, als besonders auch nach 24 Stunden noch die Schweißfährte eines kranken Stückes „auszuarbeiten“ und dem Jäger zu helfen, dasselbe zur Strecke zu bringen.

August ist es, das Geweih ist „verreckt und gefegt“, und jetzt beginnt des weidgerechten Jägers schönste Zeit, die Jagd auf den Feisthirsch.

Ein starker Hirsch hält zu Felde, aber er tritt so spät aus und hält so früh wieder zu Holze, daß dir nur die frische Fährte zeigt, daß er draußen gewesen ist. So schlau ist aber der alte Bursch, daß er bei Mondschein sich hütet, das Feld anzunehmen. Da heißt es, den Hirsch zu bestätigen. Das ist eine uralte Weidmannskunst oder, wie der mittelhochdeutsche Ausdruck will, „Jagelist“. Söllmann, der Schweißhund, wird „zur Fährte gelegt“, er hält sie bis zu einer Fichtendichtung. Hier wird er „abgetragen“ (nicht mit dem Riemen von der Fährte gezogen), die Fährte wird „verbrochen“, d. h. ein frischer Fichtenbruch auf dieselbe gelegt und dann mit dem Hunde die Dickung „umschlagen“, um zu sehen, ob der Hirsch in derselben stehen geblieben ist. Söllmann fällt aber keine Fährte wieder an – der Hirsch ist bestätigt.

Einige Stunden später werden Jäger auf den Wechseln weit von einander („verloren“) angestellt, du aber erhältst den besten Posten, auf dem Rückwechsel, dort, wo der Hirsch die Dickung angenommen hat. Der Jäger umschlägt mit Söllmann die Dickung noch einmal, um sich zu vergewissern, ob der Hirsch auch stehen geblieben ist, dann legt er den Schweißhund wieder zur Fährte und beide verschwinden im dichten Gebüsch.

Der Hund liegt fest im Riemen und zieht den Jäger vorwärts. Hin und her geht’s durch die Fichten – endlich wird der Hirsch „gesprengt“ oder „aus dem Bette aufgethan“; aber das edle Wild flieht nicht sofort aus dem schützenden Buschwerk, sondern zieht in demselben umher – langsam, aber sicher folgt ihm am Riemen Söllmann. Du aber stehst vor der Dickung mit gespannter Büchse in aufgeregter Erwartung – es ist so still um dich her, kein Ton schlägt an dein Ohr – höchstens kreischt einmal ein Häher – ein Eichkätzchen hüpft über den Weg oder ein Goldhähnchen schlüpft durch das Fichtengeäst – kein Laut – nichts verräth, daß du auf Hirschjagd bist.

Da – was ist das? – ein leises Streifen an den Büschen – langsam hebt sich die Büchse, das Herz droht vor Aufregung zu zerspringen – – alles wieder still, du hörst nur das Hämmern in deiner Brust. Drei lange, bange Minuten – – wieder streift es an den Büschen, die Zweige knacken – – und „hast recht, Söllmann! schon’ dich! schone!“ tönt es leise aus der Dickung zu dir herüber. Der Hirsch ist dem Rande der Pflanzung entlang gezogen – dicht hinter ihm folgt der Jäger mit dem Hunde.

Wieder ist eine lautlose Stunde verstrichen, die heiße Hundstagssonne brennt dir auf den Scheitel – die Aufmerksamkeit läßt schon nach – – vielleicht schleicht sogar der Gedanke sich in dein Jägerherz: wenn der Hirsch doch erst heraus wäre, selbst wenn’s auf einer andern Stelle knallte – – da, ganz unerwartet, plötzlich fliegt 80 Schritt von dir ein rothes Etwas aus den Fichten – du siehst die Umrisse in der Ueberraschung, der Aufregung nur verschwommen – ein starkes Geweih – die Büchse ist am Backen – das Korn liegt dicht vor dem Rothen – Knall – Pulverdampf – Kugelschlag! Du siehst den Hirsch in hoher Flucht in der Luft erscheinen, dann stürmt er durch Ginster und Schmielen in weitem Halbkreis um dich herum – jetzt wird er langsamer – du siehst den Schweißfleck dicht hinter dem Blatte – er bleibt stehen – wie jubelt’s in deiner Brust – das Geweih, der Kopf wird ihm zu schwer, er senkt ihn tief herab zur Erde – – sein Haar sträubt sich, verendet bricht er zusammen, der König der Wälder, und das Horn des Jägers, das die Genossen ruft, singt ihm den lustigen Grabgesang. Karl Brandt.

Ländlich – sittlich! In den südlichen Distrikten von Indien werden neuerdings die hölzernen Telegraphenstangen durch Pfeiler aus Eisen oder Stein ersetzt, weil sich eigenthümliche Unzuträglichkeiten für die ersteren herausgestellt haben. Sie wurden nämlich massenweise von den großen Ameisen an- und durchgenagt, andererseits zeigten die Affen eine besondere Vorliebe dafür, sie zu ihren Turnübungen zu benützen, und erschütterten sie dadurch rettungslos in ihren Grundfesten. So muß denn die Telegraphenleitung den ländlichen Verhältnissen „angepaßt“ werden, wie so viel anderes in Indien, das in seiner Mischung von Naturzuständen und englischer Kultur ein höchst merkwürdiges Gesammtbild darbietet.

Kleiner Briefkasten.

G. P., Cassel. Wenn Ihr Bruder sich im ganzen fünf Jahre in den Vereinigten Staaten von Nordamerika aufgehalten und sich dort hat naturalisiren lassen, so fällt er unter die Bestimmungen des Vertrags zwischen dem Norddeutschen Bund und den Ver. Staaten vom 22. Februar 1868, wonach er bei der Rückkehr der Strafe nicht unterliegt und erkannte Strafen unvollstreckt bleiben.

C. Sch. in Hannover. Ungezählte Male schon haben wir bekannt gegeben, daß wir uns auf briefliche Kuren unter keinen Umständen einlassen können. Wenn Ihnen die bisher befragten Aerzte kein Mittel anzugeben wußten, so müssen Sie sich eben an einen andern Arzt oder vielleicht an eine Universitätsklinik wenden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_579.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)