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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

zurück und strengte im November 1455 gegen Gutenberg gerichtliche Klage an. Dieser wendete gegen Fusts Klage ein, daß die Zinszahlung wohl im schriftlichen Vertrage festgesetzt, ihm später aber durch mündliches Besprechen von Fust erlassen worden sei, und daß letzterer überdies den Vertrag selbst schon gebrochen, da er ihm die ausbedungenen 300 Gulden jährlich nicht gezahlt habe. Der Prozeß endete schließlich damit, daß Fust wohl mit seiner Forderung der Zinsen abgewiesen, Gutenberg aber verurtheilt wurde, Rechnung abzulegen und das Kapital zurückzuzahlen.

Was nun weiter geschehen ist, berichtet das „Helmaspergersche Instrument“, welches die Einzelheiten des Prozesses enthält, nicht mehr. Man nimmt an, daß Fust von seinem Pfandrechte Gebrauch gemacht und die verpfändete Buchdruckerei an sich genommen habe. Ob er jedoch auch den theilweise fertigen Bibeldruck mit pfänden konnte, oder ob er sich vielleicht mit Gutenberg hierüber gütlich geeinigt hat, ist mindestens sehr zweifelhaft. So viel steht fest, daß Fust mit dem Gutenbergschen Gehilfen Peter Schöffer, den er als technischen Leiter weiter beibehielt, die Buchdruckerei weiterführte, das angefangene Bibelwerk beendete und das Geschäft im Laufe der Zeit mit großem Glück und Geschick vergrößerte und zum bedeutendsten seiner Zeit erhob. Peter Schöffer erwies sich sowohl als tüchtiger Buchdrucker, wie auch als begabter Zeichner und gewandter Schriftschneider.

Abbildung 7. Aus der Mentelschen Bibel.

Gutenberg hatte die Typen noch in Bleimatrizen gegossen, Schöffer dagegen führte im Jahre 1459, eine Verbesserung ein. Er schnitt oder stach die Buchstaben auf Stahlstempel, schlug diese vertieft in Kupferplatten und goß die Typen in diese Kupfermatrizen ab, wodurch ein schärferes Schriftbild entstand. Fust erkannte bald, welche technische Kraft er an Schöffer besaß, und um ihn ganz an sein Geschäft zu fesseln, nahm er ihn als Theilhaber auf und gab ihm seine Tochter zur Frau.

Aus der Fust-Schöfferschen Druckerei ging im Jahre 1457 das „Psalterium“ hervor, ein Druckwerk von seltener Vollendung und Schönheit, in welchem zuerst der Mehrfarbendruck angewendet wurde. Denn in den Bibeldrucken waren die farbigen Anfangsbuchstaben und Verzierungen noch mit der Hand gemalt. Außerdem ist das Psalterium noch insofern merkwürdig, als es das erste Druckwerk ist, welches die Angabe des Druckers und Druckjahres enthält. Der Schluß desselben lautet in deutscher Uebersetzung:

„Vorliegendes Buch, der Psalmen, durch die Schönheit der Hauptbuchstaben geschmückt und mit unterscheidenden Rubriken hinlänglich versehen, ist durch die kunstreiche Erfindung des Druckens und der Buchstabenerzeugung ohne Feder so ausgeführt und zur Ehre Gottes mit Fleiß zustande gebracht worden durch Johann Fust, Bürger zu Mainz, und Peter Schöffer aus Gernsheim im Jahre des Herrn 1457, am Vorabende des Mariä- Himmelfahrtstages.“ –

Ueber Gutenbergs weitere Schicksale finden sich in den nächsten Jahren keine urkundlichen Nachrichten vor. Es ist möglich, daß er Mainz verließ und sich wieder nach Straßburg wendete, vielleicht daß er auch durch Versprechungen des Straßburger Bürgers Johann Mentel dahin gezogen wurde, um diesem eine Druckerei einzurichten. Mentel that sich später als unternehmender Buchdrucker hervor und machte Fust empfindliche Konkurrenz. Er war auch der erste, welcher eine vollständig ausgebildete Antiquaschrift in den Buchdruck einführte. Mit dieser druckte er seine Bibel von 1463, von welcher Abbildung 7 eine Probe zeigt.

Gutenberg scheint sich bald wieder nach Mainz gewendet zu haben, wo er eine neue Buchdruckerei einrichtete und mehrere Jahre betrieb. Das hierzu nöthige Geld soll ihm ein vermögender Mainzer, Dr. Konrad Humery, gegen Sicherstellung durch die Schriften und Pressen vorgeschossen haben. Aus dieser Druckerei ging neben mehreren kleinen Drucken 1460 ein Riesenwerk hervor, das „Katholicon“, ein damals beliebtes, eigenartiges grammatikalisches Wörterbuch, man könnte sagen ein Konversationslexikon des Mittelalters, verfaßt von Johannes Balbus aus Genua. Dieses Werk umfaßt zwei Bände groß Folio, 373 Blätter, von denen jedes zweispaltig mit kleiner Schrift gedruckt ist. Am Ende ist gleichfalls ein Schlußwort angefügt, ähnlich wie bei Schöffers Psalter, jedoch ohne Nennung des Druckers; es lautet auf deutsch:

„Unter dem Beistand des Allerhöchsten, aus dessen Wink die Zungen der Kinder beredt werden, und der oft den Kleinen offenbart, was er den Weisen verbirgt, ist dieses treffliche Buch Katholicon im Jahre der Menschenwerdung des Herren 1460 in der guten Stadt Mainz, angehörig dem ruhmreichen deutschen Volke, welches die Gnade Gottes mit so hohem Geisteslichte und freiem Gnadengeschenk den andern Völkern vorzuziehen und berühmt zu machen für würdig gehalten hat, nicht vermittelst des Rohrs, Griffels oder der Feder, sondern durch der Formen wundervolles Zusammenpassen, Verhältniß und Ebenmaß der Patronen gedruckt und vollendet worden.“

Einige Jahre nach der Herausgabe des Katholicon kam über Mainz eine böse Zeit der Verwüstung. Zwischen Adolf von Nassau und Erzbischof Diether brach offener Kampf aus, ersterer besiegte letzteren, erstürmte am 28. Oktober 1462 die Stadt Mainz und ließ sie durch seine Scharen plündern. In diesem Kriegstrubel wurde die Fust-Schöffersche Druckerei zerstört und konnte erst nach zwei Jahren wieder in Betrieb gesetzt werden. Die arbeitslosen Gehilfen wanderten zum Theil aus und trugen die neue Kunst in alle Länder. Die Gutenbergsche Druckerei dagegen blieb so ziemlich verschont. Dennoch verließ Gutenberg Mainz und siedelte nach Eltville über, der Residenz des neuen Erzbischofs Adolfs von Nassau. Dieser ernannte Gutenberg 1465 „für die ihm und seinem Stift geleisteten willigen Dienste“ zum Hofdienstmann und schützte ihn durch die karge Besoldung von 20 Maltern Korn, zwei Fudern Wein und jährlich einem neuen Kleid vor den äußersten Nahrungssorgen. Welcher Art die Dienste gewesen sind, die Gutenberg dem Erzbischof geleistet hat, wissen wir nicht, doch scheint sich die Belohnung keineswegs auf die Erfindung der Buchdruckerkunst zu beziehen, sondern auf persönliche Dienstleistungen.

Nun war auch die irdische Pilgerzeit des vielgeprüften, rastlosen Erfinders bald abgelaufen. Ein letztes Schriftstück vom 24. Februar 1468 enthält die Erklärung, daß der Erzbischof den Dr. Konrad Humery im Besitz der Druckerei des verstorbenen Johann Gutenberg gelassen habe. Auf Grund dieser Urkunde nimmt man 1468 als das Todesjahr Gutenbergs an, allerdings wieder mit dem Vorbehalt, daß die fragliche Urkunde echt ist. Die Ueberlieferung erzählt ferner, daß Gutenberg in seinen letzten Lebensjahren infolge der Ueberanstrengung seiner Augen erblindet gewesen sei; doch ist auch diese Nachricht nicht erwiesen.

Im ganzen schwebt das Bild des Mannes, dem die Welt eine der größten Erfindungen verdankt, in nebelhafter Ferne. Hätte er seinen Namen auf einem Druckwerke genannt, so wäre aller Streit und aller Zweifel gehoben. Warum er dies nicht that, ist und bleibt eins der großen Räthsel, die den merkwürdigen Mann in seinem ganzen Thun umgeben. Man hat nach Erklärungen für sein räthselhaftes Schweigen gesucht und glaubt annehmen zu können, daß er sich deshalb nicht als Drucker und Verleger nannte, weil er tief verschuldet war und seinen Gläubigern durch Namensnennung keine Handhabe zu Pfändungen bieten wollte. Ist diese Annahme richtig, so hat Gutenberg allerdings eines der herbsten Erfinderlose gezogen. Nachdem er sein Vermögen dem großen Gedanken geopfert hatte, um ihn zur That zu machen durfte er sich nicht einmal als Vater dieser That, nicht einmal als Schöpfer eines Druckwerkes und als Erfinder der vielgepriesenen Buchdruckerkunst nennen. Seine Nachahmer sonnten sich in den Erfolgen, welche dem Meister gebührten, und er, der verschuldete, von seinen Gläubigern verfolgte Gutenberg, mußte seinen eigenen Namen verleugnen, mußte den Aufdruck desselben auf seine Druckwerke unterlassen, um diese nicht als Pfandgut an die Gläubiger ausliefern zu müssen! Und dabei pries ihn sein Zeitgenosse Wimpheling als den „glücklichen Johannes, durch dessen Erfindung Deutschland in allen Ländern Preis und Lob erntet!“ –

Die Erstürmung von Mainz durch Adolf von Nassau hatte, wie oben schon gesagt, die Zerstreuung der dortigen

Druckergehilfen zur Folge. Gewaltsam aus der Stadt vertrieben,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 498. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_498.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)