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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Buchdruckerkunst ist. Dies wird von vielen seiner Zeitgenossen sowohl von Deutschen wie auch Italienern und Franzosen einstimmig bestätigt; ebenso, daß die Buchdruckerkunst in Mainz erfunden würde. Alle Versuche, die Erfinderehre einem andern zuzuerkennen, haben nur zur schärferen Prüfung des Urkundenmaterials und dadurch zur unanfechtbaren Anerkennung Gutenbergs geführt.

Abbildung 3. Anfang der 42zeiligen Bibel

Niemand wird in Zukunft mehr wagen, ihm und seinem Volke die Ehre der Erfindung streitig zu machen. Wenn als Erfindungsjahr 1440, angegeben wird, so geschieht das, wie schon angedeutet, mit einer gewissen Willkür. Die Erfindung Gutenbergs lag nicht in einem Monate, auch nicht in einem Jahre fertig vor, sondern sie erforderte zu ihrem allseitigen Ausbau eine ganze Reihe von Jahren, und man wäre demnach ebenso berechtigt, jedes andere Jahr zwischen 1440 und 1450 als Erfindungsjahr anzugeben. Thatsache ist, daß die Erfindung im Laufe dieser zehn Jahre vollendet wurde. Wie dies geschah, mit welchen Hindernissen, welchen Anstrengungen, welcher peinlichen Geldnoth Gutenberg zu kämpfen hatte, müssen wir aus den Umständen mehr errathen, als daß uns urkundliche Aufklärung würde. Es ist eine eigenthümliche Ironie des Schicksals, daß der Mann, welcher Papier und Pergament mit Hilfe des Bleibuchstabens mittheilsam machte, welcher das tausendzüngige Mittel des Weltverkehrs schuf, von tiefem Schweigen umhüllt in das Grab sank, über seine Erfindung, seine Riesenleistung selbst keinen aufklärenden Buchstaben hinterließ und der Nachwelt als ein verschleiertes Bild erscheint, umhüllt vom Nebel vierhundertjähriger Zeitferne. Doch daß er den Kampf aller Erfinder gegen die Mißgunst der Verhältnisse geführt, daß er ein sorgenschweres Leben durchmessen hat, ist ziemlich zweifellos. Er war der Vater eines großen Gedankens, der ihm zum Schmerzenskinde wurde, ihn unablässig verfolgte und zur That trieb, zur That, die ihm wohl Unsterblichkeit sicherte, ihm während seiner Lebenszeit jedoch auch manche sorgenvolle Stunde bereitete.

Ueber die eigentliche Erfindung Gutenbergs sind noch vielfach irrige Meinungen verbreitet. Er erfand nicht die Kunst des Buchdrucks, der mechanischen Schriftvervielfältigung überhaupt, sondern er erfand nur eine brauchbare, vollkommene Art dieser Vervielfältigung. Bücher und Bilder wurden schon lange vor Gutenberg gedruckt, doch nur von Holzplatten und ohne Anwendung einer geeigneten Presse. Gutenberg vervollkommnete die Technik, indem er erstens bewegliche, zusammensetzbare Lettern erfand und zweitens eine Presse, mit deren Hilfe schneller und schöner gedruckt werden konnte als mit Anwendung des alten Reibverfahrens.

Der Holztafeldruck, von dem Abbildung 1 eine Probe zeigt, bot nur ein sehr beschränktes Hilfsmittel, und umfangreiche Bücher mußten durch Abschreiben vervielfältigt werden. Diese mühsame Art der Vervielfältigung genügte wohl in der frühesten Zeit des Mittelalters, als die Nachfrage nach Büchern weniger stark war, aber sie genügte nicht mehr, als mit Anbruch des humanistischen Zeitalters ein neuer Geist durch das wissenschaftliche Leben fluthete. Das jung Geschlecht verlangte nach Belehrung, nach billigen, guten Büchern. Ein praktisches Vervielfältigungsverfahren war Bedürfniß geworden, die Erfindung desselben wurde vom Zeitgeist gefordert, und es fehlte nur noch der Mann, welcher technischen Scharfsinn mit glücklicher Erfindergabe vereinigte, um die Forderung zu erfüllen.

Dieser Mann erstand in Gutenberg. Der Grundgedanke, den er zur Ausführung brachte, lag ziemlich nahe. Neben dem Holztafeldruck war nämlich auch der Stempeldruck bekannt; man schnitt auch schon einzelne Zeilen in Holz und druckte diese als Ueberschriften; ferner ist nachgewiesen, daß die Schönschreiber einzelne Anfangsbuchstaben in die Handschriften eindruckten und dann ausmalten, ja, daß sogar gewöhnliche Schrift

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_493.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)