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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

zu bezeugen schienen. Das streifte an Landesverrath, wie das Verhältniß zur Prinzessin an Hochverrath. König Friedrich beschloß, den jungen Trenck auf längere Zeit unschädlich zu machen, ließ ihn verhaften und, ohne Kriegsgericht, durch eine Husareneskorte auf die Festung Glatz bringen. Merkwürdigerweise hatte der Vetter Franz fast um dieselbe Zeit das gleiche Schicksal; er wurde beschuldigt, in der Schlacht bei Soor das preußische Lager geplündert, das Zelt- und Silbergeräth des Königs mit fortgeschleppt zu haben, statt den Preußen in den Rücken zu fallen und so ihren Sieg zu hindern. So wurde er vor ein Kriegsgericht gestellt und in einen langwierigen Prozeß verwickelt.

Die Schilderungen , welche uns Trenck von dem Leben in der Festung Glatz entwirft, zeigen die damaligen militärischen Verhältnisse Preußens in einem eigenthümlichen Lichte: die große Mehrzahl der Offiziere ist bei den Fluchtversuchen, welche Trenck unternimmt, mit im Komplott, und zwar durch Geld bestochen, denn seine hohe Gönnerin war nach wie vor von größter Freigebigkeit und sie stand mit ihm durch Vermittlung eines Offiziers in Verbindung. Eine Erklärung für diesen auffälligen Mangel an Disciplin mag man darin suchen, daß die meisten Offiziere der Garnison zur Strafe von den Feldregimentern dorthin versetzt und daher unzufrieden und mißvergnügt waren.

Drei höchst abenteuerliche Versuche, aus der Festung zu entkommen, machte der verwegene Arrestant mit Hilfe befreundeter Offiziere; aber erst der dritte sollte ihm glücken. Das erste Mal durchschnitt er, nachdem vorher in der Stadt Glatz eine Zuflucht gesichert worden war, mit einem schartig gemachten Federmesser drei dicke eiserne Stangen, weitere fünf mit einer Feile, die ihm ein Offizier verschafft hatte; dann schnitt er sein ledernes Felleisen in Riemen, nähte diese mit einem aufgelösten Zwirnstrumpf zusammen, nahm sein Bettlaken zu Hilfe und ließ sich von erstaunlicher Höhe glücklich herunter. Die Nacht war finster; alles ging nach Wunsch; da mußte er durch die Senkgrube einer öffentlichen Kloake wandern; hier blieb er stecken, konnte nicht weiter mit dem Aufgebot aller Kräfte und rief zuletzt der Schildwache auf der Schanze zu, sie möchte dem Kommandanten melden, der Trenck stecke hier und könne nicht fort. Der Kommandant, General Fouqué, ließ ihn möglichst lange in der tragikomischen Lage, bis er dann herausgezogen und, mit Schmutz bedeckt, in sein Gefängniß zurückgeführt wurde.

Fridrich Freyherr von der Trenck
K K Major der Cavall. in seiner 10 Jährigen Gefängnis und 68 Pfündigen Fesseln in Magdeburg.
J. E. Mansfeld delin / H. J. Finningh sculp. Berol. 1787. N. 16.[1]

Noch abenteuerlicher und fast unglaublich erscheint die Geschichte des zweiten Fluchtversuchs. Der Platzmajor kam in Trencks Gefängniß, begleitet von seinem Adjutanten, untersuchte alle Winkel und ließ sich mit Trenck in eine Unterredung ein. Auf Trencks Frage, auf wie lange ihn der König verurtheilt habe, erwiderte der Major, ein Verräther des Vaterlandes, der mit dem Feinde korrespondirt, habe keine bestimmte Zeit der Strafe; er müsse auf die Gnade des Königs rechnen. Da riß Trenck ihm den Degen von der Seite, sprang zur Thür hinaus, warf die erschrockene Schildwache die Treppe hinunter, stürzte mit dem Degen in der Faust auf die gerade unter dem Gewehr stehende Wache am Stockhausthore zu, hieb rechts und links um sich, verwundete vier Mann, lief mitten hindurch, sprang auf die Brustwehr des Hauptwalls und von der gewaltigen Höhe hinunter, ohne sich Schaden zu thun; ebenso sprang er von dem zweiten niedrigeren Wall hinab. Niemand hatte ein geladenes Gewehr, niemand wollte nachspringen. Aber bei einem Außenwerk traten ihm die Schildwachen entgegen. Die eine verwundete er; als er aber über die Palissaden springen wollte, blieb er mit dem Fuße zwischen denselben stecken. So wurde er festgehalten, mit Kolbenstößen mißhandelt und in sein Gefängniß zurückgebracht.

Endlich gelang es Trenck, einen der wachthabenden Offiziere, einen Lieutenant von Schell, ins Komplott zu ziehen. Infolge eines Mißverständnisses glaubten sie, daß die Sache verrathen sei; da machte sich Lieutenant Schell alsbald mit Trenck auf den Weg, um an die äußersten Außenwerke zu kommen. Jetzt aber begegnet ihnen ein Major, sie springen den Wall hinunter, der hier nicht sehr hoch war, doch Schell verletzt sich den Fuß und kann nicht weiter. Trenck trägt ihn auf seinen Schultern fort. Die Lärmkanone ertönt . . . doch ein trüber Nebel verhüllt Stadt und Festung und kommt den Flüchtlingen zu statten. Trenck watet durch die Neisse, sein Freund hält sich an seinem Haarzopfe fest. Hier in der Richtung nach Schlesien hin sucht niemand die Deserteure. Sie gehen nun eine halbe Stunde die Neisse entlang, bis sie die nächsten Dörfer hinter sich haben; dann bemächtigen sie sich eines Fischerkahns, kommen so ans andere Ufer und nach mancherlei Gefahren und Abenteuern glücklich nach Braunau in Böhmen.

Die weiteren Fahrten der beiden Flüchtlinge, die ohne alle Mittel in einem kläglichen Aufzug durch die österreichischen Lande und dann durch Polen wanderten, hat Trenck in einem Tagebuche aufgezeichnet; es sind Abenteuer, wie sie in keinem Schelmen- und

  1. Dem obenstehenden Bilde, das wir faksimilirt wiedergeben, hat Friedrich von der Trenck selbst folgende „Erklärung“ beigefügt:
    a. Das handbreite Eisen um den Hals, worin die ganze Kettenlast hing und die ich Tag und Nacht mit einer Hand in die Höhe halten mußte, weil die Last die Nerven am Halse klemmte.
    b. und e. Zwei Schellen über dem Ellenbogen, welche hinterwärts mit einer Kette am Halseisen befestigt waren.
    NB. Diese habe ich nicht 4 Wochen getragen. Sie wurden mir abgenommen, da ich krank ward.
    d. Ein eiserner breiter Ring um den Leib, wo in h eine Kette befestigt war, die bei g auf der Handstange auf und ab lief.
    e und f. Die zwei Handschellen, welche so, wie sie hier gezeichnet sind, an einer zwei Schuh langen, einen Zoll dicken eisernen Stange g angeschmiedet waren, so daß ich nur die Spitzen der Finger zusammenbringen konnte.
    i. Ein eiserner Ring in der Mauer, an welchem ich angeschmiedet war.
    k und m. Dreifache leichtere Ketten, die alle in einem großen Ringe in l am rechten Fuße zusammenkamen und eine ungeheure Last verursachten.
    n. Mein Leibstuhl, auf dem ich sitzen konnte.
    o. Mein Wasserkrug.
    p. Mein Leichenstein mit dem eingehauenen Todtenkopfe und meinem Namen Trenck. Unter diesem sollte ich begraben werden, nachdem er mir 10 Jahre lang zum Bette gedient hatte.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 481. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_481.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)