Seite:Die Gartenlaube (1890) 421.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Halbheft 14.   1890.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Jahrgang 1890.      Erscheint in Halbheften à 25 Pf. alle 12–14 Tage, in Heften à 50 Pf. alle 3–4 Wochen vom 1. Januar bis 31. Dezember.


Madonna im Rosenhag.
Roman von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)


Wie eine unschätzbare Wohlthat empfand Marie die eigenartigen Zerstreuungen, welche ihr die nächsten Tage brachten.

Ein großes, gesellschaftliches Ereigniß war es, das seine Schatten vorauswarf – ein Ereigniß, welches ganz danach angethan war, den Sinn und die Zeit der jungen Damen ausschließlich in Anspruch zu nehmen.

Eine furchtbare Ueberschwemmung hatte die östlichen Theile des Landes heimgesucht, hatte grauenhafte Verwüstungen angerichtet, Tausende und Abertausende ihrer geringen Habe beraubt und ihnen auf Jahre hinaus die Möglichkeit genommen, dem verschlickten und versandeten Boden aufs neue die Mittel zur Erhaltung ihres Daseins abzuringen.

Wohl lieferten die minder hart betroffenen Ortschaften der so schwer geprüften Provinzen sofort die herrlichsten und erhebendsten Beweise werkthätiger Menschenliebe, wohl leisteten die Staatsbehörden an erster, schleuniger Hilfe alles, was ihre verfügbaren Mittel ihnen gestatteten, und der Landesherr selbst spendete ohne Zögern aus seinen Privatmitteln eine sehr bedeutende Summe. Aber das alles war nicht viel mehr, als eine Rettung der Obdachlosen, der Hungernden und Frierenden vor dem unmittelbaren Verderben – eine wirkliche, nachhaltige Hilfe vermochten bei der unabsehbaren Größe des Elends solche Beträge nicht zu gewähren. Dazu bedurfte es einer Aufwendung von Millionen, und ein einziger lauter Hilfeschrei hallte durch die ganze gesittete Welt, um diese Millionen zu beschaffen.

So weit das geschriebene und das gedruckte Wort über die bewohnte Erde zu dringen vermochte, thaten sich überall die Herzen auf wie die Hände. Und der Geldschrank des Reichen wie das magere Beutelchen des Armen – die sicher versteckte Kassette des Geizigen wie die Sparkasse des Kindes – sie alle spendeten ihr Scherflein zu der großen Liebesgabe, die man den Heimgesuchten reichte.

Daß die Hauptstadt des Reiches die Führung der großen Wohlthätigkeitsbewegung übernehmen mußte, war bei der Lage der Verhältnisse von vornherein selbstverständlich, und wenn bei einem solchen einmüthigen Zusammenschlagen aller warmfühlenden Herzen auch von irgend welchen Unterscheidungen nach Rang und Stand nicht die Rede sein konnte, so ersann man doch neben der Betheiligung an den allgemeinen Sammlungen, bei denen der Name eines Fürsten oft neben denjenigen eines schlichten Handwerkers zu stehen kam, in den einzelnen Gesellschaftskreisen

Emin Pascha.
Nach der neuesten Aufnahme in Sansibar.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_421.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)