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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

eine Möglichkeit. Die Nachricht muß über die Bergpässe, die vom Feinde besetzt sind, auf diesem Wege kann sie im Nothfalle morgen vormittag zur Stelle sein, aber der Weg –“

„Den kenne ich,“ fiel Hartmut ein. „Mein Regiment hat ihn erst vor vierzehn Tagen gemacht, als wir hierhermarschirten. Die Pässe waren ja damals noch frei.“

„Um so besser! Du mußt natürlich die Uniform ablegen, die Dich verräth.“

„Ich wechsle nur Mantel und Helm. Werde ich überhaupt angehalten, so bin ich doch verloren; es handelt sich einzig darum, daß ich im Vorbeijagen nicht erkannt werde. Wenn nur ein tüchtiges, ausdauerndes Pferd zu schaffen ist.“

„Das ist bereits zur Stelle, ich habe meinen Araber, meinen Sadi mitgebracht. Du kennst ihn ja und hast ihn oft geritten. Er fliegt wie ein Vogel, und in dieser Nacht soll er sein Meisterstück leisten.“

Die Reden wurden in stürmischer Eile gewechselt, jetzt zog der Fürst die Papiere hervor, welche er im Hauptquartier erhalten hatte.

„Hier ist der Befehl des kommandirenden Generals, der Dir alles zur Verfügung stellt, sobald Du unsere Posten erreicht hast, hier die Depesche. Gönne Dir noch eine halbe Stunde der Erholung, sonst reicht Deine Kraft nicht aus und Du brichst auf dem Wege zusammen.“

„Glaubst Du, daß ich jetzt noch Ruhe und Erholung brauche?“ rief Hartmut aufflammend. „Jetzt breche ich sicher nicht zusammen, es müßte denn unter den Kugeln der Feinde sein! Ich danke Dir, Egon, für diese Stunde, in der Du mich endlich, endlich freisprichst von dem schmählichen Verdacht!“

„Und in der ich Dich in den Tod hinaussende!“ sagte der Fürst leise. „Wir wollen uns die Wahrheit nicht verhehlen – es wäre ein Wunder, wenn Du glücklich durchkämst.“

„Ein Wunder?“ Hartmuts Blick streifte den Altar, den der matte, zitternde Mondesstrahl erhellte. Er hatte längst das Beten verlernt, und doch stieg in diesem Augenblick ein heißes, stummes Angstgebet zum Himmel empor, zu der Macht, die Wunder thun kann: „Nur so lange, bis ich den Vater und die Seinen gerettet habe, nur so lange schütze mich!“

Schon in der nächsten Sekunde richtete er sich auf. Es war, als habe Egon mit seiner Nachricht glühende Lebenskraft in die Adern des Mannes gegossen, der eben noch der Kälte und der Erschöpfung zu erliegen drohte.

„Und nun laß uns hier Abschied nehmen!“ flüsterte Egon. „Leb’ wohl, Hartmut!“

Egon breitete die Arme aus und Hartmut stürzte an seine Brust. In dieser Umarmung versank alles, was trennend zwischen ihnen gestanden hatte, die alte heiße Liebe brach wieder mächtig hervor, zum letzten Male, denn sie fühlten es beide, daß sie sich nicht wieder sehen würden, daß dies ein Abschied für immer war. –

Kaum eine Viertelstunde später jagte ein Reiter davon. Der schlanke Araber flog, so daß seine Hufe kaum den Boden zu berühren schienen; in rasendem Galopp ging es vorwärts, über den schneebedeckten Boden, durch eisstarrende Wälder, über gefrorene Bäche – hinein in die Bergpässe!

(Schluß folgt.)




Zwei neu entdeckte schwäbische Tropfsteinhöhlen.
Geschildert von Karl Gußmann. Mit Zeichnungen von A. Schmierer.


Gutenberg. 

„Halt! klang’s da nicht hohl?“ rief einer der Arbeiter. Man hob die Lampe ab, welche von der Wand herabhing und das Dunkel des gewaltigen Höhlenraumes, in dem die Arbeiter beschäftigt waren, nur nothdürftig erhellte.

Ein paar kräftige Schläge mit dem Pickel, die scheinbare Felswand splitterte in klingende, scherbenartige Stücke, aus schwarzgähnender Oeffnung drang urplötzlich ein starker Luftstrom, der die Lichter auszulöschen drohte, und – die schönste Höhle des höhlenreichen Schwabenlandes war gefunden.

Wie viele Wanderer werden künftig dem Gebirgsthal der schwäbischen Alb zuwandern, das sich zwischen der herzoglichen Teck und dem stolzen Hohenneuffen breit ins Neckarthal öffnet, dem reizvollen Lenninger Thal! Durch saubere Dörfer geht’s an der rauschenden Lauter hin, bis die fels- und burggekrönten Berge sich näher und näher zusammenschieben und das Thal dicht über dem wundervoll gelegenen Gutenberg in der machtvollen Felsschlucht der „Pfulb“ seinen Abschluß findet. Links von diesem Thalende, im kurzen schluchtartigen Tiefenthal, zeigt sich dem Wanderer hoch oben am weißen Felsenkranz die Oeffnung der Gutenberger Höhle. Ein prächtiger Weg führt durch den grünen Buchenwald in langsamer Steigung zum Portal.

In der ersten Halle, dem schon vorher bekannten „Heppenloch“, erlabt sich das Auge an der überaus lieblichen Thalsicht; dann geht’s bei Magnesiumschein zur zweiten Halle, dem Fundorte zahlreicher Fossilien und feuersteinartiger, roher Werkzeuge, für die Kenntniß des ältesten Europamenschen von hervorragender Bedeutung. Fünfzehn Meter unter dem Höhlenlehm, der die ganze Halle bis zur Wölbung ausfüllte, lag die felsharte Masse mit den eingebackenen Knochenresten, zum theil 3 m hoch und 2 m breit; und gerade als man mit der Förderung dieses Schatzes beschäftigt war[1], erfolgte jener Durchschlag, der zur Fortsetzung der Höhle führte.

So mußten also die Nashörner der grauen Vorzeit, deren gewaltige

  1. Im Dezember 1889. Die Ausgrabungen waren von Medizinalrath Dr. Hedinger-Stuttgart und Pfarrer K. Gußmann-Gutenberg unternommen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_413.jpg&oldid=- (Version vom 13.2.2021)