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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


ganz meinen Gütern zu widmen, besonders meinem Rodeck. Es soll da ein Umbau stattfinden. Stadinger hat mir bereits darüber geschrieben, aber ich hielt eine persönliche Besichtigung doch für nothwendig.“

„Wegen der Schornsteine?“ fragte Schönau verwundert. „Stadinger meinte, die Kamine im Schlosse hätten im Winter geraucht und er wolle einen neuen Schornstein bauen.“

„Was weiß denn Stadinger davon!“ rief Egon, ärgerlich darüber, daß sein alter „Waldgeist“ ihm schon wieder mit seiner unbequemen Wahrheitsliebe dazwischen kam. „Ich habe sehr großartige Verschönerungspläne – ah, da sind wir schon am Ziel!“

Er setzte sein Pferd in schärferen Trab und der Oberforstmeister folgte seinem Beispiel, denn Ostwalden lag in der That vor ihnen. Der große Umbau, mit dem der verstorbene Wallmoden es zu einem Prachtsitze umschaffen wollte, war allerdings unterblieben; aber das alte, epheuumrankte Schloß mit den beiden Seitenthürmen und dem schattigen, wenn auch ein wenig verwilderten Park hatte etwas ungemein Malerisches. Die jetzige Herrin beabsichtigte, wie man hörte, eine Veränderung so wenig wie einen Verkauf. Für eine Erbin des Stahlbergschen Vermögens kam es auch in der That nicht darauf an, ob sie einen Landsitz mehr oder weniger zu ihrer Verfügung hatte.

Die Herren vernahmen bei ihrer Ankunft, daß Frau von Wallmoden im Park, Frau von Eschenhagen dagegen in ihrem Zimmer sei. Der junge Fürst ließ sich bei der Dame des Hauses melden, während der Oberforstmeister zunächst seine Schwägerin aufsuchte, die er seit dem Winter nicht gesehen hatte. Er schritt nach ihrer Wohnung und trat ohne weiteres bei ihr ein.

Ungelehriger Zögling.
Nach einem Gemälde von Carl Voß.

„Da bin ich!“ sagte er in seiner gewohnten formlosen Art. „Ich brauche mich wohl nicht erst anmelden zu lassen bei meiner Frau Schwägerin, obgleich sie mich und mein Haus in Acht und Bann gethan zu haben scheint. Weshalb bist Du nicht mitgekommen, Regine, als Adelheid vorgestern nach Fürstenstein fuhr? An den Vorwand, den sie mir in Deinem Namen vermeldete, glaube ich natürlich nicht, und nun bin ich in der Hitze zwei Stunden lang geritten, um mir eine Erklärung auszubitten.“

Regine reichte ihm die Hand. Sie hatte sich äußerlich nicht verändert in den sechs oder sieben Monaten, sie war noch dieselbe kraftvoll derbe Erscheinung mit ihrem entschiedenen Auftreten; aber die frühere trotz aller Derbheit doch so gewinnende Heiterkeit in ihrem Wesen war verschwunden. Wenn sie es auch um keinen Preis zugab – man sah es doch, wie sie darunter litt, daß ihr einziger Sohn, dem bis dahin der Wille und die Liebe seiner Mutter das Höchste gewesen waren, sich ihr so vollständig entfremdete.

„Ich habe nichts gegen Dich, Moritz,“ versetzte sie. „Ich weiß es ja, daß Du mir die alte Freundschaft bewahrt hast trotz allem, was man Dir und Deiner Tochter anthat; aber Du mußt doch einsehen, daß es mir peinlich ist, wieder nach Fürstenstein zu kommen.“

„Etwa wegen der aufgehobenen Verlobung? Darüber kannst Du Dich füglich trösten. Du hast es ja damals selbst gesehen und gehört, wie gemüthlich Toni die Sache nahm. Sie gefiel sich in der Rolle eines Schutzengels entschieden besser als in der einer Braut, und sie hat inzwischen ja auch einige Male brieflich versucht, Dich umzustimmen, ebenso wie ich. Leider hatten wir beide keinen Erfolg damit.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_373.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)