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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


Majoratsherr bekam vollauf Gelegenheit, zu zeigen, daß seine erwachende Selbständigkeit und seine Liebe nicht nur flüchtige Aufwallungen gewesen waren. Wohl versuchte er alles, um die Mutter umzustimmen, als es aber nicht gelang, da zeigte auch er den gleichen Trotz, und Mutter und Sohn hatten sich seit Monaten nicht mehr gesehen.

Noch war allerdings seine öffentliche Verlobung mit Marietta nicht erfolgt. Er glaubte seiner früheren Braut und deren Vater die Rücksicht schuldig zu sein, der ersten aufgehobenen Verbindung nicht sofort eine zweite folgen zu lassen. Ueberdies war Marietta durch ihren Vertrag noch volle sechs Monate an das Hoftheater gefesselt, und da ihre Verlobung vorläufig noch Geheimniß blieb, so war eine frühere Lösung dieser Verpflichtungen nicht zu erreichen gewesen. Das junge Mädchen kehrte erst jetzt in das Haus des Großvaters zurück, wo auch Willibald erwartet wurde. Frau von Eschenhagen wußte selbstverständlich nichts davon, sonst hätte sie schwerlich eine Einladung angenommen, die sie in die Nähe von Waldhofen brachte.

Der Tag war sonnig und heiß gewesen, erst die späteren Nachmittagsstunden brachten einige Kühlung, aber die Fahrstraße nach Ostwalden war größtentheils schattig, da sie durch die Rodecker Forsten führte. Auf dieser Straße trabten zwei Reiter dahin, der eine, in grauer Joppe und Jägerhut, war der Oberforstmeister von Schönau, der andere, eine schlanke, jugendliche Gestalt in einem sehr gewählten Sommeranzuge, der Fürst Adelsberg. Sie hatten sich zufällig auf dem Wege getroffen und bei der Begrüßung erfahren, daß sie beide das gleiche Ziel hatten.

(Fortsetzung folgt.)




Johann Nepomuk von Nußbaum.

Wenn man die Namen der bedeutendsten Aerzte und Chirurgen der Gegenwart aufzählt, muß wohl Geheimrath und Universitätsprofessor Dr. von Nußbaum zu München, dessen Ruhm weit über die Grenzen von Deutschland gedrungen ist, in vorderster Reihe genannt werden.

In Nachstehendem wollen wir versuchen, mit kurzen Strichen das Bild des Lebens und Wirkens des Mannes zu entwerfen, dem die ärztliche Wissenschaft so viel verdankt, und der sein Dasein unablässig dem Wohle der Menschheit weiht.

Geboren am 2. September 1829 zu München, bezog Nußbaum 1849 die Universität seiner Vaterstadt, um sich nach philosophischer und naturwissenschaftlicher Ausbildung der Heilkunde zu widmen. Auf Grund tüchriger anatomisch-physiologischer Studien erlangte er ausgezeichnete chirurgische Kenntnisse, die er an den Universitäten Würzburg und Berlin erweiterte, und zu deren praktischer Ausübung ihm 1851 als Assistent im Dr. Haunerschen Kinderspitale, dann von 1852 ab auf der chirurgischen Abtheilung des allgemeinen Krankenhauses zu München, sowie durch seine rasch angebahnte Privatpraxis reichliche Gelegenheit geboten war. 1853 verfaßte er eine Abhandlung über künstliche Hornhaut, der er 1855, in welchem Jahre er promovirte, eine größere Arbeit über Hornhauttrübungen folgen ließ. 1857 habilitirte er sich als Privatdocent an der Universität München für Chirurgie und Augenheilkunde; auch wurde ihm um diese Zeit die Stelle als operirender Arzt in dem oben genannten Kinderspitale übertragen, woselbst er zahlreiche Operationen aller Art mit meist glücklichem Erfolge ausführte. Nachdem er Ende Dezember 1859 eine Berufung an die Hochschule Zürich abgelehnt hatte, wurde er anfangs 1860 zum ordentlichen Professor der Chirurgie zu München ernannt und mit der Leitung der chirurgischen und der damals noch damit verbundenen Augenklinik betraut.

Johann Nepomuk v. Nußbaum.

Seitdem unermüdlich thätig, erwarb er sich durch seine glänzenden Eigenschaften als Arzt und Operateur, durch Forschungen auf dem Gebiete seiner Wissenschaft und durch seine anregenden, geistsprühenden und dabei theoretisch wie praktisch höchst lehrreichen Vorträge im Hörsale und am Krankenbette den Ruhm als Chirurg und Kliniker ersten Ranges. Hiermit verbindet er vermöge seiner idealen Auffassung der Heilkunde, die der Philosoph Schelling als die Krone und Blüthe aller Naturwissenschaften bezeichnet, die größte Humanität, und er bethätigt in seiner Person den von Galenus aufgestellten Satz, daß nur der das Ziel der Wissenschaft erreichen kann, welcher sie erlernt, um ein Wohlthäter der Menschheit zu werden. Wer Nußbaum je auf seinen Gängen durch die Krankensäle begleitet oder ihn sonst in seiner Berufsthätigkeit beobachtet hat, konnte wahrnehmen, wie außerordentlich liebevoll er auf das Wohl seiner Patienten ohne Unterschied des Standes bedacht und für deren Bedürfnisse besorgt ist. In seinem Ordinationszimmer drängt sich täglich während der Sprechstunden eine große Anzahl unbemittelter Kranker, welchen er, obwohl mit Berufsgeschäften überhäuft, Zeit und Arbeitskraft opfert und denen er häufig auch Verbandstoffe, orthopädische Apparate, Arzneien und Lebensmittel spendet.

Schreiber dieser Zeilen war Zeuge, wie Nußbaum zur Weihnachtszeit arme Pfleglinge in seiner Privatheilanstalt und im Kinderspitale aufs freigebigste mit Erquickungen, Kleidungsstücken, Unterhaltungsbüchern und allen möglichen Spielsachen beschenkte, die er in seinem Wagen und in seinen weiten Taschen mitgebracht hatte. Ohne den Dank abzuwarten für die Freude, die er bereitet hatte, fuhr dann der Vielbeschäftigte wieder davon.

Leute aus den verschiedensten, den höchsten wie den niedersten Gesellschaftskreisen, welche mit dem edlen Manne in nähere Berührung kamen, rühmen seine seltene Herzensgüte, seine Uneigennützigkeit und seine bis zur Selbstverleugnung gehende Bescheidenheit. Durch sein allzeit liebenswürdiges Entgegenkommen hat er sich die unbegrenzte Verehrung und Zuneigung seiner Fachgenossen und Schüler erworben, durch seine werkthätige Betheiligung an allen menschenfreundlichen Bestrebungen und seine Bereitwilligkeit, jedem zu nützen, die Liebe der ganzen Bevölkerung seiner Vaterstadt gewonnen.

Nur kurze Zeit unterbrach Nußbaum im Jahre 1866 die Friedensthätigkeit, um seinen unter den Waffen stehenden Mitmenschen seine Dienste zu widmen. Bei Beginn des Feldzuges veröffentlichte er „Vier Briefe an seine in den Krieg ziehenden ehemaligen Schüler“, welche die Grundsätze der damaligen Kriegschirurgie enthalten. Er selbst eilte nach dem Gefechte von Kissingen auf den Kriegsschauplatz und übernahm aus den dortigen Spitälern eine größere Anzahl Schwerverwundeter, die er durch geeignete Verbände beförderungsfähig machte und dann in fünfzehn von ihm zweckmäßig eingerichteten Wagen nach München verbrachte, um daselbst ihre weitere Behandlung zu besorgen.

Eine ungleich größere Thätigkeit entfaltete Nußbaum im deutsch- französischen Kriege, in welchem er vom Ausmarsche an dem Führer des 1. bayerischen Armeecorps General von der Tann als Oberstabsarzt beigegeben war; an dessen Seite hat er mit eiserner Ruhe und Unerschrockenheit an allen Schlachten und Gefechten theilgenommen. Rastlos arbeitete er im Wetteifer mit den Militärärzten auf den Verbandplätzen und in den Feldspitälern, in denen er als konsultirender Arzt wirkte.

Augenzeugen wissen zu erzählen, wie er in den Tagen von Sedan, keine Ruhe sich gönnend, zu Remilly und in dem in Brand geschossenen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_353.jpg&oldid=- (Version vom 14.8.2022)