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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

sie aber nicht unberührt gelassen, so daß sie nun, völlig in ihrer inneren Einrichtung umgewandelt, eine auch für anspruchsvollere Touristen recht behagliche Unterkunft gewähren können. Leider ist die Reihe der Tage, da es sich fröhlich leben läßt in diesen Behausungen, gar kurz; bald tanzen die weißen Schmetterlinge des Winters ihren wilden Reigen auf den Bergen, und dann wird’s dem armen Gebirgsbewohner, der da oben ausharren muß, zuweilen recht schwer, den Gleichmuth zu bewahren. Seine Hütte, die eisiger Sturm mit zornigem Geheul umbraust, liegt verschneit bis über die Fenster, durch die Thür kann er nicht mehr hinaus, er muß durch das Dach oder durch einen Stollen, wie ihn die Bergleute bauen, ins Freie zu gelangen suchen. Und wenn nun gar ein Mitglied der Familie in dieser Zeit stirbt, da ist des Elends kein Ende. Der Abgeschiedene kann nicht beerdigt werden, seine Ruhe auf dem Friedhofe nicht finden, bis es Frühling geworden ist.

Aber, wie rauh auch das Dasein des Baudenbewohners im fortwährenden Kampf mit den unfreundlichen Elementen sich gestalten mag, die Liebe zu seinen Bergen überwindet alles, das Schwerste und Bängste, und sie bleibt ihm unerschütterlich, unausrottbar bis zu seinem letzten Athemzuge. Er hadert mit seinem Geschick nicht. Er ist schlicht, bescheiden, genügsam und leicht zu harmlosem Frohsinn geneigt; er ist, damit ich’s richtig sage, der echte Urschlesier, wie er leibt und lebt.

Nach dieser kleinen Abschweifung wandere ich am Reifträger, an den Sau- und Quarksteinen, sowie an der Kesselkoppe vorüber nach der Grubenbaude, hinter der sich, wie ich gleich hinzufügen will, die Rübezahls- oder Teufelskanzel, eine mächtige Steinmasse, erhebt. Nachdem ich ersehnte Rast gehalten und meinem leiblichen Menschen Genüge gethan, schreite ich zur Besichtigung der Schneegruben, die zu den gewaltigsten und eigenartigsten Schöpfungen der Riesengebirgsnatur gehören. Es graut dem Blicke fast, sich hinabzusenken in diese wüsten, schauerlichen Abgründe, in denen oft der Schnee den ganzen Sommer lang liegen bleibt, und mancher Schönen, die dieser grausigen Steinwildniß gegenübertritt, klopft das kleine Herz angstvoll, als ob sich eine Geisterhand leise nach ihr ausstrecke, um sie hinab zu ziehen. Die Große Schneegrube, die von der Kleinen durch einen nackten Grat getrennt ist, hat mächtigere, seltsamer gestaltete, zerklüftetere Wände als diese, die nicht so steil abfällt und vermöge der in ihr wachsenden, farbenfrischen Pflanzen, die von Botanikern vielfach gesammelt und ihren Herbarien einverleibt werden, einen viel weniger wilden Eindruck macht. Sie ist übrigens wichtig durch eine geologische Merkwürdigkeit insofern, als eine ziemlich starke Basaltader in eine ihrer granitenen Wände eingesprengt ist.

Ein Abstecher, den ich von der Grubenbaude aus unternehme, führt mich alsdann zu dem großartigen Wasserfalle, den die jugendmuthige Elbe bildet. In kurzer Entfernung von ihrer steinumfaßten, von einem saftiggrünen Anger umgebenen Quelle stürzt sie 50 Meter hoch über wunderlich gezackte Felsblöcke wie in rasendem Zorn in den Elbgrund hinunter. In ihrem Laufe aufgehalten, verspritzt sie ihren weißen Gischt in langen Strähnen, kämpfend, ringend, tobend und brausend, bis sie in dem ausgewaschenen Granitgeröll, das ihr Bett bildet, endlich zur Ruhe kommt. Die waldlose, finster dreinschauende Umgebung verstärkt den Eindruck des Schauspiels in hohem Grade, das nur leider zu kurze Zeit den Beschauer fesselt. In der Nähe dieser Riesenkaskade befindet sich noch ein Wasserfall, der der Pantsche, der sogar 250 Meter erreicht, aber an Mächtigkeit weit hinter dem des schönen deutschen Stromes, der in Rübezahls Bergen entspringt, zurückbleibt.

Um den von der Elbe gebildeten Fall in seiner ganzen Großartigkeit und Schönheit würdigen zu können, muß man eigentlich aus dem romantisch reizvollen Grunde, den sie durchschäumt, emporsteigen. Diesen nach ihr benannten Elbgrund zu durchwandern, bietet einen überaus köstlichen Genuß. Es wechselt in ihm Nadel- und Laubwald in prächtigstem Farbengemisch. Zwischen düster ernsten, wie in Traum und beschauliches Nachsinnen versunkenen Tannen erhebt die Buche ihre glänzende Blätterkrone, recken der Ahorn und die Birke ihre Aeste, während unten auf dem feuchten, triebkräftigen Boden hoch aufgeschossene Farne ihre anmuthigen Fächer ausbreiten und manche liebliche Blume gedeiht. Der Grund ist von dem Krokonosch und dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_341.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)