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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

einbalsamirte Leiche hatte bis dahin in der sixtinischen Kapelle gestanden. Nach dem Abzuge der Seinen wäre sie jedenfalls schimpflich von dort entfernt worden. Als kostbare Bürde führten sie daher den Leichnam mit sich nach der Felsenfeste von Gaeta. Dort, in der kleinen Kapelle am Eingang der Citadelle, errichteten sie dem todten Feldherrn von ihrer Beute ein prächtiges Grabmal. Den künstlich gemeißelten Grabstein bedeckte ein goldenes Tuch mit dem Wappen der Bourbons, jedoch ohne den französischen Orden des h. Michael und das goldene Vließ. Darüber hing eine Fahne von gelbem Taffet, mit schwarzen und weißen Streifen, geflügelten, Flammenschwerter tragenden Hirschen und den Worten „Espérance, Espérance“ (Hoffnung) bestickt.

Aber die Rache Roms fand die Leiche des Gebannten auch in dem festen Gaeta. Das tridentinische Konzil ließ das Grabmal abbrechen und den Sarg in einem Gewölbe verstecken. Dort fand 150 Jahre später, also nach dem spanischen Erbfolgekrieg, der kaiserliche Gouverneur von Gaeta, Graf Prampero, die ausgedörrte Mumie. Eine rohbarockere Art als diejenige, in welcher dieser Haudegen nun seine Verehrung für die Ueberreste „eines früheren hohen Kameraden“ glaubte ausdrücken zu müssen, läßt sich nicht denken. In der vorhin erwähnten Kapelle ließ er 1719 einen Glasschrank anbringen, und in diesen stellte er – der scheußlichste und zugleich lächerlichste Anblick – das geschwärzte Skelett, dessen fehlende Kinnbacke durch eine hölzerne ersetzt war. Der Leichnam wurde dann völlig bekleidet, nicht etwa mit ritterlichem Schmucke, sondern mit der militärischen Stutzertracht damaliger Zeit. Den Schädel bedeckte, als Joh. G. Keyßler 1730 die Citadelle besuchte, ein Federhut nebst Allongeperücke, um die dürren Gebeine schlotterte ein blauer Rock mit silbernen Knöpfen; ein Stock, auf welchen die eine Knochenhand sich stützte, ein Degen nebst Schärpe, gelbe Stiefeln mit rothen Hacken und über dieselben herabhängende, spitzenbesetzte Strümpfe vervollständigten die unglaubliche Ausstattung. Zwei spanische Verse über dem Schrein, in denen der Todte selbst redend eingeführt wurde, zeichneten in Kürze das unruhige Leben des Bourbon, das ihn von Frankreich schließlich an diese Stätte gebracht hatte. Zur Seite des Schreins standen zwei gleichlautende weitläufigere Inschriften, italienisch und französisch, in welchen Graf Prampero nicht vergaß, sich als den Urheber dieses „Denkmals“ zu rühmen, das er errichtet, „um den Dienern des sehr gerechten Kaisers Karl VI. ein bewunderungswürdiges Beispiel zu gehen“, nämlich wie treue Dienste noch nach dem Tode kaiserlich belohnt werden.

Landsknechte auf dem Marsche.

Die Offiziere der Besatzung trieben ihre „Verehrung“ noch weiter; wenn ihnen bei ihren Gelagen der Wein die Köpfe erhitzt hatte, ließen sie sich den Schädel Bourbons aus der Kapelle holen, um aus demselben rundum Gesundheiten zu trinken. „Als aber dabei etliche Male Verdrießlichkeiten und Unglück unter den Zechern entstanden, ist solche Unordnung gänzlich untersagt worden.“ Wann die barbarische Ausstellung aufgehört hat, und was weiter mit den Ueberresten geschehen ist, habe ich nicht erforschen können.

So fand Karl von Bourbon, der Landflüchtige, vom Ehrgeiz Gehetzte, auch im Tode noch keine Ruhe; Feind und Freund vereinigte sich, ihn in seiner Gruft aufzustören, und die täppische Verehrung, welche ein Prampero ihm bezeigte, gestaltete sich geradezu zum Hohne, ganz entsprechend damit allerdings dem Ende, welches der Heerzug selbst genommen hatte, auf dessen Gelingen Bourbon nochmals alles gesetzt, um sich den Namen des Helden seiner Zeit zu ertrotzen, und der ihm den Tod gebracht. Und dieser Heerzug selbst war typisch für das ganze System, welches den Kriegsdienst auf das freie Belieben des einzelnen stellte. Der vergleichende Rückblick auf jene Zeit ist gerade gegenwärtig nicht ohne ganz besonderen Werth.




Der Pfingstlotter.
Eine Skizze aus dem steirischen Volksleben von P. K. Rosegger.


Warum sie sich doch gar so feind waren, die zwei jungen Leute! Sie lebten nicht beisammen, sie waren nicht miteinander verwandt, sie hatten miteinander nichts zu thun, sie waren sich ganz fremd, ja miteinander nicht einmal verheirathet – und doch die große Feindseligkeit! Er war der Jungbauer des Zeiselhofes und ging sie nichts an; sie war Wiesendirn beim Teutbauer und ging ihn nichts an. – Daß beide jung, sauber und frisch, ist denn das eine Ursach, sich spinnefeind zu sein?

Der Zeiselhof und das Teutbauernhaus lagen weit voneinander ab, es zog sich zwischen beiden eine tiefe Schlucht, in welcher Dornsträucher wuchsen, gleichsam, als wollte die Natur selbst mit scharfen Ruthen winken: Jungleute! bleibt euch einander vom Leibe! Doch am Sonntage kamen die Leute zusammen auf dem Dorfplatze und in der Kirche – und da war der Teufel los.

Das einemal drängte der Gregel, der Zeiselsohn, sich wie zufällig an der Susi, der Teutbäuerischen, vorüber und trat ihr wie zufällig auf die Zehen. „Auweh!“ fühlte sie, „Auweh!“ dachte sie, aber „Auweh!“ schrie sie nicht. – Wart’ nur, mein lieber Gregel, es kommt der zahlende Tag! – Einstweilen hing sie ihm Spottnamen an, und das sei ein jämmerlicher Zwerg, der den armen Mädeln auf die Zehen steigen müsse, um in die Welt gucken zu können. Ein anderes Mal versetzte er ihr einen gelinden Ellbogenstoß, der zwar nicht wehthat und doch wieder wehthat, weil er höchstwahrscheinlich in der Absicht gegeben war, daß er wehethun sollte. Im Gedränge erwischte sie seinen Hut, that heimlich die Hahnenfeder herab und steckte dafür eine Brennessel hinauf. Der Gregel sah die Missethäterin nicht, ahnte sie aber, und bei einer nächsten Gelegenheit steckte er ihr eine handvoll Sägespäne am Nacken hinter das Kleid hinab.

„Zeiselbua! Zeiselbua!“ schrie sie ihm zornglühend ins Gesicht. – Zeiselbua! Zeiselbua! hallte es noch lange nach in ihrem bitteren Herzen. Und auf einmal wurde in der Gegend folgendes Liedchen gesungen:

„Zeiselbua! Zeiselbua!
Zeiselbua Gregel!
Er spannt drei Paar Ochsen zsamm’,
Fahrt um zwei Vögel!“

Und wie nach solchen Tücken und Torten ihre Blicke sich begegneten! Herrgotts Kreuz! War das ein Feuer in den Augen! Wenn das nicht gut bewacht wird, wenn es jählings losbricht …!

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_336.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)