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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Dröhnen und Prasseln eines verüberrasenden Schnellzuges, durch seine Gemessenheit aber auch an das ferne Feuer schwerer Geschütze; dazwischen wird bald ein dumpfes Brausen, bald ein helles Zischen und Schmettern hörbar. Zuweilen endet das Toben plötzlich mit einem einzigen übermächtigen Schlage und es folgt eine sekundenlange Stille. So ist es namentlich des Nachts von hohem Reize, der mannigfach wechselnden Stimme, dem großartigen Rhythmus der Calema zu lauschen.

Diese Schilderung entwerfen deutsche Forscher in dem schönen Werke „Die Loango-Expedition“. Ueber die Ursache dieser Erscheinung gehen die Meinungen auseinander. Der Mond soll auch in diesem Falle seine Hand mit im Spiele haben; am wahrscheinlichsten aber dürfte die Annahme sein, daß die Calema eine Folge der Stürme sei, welche im Süden jenseit des 40. Grades südlicher Breite so sehr toben, daß die Seefahrer jene Meeresgegenden die „brausenden Vierziger“ genannt haben. Die aufgeregten Wellen pflanzen sich im Oceane fort und brechen sich an der Flachküste in der Gestalt der Calema.

Während einer heftigen Calema kann eine Verbindung zwischen Land und Meer nur sehr mühsam, bei besonders schwerer überhaupt nicht unterhalten werden. Dennoch gewagte tollkühne Versuche enden trotz der bewundernswerthen Geschicklichkeit der eingeborenen Bootsleute nur zu oft unglücklich; gar mancher Europäer wie Afrikaner hat in der Brecherzone seinen Tod gefunden oder schwere Verletzungen davongetragen, während Güter meist verloren gehen. Selbst Seevögel, heißt es in dem Berichte der Loango-Expedition, besonders der häufig vorkommende große Tölpel (Sula capensis), ein ausgezeichneter Segler, lassen sich zuweilen in trügerische Sicherheit wiegen und fallen den überstürzenden Rollern zum Opfer; sie werden schwimmend oder fliegend erfaßt und betäubt an den Strand geworfen.

Die Calema hat auch einmal in den Gang kriegerischer Ereignisse eingegriffen, indem sie im Jahre 1879 während des Zulukrieges die Landung englischer Truppen unter General Wolseley vereitelte.

Gerade die Erfahrensten an der Küste fürchten am meisten die Calema. Wer jemals eine „gelinde Taufe“ empfing oder gar, aus dem sich überstürzenden Fahrzeuge hinausgeschleudert, auf Tod und Leben mit dem tosenden Wasserschwall gerungen hat, der wird bei stärkerer Calema nie ohne Beklemmung die Zone der Brecher durchschneiden, deren Tücken der besten Beobachtung, der vollendetsten Ruderkunst spotten. *     

Litterarisches Freibeuterthum. Seit einigen Jahren besteht bekanntlich eine internationale Uebereinkunft zum Schutze von Werken der Litteratur und Kunst, durch welche den Schriftstellern beziehungsweise Künstlern in den vertragschließenden Ländern ein übereinstimmender, gleichmäßiger Rechtsschutz für ihre Werke gewährleistet wird. Leider haben sich an dieser internationalen Uebereinkunft nicht alle Kulturstaaten betheiligt.

Zu welchem Unwesen aber das Freibeutersystem führt, das zeigt uns ein Fall aus Holland, der eben zu unserer Kenntniß gekommen ist. Von dem gegenwärtig in der „Gartenlaube“ erscheinenden Roman „Flammenzeichen“ von E. Werner werden, noch ehe derselbe vollständig vorliegt, drei Uebersetzungen, zwei als Zeitungsfeuilletons, die dritte als Buchausgabe veröffentlicht, selbstverständlich ohne jede Ermächtigung[1] seitens der Verfasserin oder des Verlegers.

Uns liegt der erste Bogen der im Verlage von Holdert u. Komp. in Amsterdam erscheinenden Buchausgabe vor, welcher der Gewissenhaftigkeit des Uebersetzers ein merkwürdiges Zeugniß ausstellt. Der Titel „Flammenzeichen“ ist umgeändert in „Herbert von Falkenried“, offenbar weil der ursprüngliche Titel dem Uebersetzer unverständlich blieb; um aber kein Mißverständniß aufkommen zu lassen, ist das Wort „Flammenzeichen“ in Klammern beigesetzt. Wenn eine Buchausgabe schon mit solcher Pietät gegen die ursprüngliche Verfasserin verfährt, wie mögen erst die Zeitungsfeuilletons aussehen!

Leider geben die Gesetze kein Handhabe, um diesem Unwesen zu steuern, und es wäre komisch, wenn es nicht so traurig wäre, daß das litterarische Eigenthum unserer Schriftsteller in dem alten „Raubstaat“ Tunis einen besseren Schutz genießt als in dem biederen Holland. =     

Ein Nationaldenkmal für Bismarck. In dem Augenblick, da Fürst Bismarck aus seinen Aemtern und Würden als Kanzler des Deutschen Reichs und preußischer Ministerpräsident schied, hat sich auch der Gedanke geregt, dem großen Staatsmanne, der unser deutsches Vaterland zu dem gemacht hat, was es heute ist, als Ausdruck unverwelklicher Dankbarkeit ein Denkmal zu errichten. Hervorragende Männer aus allen Kreisen und allen Gegenden Deutschlands haben sich zusammengethan, diesen Gedanken zur Durchführung zu bringen, sie haben den Kaiser zum Protektor ihres Werkes gewonnen und wenden sich nunmehr mit einem warmen Aufruf an das deutsche Volk, das Seinige zum Gelingen des vaterländischen Unternehmens beizutragen. Es heißt in dem Aufruf:

„Der weltgeschichtliche Augenblick ist gekommen: Fürst Bismarck, der mit Kaiser Wilhelm dem Siegreichen als dessen Kanzler heldenkräftig das Deutsche Reich zusammenschmiedete, er, auf den die Völker des Erdkreises hinblicken als auf den größten Staatsmann seiner Zeit, er ist aus dem Amt geschieden, welches er ein Vierteljahrhundert hindurch mit der Erleuchtung des Genies, mit der unwiderstehlichen Macht eines gewaltigen Charakters geführt hat.

Lebhafter denn je durchglüht die deutschen Herzen in diesem Wendepunkte der Geschichte unseres Volkes das Gefühl dessen, was der Gewaltige uns gewesen, dessen, was er für uns geleistet, und die Begeisterung und Dankbarkeit, die Liebe und Verehrung von ganz Deutschland, sie ringen nach einem Ausdruck, um unseren großen Kanzler bei seinem Abschied würdig zu feiern.

Auf denn, Ihr Deutschen von Nord und Süd, vergessen sei in diesem Augenblick der Zwiespalt der Parteien, der Widerspruch der Meinungen; die Flamme reinster Dankbarkeit allein, sie lodere auf in unsern Herzen. Reichen wir uns die Hände, um dem Führer zur Einheit Deutschlands unsern Dank darzubringen. – Und wie könnte das würdiger geschehen, als dadurch, daß ihm ein Nationaldenkmal errichtet würde in der Reichshauptstadt, der Stätte seines Wirkens. Darum also, die Herzen auf, die Hände auf, gebt und bauet mit an dem Denkmal, das künftigen Geschlechtern erzählen soll von der Größe des ersten deutschen Reichskanzlers, von der tiefglühenden, unauslöschlichen Dankbarkeit des deutschen Volkes.“

Hirtenidylle. (Zu dem Bilde S. 313.) Ein Leben voll Glück und Unschuld, voll Seelenfrieden und heiteren Lebensgenusses, voll stiller Naturfreude und bedürfnißloser Genügsamkeit – das ist es, was wir uns unter einer Idylle vorstellen, und darin sind die Dichter zu allen Zeiten einig gewesen. Wohl gingen die Zeitalter und die Verkündiger ihrer Stimmungen, die Dichter, verschiedene Wege, wenn es galt, die Stätte zu suchen, wo solch eine reine Glückseligkeit, die Verkörperung der Idylle, zu finden wäre. Goethe fand sie in der einfach bürgerlichen Häuslichkeit seines „Hermann“, Voß im deutschen Landpfarrhause und Jean Paul im Leben des „Schulmeisterleins Wutz“. Aber es giebt einen Stand, der bei allen Kulturvölkern des Alterthums und der Neuzeit vorzugsweise in der Verklärung idyllischen Glückes strahlt, der Hirtenstand. Bei den Hirten weilt die Phantasie des alten Griechen Theokrit, des Vorbildes aller Idyllendichter, zu ihnen flüchten sich aus überreizter und überbildeter Umgebung die ruhebedürftigen Seelen aller Jahrhunderte.

In ihre Damon und Phyllis, ihre Seladon und Chlorinden legen sie all das, was sie in dem Kreise vermissen, in dem sie selbst leben, reine Natürlichkeit und holde Unschuld, und wenn der Geschmack der Gegenwart das durchsichtige Gewand der antiken Namen abgestreift hat, so geschah es nur, um andere Hirtennamen an ihre Stelle zu setzen – die Seppl und Resei und wie die Burschen und Dirndeln der Alm alle heißen mögen.

Eine Hirtenidylle ursprünglichster Form ist es, was unser Bild darstellt. An murmelnder Quelle im Feisenthale sitzt der Hirt, an einen Baumstamm gelehnt, und bläst auf der Syrinx eine kunstlose Weise. Seine jugendliche Gespielin lauscht den fluthenden Tönen selig versunken, im langen Blondhaar den Kranz, den ihr der Freund aus den Blumen des Thalhangs gewunden; im Hintergrunde weidet die vereinigte Herde im Sonnenglanze eines südlichen Himmelsstrichs – ein Stück Leben, von keinem Hauch der Sorge gestreift, von keinem Schatten der Leidenschaft getrübt – eine Idylle aus einer andern Welt, als die ist, auf der wir leben! =     

Neues vom Spargel. Der Braunschweiger Spargel genießt mit vollem Recht seinen ausgezeichneten Ruf, denn er ist die Krone aller Spargelsorten, und schon seit geraumer Zeit bezieht man von Braunschweig Samen und Pflanzen dieses Spargels. Freilich, der Same und die Pflanze allein thun es nicht, es muß noch die richtige Pflege dazu kommen, wenn man auch anderwärts den Braunschweiger Spargel in seiner echten Vorzüglichkeit erzielen will. Vor einigen Jahren hat Dr. E. Brinckmeier in seinem „Braunschweiger Spargelbuch“ die nöthige Anleitung zum richtigen Spargelbau gegeben, und das Buch hat sich viele Freunde erworben. Nachträglich wurde es auf der vorjährigen „Internationalen Gartenbau-Ausstellung“ in Köln mit dem ersten Preis als das beste vorhandene Spargelbuch ausgezeichnet; die beste Empfehlung für dasselbe dürfte aber der „Vorwurf“ sein, den einige Braunschweiger Spargelzüchter dem Verfasser gemacht haben – der Vorwurf, daß er durch sein Buch das „Geheimniß“ der Braunschweiger Spargelzucht zum Gemeingut gemacht habe. Ein Schaden ist den Braunschweigern daraus nicht erwachsen und wird ihnen in absehbarer Zeit nicht erwachsen können; denn die Nachfrage nach Spargeln ist immer noch so groß, daß sie kaum mit der erzeugten Ware befriedigt werden kann. Bedenkt man aber, daß bei zweckmäßiger Spargelzucht ein Morgen Boden einen Reinertrag von 1400 bis 1500 Mark liefern kann, so muß die Verbreitung der richtigen Kenntnisse vom Spargelbau als ein Verdienst um das allgemeine Wohl angesehen werden.

Der Verfasser ist auch nicht müde, die Sache weiter zu verfolgen, und läßt soeben einen Nachtrag zu seinem „Braunschweiger Spargelbuch“ unter dem Titel „Neueste Erfahrungen in der Spargelzucht“ (Aug. Schröters Verlag in Ilmenau) erscheinen.

Unter den vielen wesentlichen Verbesserungen und beachtenswerthen Winken finden sich auch einige, welche für die weiteren, die Spargel essenden Kreise von Wichtigkeit sind.

Schon früher hat Brinckmeier darauf hingewiesen, daß man die Spargelschalen nicht wegwerfen, sondern dieselben rasch an der Sonne oder im Ofen trocknen solle. Man bewahrt sie alsdann für den Winter auf und kann mit ihnen Suppen und Saucen einen frischen Spargelgeschmack geben, der den des Büchsenspargels bei weitem übertrifft. Man bringt die Schale zu diesem Zweck in einen reinen Gazebeutel und läßt sie darin in der Bouillon mitkochen. Nach neueren Erfahrungen, welche das Zweckmäßige dieses Verfahrens durchaus bestätigten, empfiehlt Brinckmeier, auch den ganz dünnen, sogenannten „Suppenspargel“ in der gleichen Weise zu verwenden.

Außerdem tritt er auch für das Dörren des Spargels ein. Da dieses einfacher ist als das Einmachen in Büchsen, so dürfte es von unseren Hausfrauen gern versucht werden. Man hat früher den Spargel in der Regel ungeschält getrocknet, aber damit keine guten Erfolge erzielt, da die ganz trocken gewordene Schale das spätere Aufquellen verhinderte.

Weit besser ist es nun, den Spargel vor dem Trocknen zu schälen. Man nehme aber dazu nicht zu dünne Stangen. Man trockne ihn, nachdem er geschält, in der Sonne, auf der Herdplatte, in einem Trockenofen oder wo sich sonst Gelegenheit dazu bietet, und packe ihn, wenn er ganz zusammengetrocknet und dürr ist, in Kästen oder auch in Beutel, worin er zum Gebrauch für den Winter aufbewahrt wird. Will man ihn auf die Tafel bringen, so lege man ihn eine halbe Stunde in kaltes Wasser und lasse ihn dann kochen, bis er völlig gar ist. Zur Versendung eignet sich dieser Spargel in getrocknetem Zustande nicht, da er sein weißes Aeußere nicht völlig behält, er bringt aber eine wohlthuende Abwechselung


  1. Der alleinige berechtigte holländische Verleger den Romane von E. Werner ist P. Gouda-Quint in Arnheim.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_323.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)