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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Burgen Leute genug gab, welche, ohne irgendwie in Unehre zu sein, doch der engen heimischen Verhältnisse überdrüssig waren und mit bestehenden Einrichtungen und Gesetzen der Heimath auf gespanntem Fuße standen. Für diese bildeten dann die Haufen der Landsknechte eine willkommene Zuflucht.

Von Anfang an dienten in den Reihen der Landsknechte als Doppelsöldner in gutem Harnische gar manche adlige Gesellen, denen das Stillleben auf ihren Felsennestern unter dem Landfrieden unerträglich geworden war; andere wie der Maler und Schnitzer von Heiligenbildern Anton Sixt aus Waiblingen, später ein berühmter Kriegsmann, nahmen den Spieß auf die Schulter, weil die Reformation oder andere Umwälzungen ihnen den Erwerb geschmälert hatten, der eben erwähnte auch, weil er lieber mit den Türken raufen wollte, als länger die Zänkereien seines bösen Weibes anhören, der er übrigens aus dem Felde manches Kleinod und Beutestück als Angebinde sandte. Es ist bedeutsam, daß in demselben Jahre, in welchem Maximilian das neue nationale Wehrsystem schuf, 1487, das sechsunddreißigste und letzte wirkliche deutsche Turnier stattgefunden hat. Schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts galten den Landsknechten die schwergeharnischten Ritter als altfränkische Erscheinungen, und Paul Jovius erzählt, sie seien manchmal von dem muthwilligen Fußvolke, wenn sie vorüberritten, spöttisch gefragt worden, ob denn Festtag wäre, weil sie so geputzt und feierlich langsam daherrückten. „Solche Schmach,“ schließt der erwähnte Schriftsteller, „mußten die Rittersleute verschlucken, weil das Recht des Kriegs auf den angeblasenen Lunten der Hakenschützen sichtlich beruhte.“

Ganz im Anfange allerdings wurden die neuen Truppen von manchen Seiten begreiflicherweise mit scheelen Augen betrachtet. Kaiser Max aber ließ sich angelegen sein, persönlich dieselben zu Ehren zu bringen. Mehr als einmal ließ er sich auf des Reiches Heerstraße in Landsknechtstracht, den Spieß auf der Schulter, das kurze Schwert umgegürtet, sehen, und einmal zog er gar mit 900 Fürsten, Herren und Rittern in solcher Tracht und Wehr in die Stadt Köln ein. Zuerst freilich, in Maximilians Schweizerkrieg, zahlten die Landsknechte ihren Lehrherren, den Schweizern, blutiges Lehrgeld, woher sich dann ein grimmiger Handwerkswetteifer zwischen beiden entspann; aber schon 1522 bei Bicocca, welcher Tag Herrn Georg v. Frundsberg bei den Schweizern den Namen „Leutfresser“ eintrug, und drei Jahre später, bei Pavia, sank der Ruhm der Schweizer mit ihren berühmtesten Führern vor den Landsknechten für immer in den Staub, und die schweizer Söldner verschwanden darauf bald überhaupt von den Schlachtfeldern, friedlicheren Hof- und Herrendienst suchend.

Fähnrich.0 Kaiser Max in Landsknechttracht.

Das System, ein Kind der Noth und besonderer Zeitstimmung, trug allerdings große, aus seiner Natur entspringende Schäden in sich. Nimmt es sich auch noch geradezu vornehm aus gegen die Söldnerei, Drillerei und heimtückische, heimlich auf die Menschenjagd gehende Werberei nach dem Dreißigjährigen Kriege bis in die ersten Anfänge dieses Jahrhunderts, so hatte es doch die schlimme Folge, daß trotz der strengsten kaiserlichen Erlasse sich immer und immer wieder Fürsten und Herren, Ritter und Landsknechte in den Sold der Reichsfeinde gaben, namentlich als die französischen Könige anfingen, sie den Schweizern vorzuziehen. Mehr als ein Haupt, auch adliger Kriegsmänner, ist darum unter dem Schwerte des Henkers gefallen, wie z. B. unter Kaiser Karl V. dasjenige des schönsten und herzhaftesten Obristen, Sebastian Vogelsberger, welcher noch dazu in Wirklichkeit unschuldig war; sein Andenken lebte, wie aus „Des Knaben Wunderhorn“ zu ersehen ist, noch lange im Volksliede. So lange die Einrichtung im ganzen noch von nationalem Ehrgefühl getragen war, ahndeten auch die Landsknechte den Vaterlandsverrath an Landsleuten und Handwerksgenossen in reichsfeindlichem Solde. So nahm und erhielt in der Schlacht bei Pavia der nach seinen Rüstungen und Fahnen als die „Schwarze Schar“ bezeichnete Landsknechtshaufe, der unter Führung vieler Herren und Edlen trotz kaiserlicher Verbote unter dem französischen Lilienbanner stritt, von Frundsbergs Knechten kein Quartier; ihren Führern wurde die Ehre des Zweikampfs, den sie nach Landsknechtsbrauch von denen der Gegenpartei forderten, verweigert. Sie fielen alle bis auf den letzten Mann. Später aber, als das Nationalgefühl in Deutschland mehr und mehr dahinschwand, ward die Soldläuferei ins Ausland eine immer mehr um sich greifende, schandbare Sitte. Die Folgen damaliger Vergeudung nationaler Wehrkraft müssen wir, die Enkel, heute noch büßen. „Ueberschüssige“ deutsche Kraft füllte z. B. Frankreichs Zeughäuser mit dem Reiche abgenommenen Trophäen und half dem französischen Staate zu jener geschlossenen Macht, welche ihm so lange ein schwer empfundenes Uebergewicht über das zerrissene Deutschland gab. Das Kriegsleben machte die der Werbetrommel Folgenden sehr oft zu friedlicher Arbeit untauglich, und die während des Friedens „gartend“, das heißt bettelnd und wohl auch raubend, umherziehenden Landsknechte waren bald eine Geißel des flachen Landes, wie aus Hans Sachsens köstlichem Gedicht über die gartenden Landsknechte zu ersehen ist. Die leichte Art endlich, Kriegsvolk zu erhalten, war für eroberungslustige, ehrgeizige Fürsten eine gefährliche Versuchung und trug zur Vermehrung der Kriege bei. Ein schwäbischer Chronist, Sebastian Frank, läßt denn gerade aus diesem Gesichtspunkte die „frommen Landsknechte“ sehr hart an. „Wenn der Teufel Sold ausschrieb,“ lesen wir dort, „so fleugt und schneit es zu, wie die Fliegen in dem Sommer, daß sich doch jemand zu Tod verwundern möchte, wo dieser Schwarm nur aller herkam und sich den Winter erhalten hat.“ – Der „böse Winter“ spielt in der That eine bezeichnende Rolle in den uns erhaltenen Landsknechtsliedern.

Die Landsknechtsheere waren im vollsten Sinne des Wortes Freiwilligenheere. Sie waren daher nicht gewillt, ihr Leben ohne Gewährleistung bestimmter Rechte zu verzinsen; wie zu Hause Zunft und Genossenschaft sie vor Gewalt und Verunglimpfung schützten, wie dort ihre Zunftoberen im Rathe gehört wurden, so verlangten sie auch im Felde Sicherung ihrer Rechtsverhältnisse. Die Feststellung derselben verstand man unter dem Ausdrucke „Aufrichtung des Regiments“, wobei letzteres Wort nicht die Einheit nach Gliederung und Verwaltung, welche heute darunter begriffen wird, bedeutet, sondern soviel wie Regierung oder Gesetz. So oft ein Kriegsherr streitbaren Volks bedurfte, schickte er irgend einem berühmten Kriegsmann, adligen oder bürgerlichen Standes, einen Bestallungsbrief als Feldobristen nebst einem Patent, welches denselben zur Aufrichtung eines Regiments bevollmächtigte; beigegeben wurde ein die Verfassung oder den Rechtsbrauch, welche der Kriegsherr gehalten wissen wollte, enthaltender Artikelbrief; der Sold, die Zahl der Fähnlein, der Ort, wo das geworbene Volk dem Kriegsherrn vorgestellt werden sollte, wurden ebenfalls genau bestimmt. Der so Beschickte brachte nun unter Zuhilfenahme seines Kredits zunächst das nöthige Geld auf und setzte seinerseits seine Freunde und früheren Waffengefährten von dem ihm gewordenen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_254.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)