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verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Das veränderte Waffenwesen heischte zwar schon gebieterisch die Herstellung auch eines kriegstüchtigen, zweckvoll geschulten Fußvolks, aber die französischen Bürger und Bauern waren noch viel zu unkriegerisch für solchen Zweck, und so führte, als der Kampf zwischen dem Hause Valois und dem Geschlechte der Habsburger zuerst um das Erbe Karls des Kühnen, dann um Neapel und Mailand, d. h. um die Herrschaft in Italien, begann, die Noth die Könige Karl VIII., Ludwig XII. und Franz I. zu der Auskunft, um schweres Geld die Besieger Burgunds, Oesterreichs und der Schwaben in ihren Dienst zu berufen; sie mietheten Schweizer.

Scharfrichter und Profoß.

An diese ebenfalls sich zu wenden, verbot sich dem ritterlichen Kaiser Maximilian I.; mußten ihm die Schweizer doch noch als Empörer gegen Habsburg erscheinen. Zu oft schon im Laufe der letzten anderthalb Jahrhunderte aber war die Kraft und die Blüthe der geharnischten adligen Reiterei, noch ehe die Handfeuerwaffen eine entscheidende Rolle spielten, vor geschlossenen, mit handlicher Wehr zu Fuße kämpfenden Bürger- und Bauernheeren erlegen. Es wirkte in der Erinnerung an solche Unglückstage eine gewisse Scheu, geschlossen standhaltendes Fußvolk anzugreifen, fortwährend noch bei den adligen Harnischreitern nach, und selbst Bayard, der Ritter ohne Furcht und Tadel, gerieth in Verstimmung, wenn ihm zugemuthet wurde, mit seinen adligen Genossen gegen Landsknechte anzurennen; mehrmals hat er die Frage an sich selbst und seine Umgebung gethan, ob er wohl sein und seiner Genossen adlig Leben „gegen die harten Bauern, gegen Söldner, die zu Hause Schuster, Hufschmiede und Bäcker seien“, wagen solle.

Wollte Maximilian unter solchen Umständen gegen die in Frankreichs Sold kämpfenden Schweizer das Feld behaupten, so mußte er ihnen selbst in Gegenden, welche an und für sich der Verwendung von Reiterei günstig waren, ein entsprechend gerüstetes Fußvolk entgegenstellen. Da er nun kein solches vorfand oder auswärts werben konnte, so schuf er sich ein eigenes aus Bauern und städtischem Volke der österreichischen Erblande; er ließ die Werbetrommel rühren und bewaffnete die zu den Fahnen des volksthümlichen Fürsten Herbeieilenden mit dem 18 Fuß langen, der makedonischen Phalanx entlehnten Spieße, soweit sie nicht von Hause aus ihnen bereits gewohnte Waffen, Hellebarden, lange zweihändige Schlachtschwerter, Hakenbüchsen etc. mitbrachten. Die Hauptwaffen allerdings bildeten der lange Spieß und als Seitenwehr das handliche, kurze, breite, zu Hieb und Stoß geschickte Landsknechtsschwert, welches der Bequemlichkeit halber quer über den Leib gegürtet wurde. Der Klang des Wortes „Landsknecht“ und der Umstand, daß der lange Spieß geraume Zeit, noch bis in den Anfang des 17. Jahrhunderts hinein, die Hauptwaffe der Infanterie blieb, hat schon gleichzeitige Schriftsteller verführt, die so entstandenen Truppen „Lanzkneche“, lancigeri, zu nennen. Der Name Landsknecht bezeichnet aber nicht sowohl eine bestimmte Waffengattung, als vielmehr Kriegsvolk aus dem niedriger gelegenen Lande im Gegensatz zu den Schweizern, welche nie Landsknechte genannt wurden. Die Franzosen nannten die deutschen Söldner Lansqhenets oder Landsquenets. Als späterhin auch aus den übrigen Theilen des Reichs abenteuerlustige Gesellen des Kaisers Fahnen zuzogen, unterschied man zwischen oberländischen, d. h. süddeutschen, und niederländischen oder norddeutschen Knechten.

Feldobrist, Lieutenant und Landsknechte.

Die Geworbenen lehrte Maximilian mit Hilfe erfahrener Kriegsleute, adliger und bürgerlicher, in geschlossener Ordnung marschiren, zur Abwehr in der Vertheidigung die Spieße fällen, den „Igel“, d. h. die Sturmkolonne bilden u. s. f. Die verschiedenen Waffen, Spieße und kurze Wehren (Hellebarden, Schlachtschwerter), wurden in dem „Gewalthaufen“ zweckentsprechend untereinander gemengt, die Schützen gelehrt, an die Ecken des Gewalthaufens sich „anzuhängen“, zum Gefechte vorzuschwärmen und im rechten Augenblicke unter und hinter den Spießen Deckung zu suchen. – Es herrscht nun noch vielfach der Glaube, als seien die Landsknechte von Anfang an verlottertes, unehrliches, wohl auch unfreies Gesindel gewesen. Es ist dies nicht richtig. Kein Zweifel, daß im Laufe der Zeit bei den ewigen Kriegen sich ein Stamm verkommener, arbeitsscheuer Soldläufer bildete, und daß mit dem Anwachsen der Nachfrage und dem steigenden Verbrauche schließlich weniger zimperlich bei der Annahme der sich Meldenden verfahren wurde, bis im Dreißigjährigen Kriege zuletzt Zustände einrissen, welche die eben bestrittene Ansicht allerdings durchaus rechtfertigen. In den ersten Zeiten des neucn Wehrsystems aber, nachdem Maximilian die ersten Haufen zum Theil mit Waffen versehen, war der Eintritt in die Gemeinde der „frommen Landsknechte“ nicht so leicht; nur wer ausgestattet mit Wams und Schuhen, womöglich mit Blechhaube und Harnisch, sowie mit gutem Schwert, Spieß, Hellebarde oder Hakenbüchse erschien, ward in die Musterrolle aufgenommen. Leute, welche einen vollen Fußknechtharnisch, bestehend in Sturmhaube, Halsberge, Brust- und Rückenharnisch, Schulterstücken und Armzeug sowie stählernem Schurze, mitbrachten, erhielten Doppelsold. Im übrigen trug das ganze Wesen manches von dem städtischen Zunftleben an sich, und die Verhältnisse des Reichs, die Anregungen der Zeit waren so beschaffen, daß es auf dem Land, in den Städten und auf den

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verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_253.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)