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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

sorgfältig darauf geschraubt und in die Tasche gesteckt habe. Sobald er aber oben in der gewöhnlichen Atmosphäre wieder angelangt, sei das Fläschchen plötzlich mit lautem Krach zersprungen.

Vier in Quadratform unmittelbar nebeneinander in solcher Weise mittels „Senkkasten“ aus dem festesten Gestein aufgebauter Pfeiler bilden die Grundlage für einen Thurm, der aus vier durch starke wagrechte und schräglaufende Verbindungsstücke zusammengehaltenen mächtigen Röhren besteht. Thürme, Verbindungsglieder, überhaupt die ganze Brücke, soweit sie aus dem Wasser emporragt, sind aus bestem Siemens-Martin-Stahl gefertigt. Jede der Hauptröhren hat einen Durchmesser von 12 Fuß (3,6 m) und eine Dicke der Wände von etwa 3 cm. Ihre Höhe beträgt 361 Fuß (110 m) von der Meeresfläche ab. Rechnen wir hierzu einmal die Tiefe der Brückenpfeiler im Meere selbst, die, wie oben angegeben, an einer Stelle 27,7 m beträgt, so ergäbe sich als Gesammthöhe des ganzen Bauwerks annähernd 138 m, also fast diejenige des Kölner Domes (156 m). Es wäre wohl schwer thunlich gewesen, solche Ungeheuer von Röhren am Ufer fertig aufzubauen und dann auf den Pfeilern mit einem Male in die Höhe zu richten. Vielmehr wurden nur die Einzelstücke in den großen Werkstätten, die eigens zu diesem Zwecke am Ufer errichtet waren, hergestellt, die großen Stahlplatten wurden hier entsprechend den Krümmungen der Röhrenwände gebogen, mit Nietlöchern versehen und dann nach den Pfeilern eingeschifft. Hier wurden sie – wie bei Aufführung einer Mauer die Backsteine – eine an und über der andern angesetzt, und so wuchsen die Träger empor – riesengroß, während in derselben Weise gleichzeitig der Aufbau der Verbindungsstücke fortschritt.

Die Forthbrücke in Schottland.

Von den Thürmen aus ging der Ausbau der Kragarme nach beiden Seiten hin in derselben Weise gleichmäßig vorwärts, indem Platte an Platte gefügt wurde. So blieb das Ganze im Gleichgewicht und die ganze Last wurde überall von den Hauptpfeilern getragen. Selbst die bei solchen Bauten sonst unerläßliche Masse von Gerüsten fiel hier fast ganz weg. Was an Gerüsten nöthig war, wurde mit dem Zuwachs der mächtigen Arme zugleich hinausgeschoben, und so wuchs das Ganze gleichsam aus sich selbst heraus in den unendlichen Raum, bis die Arme nach jeder Seite hin eine Länge von 680 Fuß (207,4 m) hatten. Hier an ihren Endpunkten aber mußten sie noch die gewaltige Last der Zwischenlage von 350 Fuß (106,7 m) Länge auf sich nehmen, welche die einander entgegengestreckten Arme schließlich in Verbindung brachte. Der untere Rand dieser Zwischenlage aber liegt in einer Höhe über dem Wasserspiegel, daß die größten Seefahrzeuge leicht unter ihnen hinzusegeln vermögen. Ist es doch vom Hochwasserstand bis zur Berührung mit der Brücke an diesen Stellen eine Höhe von 150 Fuß oder 45 m. Und einige Fuß höher noch liegt das doppelte Schienengeleise. Das muß eine luftige, lustige Fahrt sein und um so genußreicher noch, als die Gegend auf beiden Ufern große Naturschönheiten bietet.

Der zu erzielenden Höhe wegen mußte die Ueberbrückung namentlich auf dem niedrig gelegenen südlichen Ufer schon eine geraume Strecke landeinwärts beginnen, so daß die Länge des ganzen Unternehmens 8296 Fuß, also mehr als dritthalb Kilometer beträgt, während die eigentliche Brücke 5349 Fuß 9 Zoll oder 1633 m lang ist. Durchweg aus dem besten Stahl angefertigt, hat sie nicht weniger als 51 000 Tonnen oder 51 000 000 Kilogramm von diesem Metall verschlungen – der Eiffelthurm enthält nur 7500 Tonnen Eisen – und der Kostenaufwand für die Brücke beträgt im ganzen etwa 40 Millionen Mark.

Dieselbe ist am 4. März dieses Jahres dem Verkehr übergeben worden. Wird sie ihrem eigenen Druck sowie der Macht der Elemente auf die Dauer standzuhalten vermögen? Nach menschlichem Ermessen jedenfalls. Die Taybrücke wurde von einem Sturm niedergerissen, der mit einem Druck von etwa 30 Pfund auf den Quadratfuß dahersauste und zu den stärksten zählt, die England heimgesucht haben. Die Forthbrücke aber ist darauf berechnet, einem Winddruck gar von 56 Pfund standzuhalten. Sie hat zur Zeit, da ihr Bau schon wesentlich vorgerückt war, bereits einen Sturm erlebt, der ganze Häuser an der umliegenden Küste niedergerissen hat, an der Brücke aber spurlos vorübergegangen ist. Möge der stolze Bau imstande sein, so allen Anfechtungen Trotz zu bieten!

Auf architektonische Schönheit kann er allerdings keinen Anspruch machen, aber das dürfte es auch kaum sein, was den Aktionären der verschiedenen Eisenbahngesellschaften, welche die Unkosten der Brücke tragen, in besonderem Grade am Herzen liegt. Wollte man aber auch nur einige Verzierungen hier und da anbringen, so müßten dieselben entsprechend den außerordentlichen Größenverhältnissen der Brücke doch schon gewaltige Ausdehnungen haben und somit nicht nur die Kosten, sondern auch die Last der Brücke, welche lediglich auf den Pfeilern ruht, noch wesentlich vermehren.

Die erfolgreiche Durchführung eines solchen Unternehmens hat vielfach auch wieder die Aufmerksamkeit auf eine andere Ueberbrückung gelenkt, auf diejenige eines allerdings zwanzigmal breiteren

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_205.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)