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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

von Haus zu Haus und veranstalten folgende Aufführung: Der König sitzt mit seinem Töchterlein auf dem Throne. Da nahen zwei Abgesandte und werben um die Hand der Königstochter. Noch haben sie keine Antwort erhalten, da kommt auch der Tod (der Winter) und trägt gleichfalls seine Werbung vor. Empört darüber ersticht ihn der König. Muß er doch einmal sterben und muß doch sein Sterben auch einen Grund haben! – In Oesterreichisch-Schlesien verbrennt man den „alten Juden“ (Judas Ischarioth), anderorts das Bild des Papstes oder das Luthers, je nach dem Bekenntniß der Gegend. In einigen deutsch-mährischen Dörfern treibt man den Tod aus „zum Andenken an die Vertreibung der Mongolen“ und in dem böhmischen Orte Schönfeld jagt man „den Türken hinter die Stadt“.

Der todte Winter will auch begraben sein. Sein Begräbniß feiert das „Todaustragen“, ein Jubelfest. das kaum seinesgleichen kennt. Es gipfelt darin, daß der Winter, eine Puppe, mit der vorher allerhand Unfug getrieben worden ist, aus dem Dorfe fortgetragen, zerrissen, eingegraben, verbrannt oder in einen Fluß geworfen wird, der ihn in seinen Wellen verschlingt. Daran reiht sich dann das „Einholen des Sommers“ oder der „Sommergewinn“. Noch zu Anfang unseres Jahrhunderts trug man auf der Flur zu Leißling bei Naumburg den „Tod“ hinaus auf die Felder der Nachbargemeinde. Bei der Heimkehr sang man dann:

„Den Tod haben wir hinausgetrieben,
Den Sommer bringen wir wieder,
Des Sommers und der Maien,
Des wollen wir uns freuen.
Sommerland! Sommerland!
Der Tod hat sich von dir gewandt,
Er ist auf die Flur verbannt.“

In der Mitte der deutschen Frühlingsfeste steht der erste Ostertag, der zugleich ihren Höhepunkt bildet. An seinem Morgen macht die Sonne nach dem deutschen Volksglauben drei Freudensprünge. In der Nacht vom Ostersonnabend zum Ostersonntag fließt statt Wasser Wein in vielen Bächen, mancher Quell hat besondere Heilkraft und verleiht, schweigend geschöpft, nimmer welkende Schönheit, Thiere reden, Geister gehen um, in Burgen und Ruinen erscheint die weiße Frau, und es wiederholt sich überhaupt der gesammte Zauber der Weihnacht. Aber auch eigene Züge fehlen nicht. Fast in allen Gebirgen Deutschlands flammen noch hier und da echte alte Osterfeuer, deren Flamme durch das Reiben zweier Hölzer entzündet wird, namentlich in Norddeutschland holt jeder Hausstand von dem gemeinsamen Osterfeuer sich einen Brand für das Herdfeuer; denn dieses schützt Haus und Hof vor Blitzschäden.

Die Kinderwelt hat vollauf zu thun mit den unbemalten und bemalten Ostereiern, die zuerst am Gründonnerstag aus allerlei Verstecken hervorgesucht werden müssen und am Osterfeste selbst auf keinem Tische fehlen dürfen. Als Sinnbilder des keimenden Lebens stehen sie in enger Beziehung zu der ganzen Frühlingszeit.

Fast ganz dem Osterfeste eigen ist der „Schlag mit der Lebensruthe“, die Weihung von Menschen und Thieren durch Ruthenstreiche. Es findet sich allerdings bereits verstreut am Fastnachtstage und am Palmsonntage, wo sich zum Theil Umzüge damit verknüpfen, und auch das Ascheabkehren am Aschermittwoch ist ein Rest davon. Wie man am Palmsonntag die Felder durch Einstecken von Ruthen weiht, so schützt man Menschen und Hausthiere durch Streiche damit vor Krankheit und Unfall. In Masuren gilt es als eine besondere Aufmerksamkeit, wenn ein junger Mann ein Mädchen am Ostersonntag mit der Gerte streicht. Am Montag darf das schöne Geschlecht dann Vergeltung üben. Im böhmischen Oberlande ziehen ganze Scharen von Knaben am Ostertage bei Pathen, Vettern und etwaigen reichen Leuten umher, treten mit Ruthen bewaffnet vor die Stubenthür und rufen:

„Rothe Eier heraus,
Oder ich peitsche die Madeln aus!“

Erhalten sie dann keine Eier, so führen sie ihre Drohung aus und suchen ihre Opfer in der Küche auf.

Hier treten die Eier uns als ein Lösegeld entgegen, das man zahlt, um nicht geschlagen zu werden. Ursprünglich sind sie der Dank für die Schläge und die damit verbundene Segnung. Dies ist noch deutlich aus der Form ersichtlich, in welcher die Umgegend von Prag diesen Brauch kennt. Hier ziehen am Ostermontage Spielleute auf den Dörfern herum. Ihnen folgen ganze Scharen Burschen, Maien in der Hand, und schlagen sich gegenseitig mit den Worten: „Da hast Du Glück“. Vergißt es einer, so bittet ihn der andere darum, indem er sagt: „Gieb mir Glück“, und jener antwortet dann, ihn nachträglich schlagend: „Da hast Du’s.“ In einem schlesischen Reime findet es sich noch ganz deutlich ausgesprochen, daß das Schlagen die Krankheitsgeister, denen der Volksglaube die Gestalt von Fliegen oder Käfern beimißt, austreiben soll:

„Heut ist Ostern,
Da geht man schmeckostern.
Um den Rücken, um den Rand,
Da kommen die Fliegen rausgerannt,
Wenn sie nicht werden weichen,
Werden wir sie runter streichen.“

Zu Ostern sind Büsche und Wälder meist noch kahl. Aber bald kommen die jungen Triebe hervor, und wenn der erste Mai kommt und mit ihm das Frühlingsfest des Walpurgistages, da hat die Natur bereits begonnen, ihr Sommerkleid anzuziehen, und zum letzten der Frühlingsfesttage, zu Pfingsten, da steht Baum und Strauch im Blätter- und Blüthenschmucke. Und den beiden letzten Frühlingsfesten ist es gemeinsam, Häuser, Gärten, Eingänge und selbst ganze Wege mit frischen Maien zu schmücken. Bald finden sie sich mehr vor dem Amtsgebäude des Ortes, bald stellt sie jeder vor der eigenen Heimstatt auf, und bald pflanzen sie vermummte Gestalten bei Nacht und Nebel dem schönsten Mädchen des Dorfes oder der einzelne Bursche zu gleicher Stunde seiner Geliebten vor die Thür. So dienen sie als Zeichen der Verehrung, als Willkomm und als Gruß der Liebe. Anderorts ist es wieder ein Baum, dem sich die Aufmerksamkeit aller zuwendet, die Dorflinde, unter deren breitem Blätterdache Spiel und Tanz stattfindet, die einst geradezu als das Heiligthum des Ortes galt und noch heute häufig am Maitage wie zu Pfingsten mit bunten Bändern und Blumengewinden geschmückt wird. Aber wie die Festbräuche des Maitages und der Pfingstfeier auch wechseln mögen: immer steht in ihrem Mittelpunkte ein Stück alten Baumdienstes der Germanen.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_175.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)