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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Flammenzeichen.
Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)


Antonie und Marietta unterhielten sich von der bevorstehenden Ankunft des Hofes, und erstere, die in Toilettensachen sehr wenig Geschmack besaß, hatte den Rath der Freundin erbeten, der ihr auch bereitwillig ertheilt wurde.

„Was Du zu dem Kleide nehmen sollst?“ fragte Marietta. „Natürlich Rosen, weiße oder mattfarbige Rosen, sie werden sich sehr gut ausnehmen zu dem zarten Blau.“

„Ich mag aber die Rosen nicht,“ erklärte Toni. „Ich wollte Astern nehmen.“

„Warum nicht lieber gar Sonnenblumen! Willst Du als junges Mädchen und als Braut durchaus herbstlich erscheinen? Und wie kann man überhaupt die Rosen nicht mögen? Ich liebe sie leidenschaftlich und verwende sie bei jeder Gelegenheit. Ich hätte heute abend in der Gesellschaft beim Bürgermeister so gern eine frische Rose im Haar getragen und bin ganz unglücklich darüber, daß in Waldhofen keine mehr aufzutreiben ist. Es ist freilich schon spät im Jahre.“

„Der Schloßgärtner hat im Treibhause einen blühenden Rosenbaum,“ bemerkte Antonie in ihrer schläfrigen Art, die einen so scharfen Gegensatz zu der Lebendigkeit ihrer Jugendfreundin bildete. Diese schüttelte lachend den Kopf.

„Nun, der ist vermuthlich für die Frau Herzogin bestimmt, und da darf sich unsereins nicht unterfangen, um eine Blüthe zu betteln. Was hilft’s, ich muß darauf verzichten! Um nun wieder auf die Toilettenfrage zu kommen – dabei sind Sie aber eigentlich ganz überflüssig, Herr von Eschenhagen; Sie verstehen ja gar nichts davon und müssen sich sträflich dabei langweilen. Trotzdem wanken und weichen Sie nicht – und was habe ich denn überhaupt so Merkwürdiges an mir, daß Sie mich fortwährend ansehen?“

Die Worte klangen sehr ungnädig; Willy erschrak, denn der letzte Vorwurf war nur zu begründet. Er hatte darüber nachgedacht, wie sich eine frische, halberschlossene Rose in dem krausen dunklen Gelock ausnehmen würde, und dabei allerdings dies Gelock und den dazu gehörigen Kopf einer eingehenden Betrachtung unterzogen, was seiner Braut völlig entging.

„Ja, Willy, geh’!“ sagte diese gutmüthig. „Du langweilst Dich wirklich bei unseren Putzgeschichten, und ich habe noch viel mit Marietta zu besprechen.“

„Wie Du meinst, liebe Toni,“ versetzte der junge Majoratsherr, „aber ich darf doch wiederkommen?“

„Natürlich, sobald Du willst!“

Willibald ging. Es fiel ihm gar nicht ein, daß er dabei seinen Posten vernachlässigte, er dachte an etwas ganz anderes, als er noch einige Minuten in dem kleinen Vorzimmer stand. Infolge dieses Nachdenkens stieg er endlich die Treppe hinunter und lenkte seine Schritte geradenwegs nach der Wohnung des Schloßgärtners.

Kaum war er fort, so sprang Marietta auf und rief mit komischer Verzweiflung:

„Gott im Himmel, was seid Ihr für ein langweiliges Brautpaar!“

„Aber Marietta!“ sagte Toni verletzt.

„Ja, ob Du das übelnimmst oder nicht, ich erkläre es für ein Freundschaftsopfer, wenn ich in Eurer Nähe aushalte, und ich hatte mich auf eine so lustige Zeit gefreut, als ich hörte, daß Du verlobt seist! Du warst zwar nie besonders lebhaft, aber Deinem Herrn Bräutigam scheint die Sprache ganz und gar abhanden gekommen zu sein. Wie habt Ihr Euch denn eigentlich verlobt? Hat er wirklich dabei gesprochen, oder hat das seine Frau Mama besorgt?“

„Laß doch die Possen!“ versetzte Antonie unwillig. „Willy ist nur in Deiner Gegenwart so schweigsam, wenn wir allein sind, kann er recht mittheilsam sein.“

„Ja, über die neue Dreschmaschine, die er sich angeschafft hat. Ich horchte nämlich vorhin bei meinem Kommen, ehe ich eintrat, da sang er das Lob der besagten Dreschmaschine und Du hörtest ganz andächtig zu. O, Ihr werdet als ein Musterehepaar auf der Burgsdorfschen Musterwirthschaft herrschen, aber der Himmel bewahre mich gnädiglich vor solchem Eheglück!“

„Marietta, Du bist recht unartig,“ sagte die junge Baroneß, die jetzt wirklich ärgerlich wurde, aber in derselben Minute hing der kleine Uebermuth auch schon schmeichelnd an ihrem Halse.

„Nicht böse sein, Toni! Ich meine es ja nicht schlimm und gönne Dir Dein Glück von Herzen; aber siehst Du – mein Mann müßte doch etwas anders beschaffen sein.“

„So, und wie denn?“ fragte Toni halb schmollend und halb versöhnt durch die schmeichelnde Bitte.

„Erstens muß er nur unter meinem Pantoffel stehen, nicht unter dem seiner Mutter, zweitens muß er ein echter, rechter Mann sein, in dessen Schutz ich mich sicher fühle – das verträgt sich ganz gut mit einem sanften Pantoffelregiment. Zu reden braucht er nicht viel, das besorge ich, aber er muß mich so lieb haben – so lieb, daß er weder nach Papa und Mama, noch nach seinen Gütern, noch nach der neuen Dreschmaschine fragt, sondern sie allesammt zum Kuckuck gehen läßt, wenn er mich nur hat!“

Toni zuckte mit mitleidiger Ueberlegenheit die Achseln.

„Du hast bisweilen noch recht kindische Ansichten, Marietta; aber nun wollen wir endlich von den Kleidern reden!“

„Ja, das wollen wir, sonst kommt Dein Bräutigam zurück und pflanzt sich wieder neben uns auf wie eine Schildwache. Er hat ein merkwürdiges Talent zum Schildwachestehen. Also Du nimmst zu der blauen Seide –“

Die Toilettenfrage sollte auch diesmal nicht zur Erledigung kommen, denn soeben öffnete sich die Thür, Frau von Eschenhagen trat ein und rief ihre künftige Schwiegertochter ab, deren Gegenwart bei einer häuslichen Anordnung nothwendig war. Antonie erhob sich bereitwillig und verließ das Zimmer, Frau Regine machte aber keine Miene, ihr zu folgen, sondern ließ sich auf den leeren Platz am Fenster nieder.

Die regierende Herrin von Burgsdorf war nun einmal nicht diplomatisch angelegt wie ihr Bruder, sie mußte überall mit Gewaltmitteln eingreifen. Sie war ungeduldig geworden, denn Willy hatte so gut wie gar nichts berichtet, er wurde jedesmal roth und stotterte, wenn er wiederholen sollte, was die „Theaterprinzessin“ denn eigentlich gesagt oder gethan hatte, und seine Mutter, die nicht an ein harmloses Mädchengeplauder glauben wollte, beschloß daher, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Marietta hatte sich pflichtschuldigst erhoben bei dem Eintritt der älteren Dame, die sie bei ihrem ersten Besuche nur flüchtig gesehen und deren feindselige Haltung sie in der Freude des Wiedersehens gar nicht bemerkt hatte. Sie fand nur, daß Tonis künftige Schwiegermutter wenig Freundliches habe, und kümmerte sich nicht weiter um die gestrenge Frau, die sie jetzt mit einer wahren Richtermiene von oben bis unten musterte.

Im Grunde sah diese Marietta aus wie alle anderen jungen Mädchen, aber sie war hübsch, sehr hübsch – um so schlimmer! Sie trug das Haar in kurzen krausen Locken, das war unpassend! Die übrigen schlimmen Eigenschaften kamen sicher zum Vorschein in der Unterhaltung, die jetzt eingeleitet wurde.

„Sie sind mit der Braut meines Sohnes befreundet, mein Kind?“

„Jawohl, gnädige Frau,“ war die unbefangene Antwort.

„Eine Jugendbekanntschaft, die noch aus der Kinderzeit stammt, wie ich höre. Sie wurden im Hause des Doktors Volkmar erzogen?“

„Gewiß, ich habe meine Eltern sehr früh verloren.“

„Ganz recht, mein Schwager erzählte es mir. Und welchem Berufe gehörte Ihr Vater an?“

„Er war Arzt wie mein Großvater,“ versetzte Marietta, mehr belustigt als befremdet über dies Examen, dessen Zweck sie nicht errieth. „Auch meine Mutter war die Tochter eines Arztes, eine ganze medizinische Familie, nicht wahr? Nur ich bin aus der Art geschlagen.“

„Ja – leider!“ sagte Frau von Eschenhagen mit Nachdruck. Das junge Mädchen sah sie verwundert an. Sollte das Scherz sein? Die Miene der Dame war aber durchaus nicht scherzhaft, als sie fortfuhr: „Sie werden mir zugeben, mein Kind, daß, wenn man das Glück hat, aus einer achtbaren und ehrenwerthen Familie zu stammen, man sich dessen würdig zeigen muß. Sie hätten Ihren Beruf danach wählen sollen.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_166.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)