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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

jetzt. Ich bleibe nun wohl noch 8 Tage hier in den Sielen[1]; dann wird die Posse in Rostock aufgeführt, also dann dorthin, dann zu Lisette nach Schwaan, dann über Schwerin nach Berlin, nach Leipzig, nach Jena, wenn Gott mir Gesundheit und Geld dazu sendet, und dann nach Roggensdorf, und dann nach Thalberg, um Euch viel zu erzählen.

– – – Nun lebe wohl, lieber Bruder, und denke ferner an

Deinen aufrichtigen Freund

Fritz Reuter.

Meiner theuren Freundin Marie[2] meinen respektvollsten Gruß, desgleichen an Großmama und für die lieben Jungen auch einen, aber ohne Respekt.“


„Neubrandenburg, den 21. Nov. 1860.

Lieber Fritz!

Längst schon wäre es meine Schuldigkeit gewesen, Dir für Dein Buch[3] meinen herzlichsten Dank zu sagen; aber die Aussicht, Euch vielleicht hier zu sehen, und der Wunsch, gleiches mit gleichem zu erwidern, ließ mich noch immer warten – bis denn nun endlich mein Hanne Nute muthig Deinen ökonomischen Lehren in diese böse Welt gefolgt ist. Ich sollte eigentlich nicht ,muthig’, sondern ,zaghaft’ sagen, denn Dein Buch hat einen Erfolg, der noch gar nicht dagewesen ist. – – –

Also Glück auf! mein alter Doppelkollege als Oekonomiker und als Schriftsteller. Wer hätte uns wohl vor 15 Jahren angesehen, als wir Boston spielten und Preßkopf aßen, daß Thalberger Speis’ und Trank sich dermaleinst in uns zu einer geistigen Thätigkeit entpuppen würde, die in Mecklenburg und Pommern den Leuten ein Licht aufsteckt! Aber nun paß auf! Du wirst dem Fluche der Schriftstellerei nicht entgehen: erstens wirst Du verdammt werden, weiter zu schreiben, und zweitens wird sich der Neid an Deine Sohlen heften. Habe ich meinen G.[4] gefunden, wirst Du Deinen H.[5] finden; oder hast Du ihn schon? – Ich möchte den alten galligen Spitzbuben wohl mal photographiren lassen, wenn er in Deinem Buche liest. – – –

Dein Fritz Reuter.“


„Eisenach, den 21. Sept. 1863.

– – Mein alter, lieber Junge, wenn wir ehrlich sein wollen, so haben wir uns beide nicht über die Ungerechtigkeit des Schicksals zu beklagen und können dem Leiter aller menschlichen Dinge ein dankbares Loblied anstimmen. – Nun, es sind wohl ab und an ein paar Spähne in unsere Suppe hineingefallen; aber sie ist doch noch so geblieben, daß wir sie in alten Tagen mit Behaglichkeit ausessen können. – Ich habe es schon oft gesagt und sage es immer wieder: die sauren, gepfefferten Preßköpfe, die wir im Anfange der 40ger Jahre in Thalberg verzehrten, haben unsern eigenen Köpfen Vorschub geleistet und sind in unserem Organismus zu Gehirn und Gripps[6] geworden. – Gott segne diese Preßköpfe und ihr seliges Angedenken! – Dir und den Deinen wie der ganzen Art Deines Hauses habe ich zum Schlusse in meinem 2. Theile ,Ut de Stromtid’, die jetzt halb gedruckt ist, noch ein freundliches Andenken gestiftet, indem ich den 2. Weihnachtstag in Deinem gastfreien Hause[7] geschildert habe, natürlich mit dem Justizrath.

Wir leben hier in dulci jubilo fort und die Besuche sind noch immer in vollem Gange; die letzte Zeit hat uns neben manchem gleichgültigen auch deren höchst interessante gebracht, und um Euch au fait zu halten, füge ich die Fremdenliste meiner Frau im Auszuge hier bei.[8]

– – Aus dem Arbeiten wird unter solchen Umständen nicht viel, indessen wird es für den Winter anders werden; wenn meine Korrespondenz nur nicht so riesig überhand nehmen wollte. Vor einigen Tagen habe ich eine große Ueberraschung gehabt: Oberappellationsrath Buchka sandte mir zum Dank für das Porträt seines Vaters[9] einen wirklich reizenden Teppich, den seine Mutter, Frau und Schwester für mich gearbeitet haben; natürlich nahm ‚sie‘ ihn mir gleich weg, weil er für mich zu schön sei, und wenn ich mich daran erfreuen will, muß ich zu ,ihr’ gehen. –

F. Reuter.“


Und nun ein Brief, dessen Eingang ein Bild davon giebt, wie der in wenigen Jahren berühmt gewordene Dichter zeitweilig mit Geschenken und Huldigungen überhäuft wurde.

„Eisenach, den 15. Januar 1881.

Lieber Fritz!

Als Eure letzte Sendung bei uns ankam, rief ich aus: ,Herr, halt ein mit Deinem Segen!’ und wenn ich mich jetzt bedanken soll, so weiß ich nicht, soll ich bei der Spickgans anfangen und mit der Lungwurst aufhören, oder mit der Lungwurst anfangen und mit der Spickgans aufhören. Bedankt muß nun aber sein, und darum bitte ich Dich, Dir diesen Dank aus dem Vorstehenden herauszulesen. Wir sind durch Eure Sendungen und die Rauchfleischgeschenke von H. aus Hamburg – bei dem Du ja gewohnt hast, wie er mir schreibt – durch Gothaer Zungenwurst, die W. mitbrachte, durch Leipziger und Lübecker Torten hier in einen Reichthumsglanz versetzt, der den guten Thüringern die Augen verblendet hat. – Na, Gott laß es keinem missen, der das Seine an uns gethan hat, auch dem Bremer nicht, dem braven Unbekannten, der mir 200 Stück Extracigarren schickte, auch dem Zeugschmidt K. nicht, der mir eine Spickgans schickte! Nach Neujahr habe ich noch zweimal eine Freude anderer Art gehabt. Die eine war ein Brief aus Manschester von einem alten Leidensgenossen aus Silberberg[10] mit Namen Wolfs, der jetzt dort in guten Umständen lebt; die andere ein dito Brief von einem alten Friedländer Schulkameraden, Ludwig Meyer, aus Warnemünde gebürtig, der mir aus Kanada vom Huronsee her schreibt. Beide sind durch meine Schriften wieder auf mich aufmerksam gemacht worden, und von letzterem erfahre ich beiläufig, daß man meine Festungsgeschichte theilweise in der New-Yorker „Kriminal-Zeitung“ abgedruckt hat. – Viel Glück, lieber Bruder, viel Glück! und Gott erhalte mich dankbar dafür! – Auch das Reelle, der nervas rerum, strömt auf mich ein: meine Aussichten aus Geldeinnahmen für dies Jahr sind brillant. – – – Alles sehr lieb und gut, wenn nur die Korrespondenz nicht so riesig überhand nähme. Ich bin aber außerdem jetzt sehr fleißig hinter meinem Buch her und denke, ‚schmiedet das Eisen, so lang es noch warm ist,‘ und das ist nächst der grausamen Kälte – wir haben hier 20° – auf der Wartburg sogar 22° – denn auch der Grund, weshalb aus dem Rendezvous in Berlin nichts werden wird; ich muß nothwendig mit meiner Zeit geizen, um das Buch soviel wie möglich zu Ostern fertig zu bringen, und da steckt noch viel Arbeit drin. – Für Deine Anekdoten und Redensarten sage ich Dir um so mehr meinen Dank, als ich weiß, wie sehr knapp auch Dir die Zeit zugemessen ist.[11] – – –

Also H.[12] hat so theuer verkauft, das freut mich; aber ich beneide ihn nicht, vor allem, wenn er nach Demmin zieht; nichts ist schrecklicher, als langweiliger Reichthum:

‚Etwas hoffen und fürchten und sorgen
Muß der Mensch für den kommenden Morgen,
Daß er die Schwere des Daseins ertrage
Und das ermüdende Gleichmaß der Tage.’

Wir beide fürchten und hoffen noch, Fritz, Heil uns! – –

Fritz Reuter.“


„Eisenach, Jakobitag 1864.

Mein lieber Fritz!

Nachgerade wäre es doch wohl Zeit, daß ich an meinen besten Freund ein paar Worte richtete, denn der Schwur, den ich geleistet habe: früher keinen Brief zu beantworten, bevor ich mein Buch[13] nicht fertig hätte – ist Gottlob! gelöst, mein Buch

  1. Geschirr, das den Pferden zum Ziehen aufgelegt wird; „in den Sielen“ bildlich für „in Arbeit“.
  2. Vorname von Frau Peters.
  3. Peters hatte ein Buch über landwirthschaftlichen Betrieb herausgegeben, das sehr starken Absatz fand.
  4. Klaus Groth, der Fritz Reuter bekanntlich angegriffen hatte.
  5. H., ein Gutsnachbar Peters’.
  6. Burschikoser Ausdruck für geistige Fähigkeiten.
  7. Siedenbollentin – kurz Bollentin genannt – ein Gut bei Treptow, das Peters gekauft hatte und wohin er 1859 von Thalberg übergesiedelt war.
  8. Folgt eine lange Auszählung von zum Theil weit bekannten Personen.
  9. Pfarrer in dem mecklenburgischen Dorfe Schwanbeck, nicht weit von Treptow. Es giebt noch eine Anzahl von Reuter ausgeführter Porträts aus den vierziger Jahren. Reuter zeichnete gern und hatte vielleicht Anlage zu einem guten Maler, hat es aber aus Mangel an Schulung nicht sehr weit gebracht.
  10. Wo Reuter den ersten Theil seiner Festungshaft verbüßte.
  11. Reuter wünschte solche Mittheilungen. Er empfand es, seit er nicht mehr im Gebiet der plattdeutschen Sprache lebte, als einen Uebelstand, daß ihm so manche kleine drollige Schnurren und Redensarten entgingen, die er in seiner „Stromtid“ hätte verwerthen können.
  12. Der schon mehrfach erwähnte Gutsnachbar von Peters.
  13. Die „Stromtid“.
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