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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Topetes u. a. Das Eis brach denn auch, als Prim einmal ein besonders heftiges Donnerwetter gegen die Republikaner losließ; da zupfte er mich am Aermel und frug mich: „Prim es muy …“ (Prim ist sehr …), ohne im Spanischen weiter zu können; ich suchte ihm mit dem Französischen auf die Spur zu helfen, aber ohne Erfolg. Er kam erst ins richtige Fahrwasser, als ich ihm mit Englisch aufwartete. Nun wurde er warm und entwickelte mir im Fluge seine Meinung, daß alle die langen Verhandlungen über die beste Regierungsform keinen Deut werth seien und alles vielmehr davon abhänge, welcher der Revolutionsgenerale in der entscheidenden Stunde die größte Entschlossenheit und Macht besitze. Es schien ihn zu freuen, daß ich dieser seiner Ansicht eine gewisse Berechtigung zuerkannte, und er stellte sich nun als Henry Stanley, Berichterstatter des „New-York-Herald“, vor.

Im Unterschiede von den anderen fremden Berufsgenossen, die in Gasthöfen oder sogenannten Casas de Huespedes wohnten, hatte sich Stanley gleich nach seiner Ankunft in Madrid häuslich eingerichtet; dies habe er auch in Frankreich, woher er komme, überall so gehalten. Und wie behaglich es sich unter seinem Zelte leben ließ, erfuhren wir alsbald, als wir, Coutouly, Boborykin, Naquet und ich, seiner Einladung zum Essen folgten. Der amerikanische Kollege erfüllte seine Wirthspflichten aufs gewandteste und liebenswürdigste; Speisen und Getränke ließen nichts zu wünschen übrig; und was uns Stanley vom abessinischen Feldzuge, den er mitgemacht hatte, zu erzählen wußte, war für mich wenigstens ebenso anregend wie Boborykin; und Naquets Scherzchen aus dem Lateiner Viertel zu Paris. Einmal platzten freilich die Geister etwas lebhaft auf einander, als Stanley, dessen stärkste Leidenschaft damals sein Yankeestolz war, die Verdienste der Nordamerikaner um die Menschheit denjenigen der alten Kulturvölker Europas gleich stellte und sich hierfür im wesentlichen auf die Zahl der in Amerika gedruckten Bibeln und die Leistungen der amerikanischen Wohlthätigkeitsanstalten berief. Wohl mochte Boborykin beim Nachhausegehen bedenklich den Kopf darüber schütteln, wir hatten aber doch schon damals den Eindruck einer ungewöhnlich starken Persönlichkeit. Und zwei Dinge sind mir von dem jungen Stanley besonders lebhaft in der Erinnerung geblieben, sein Berufseifer und die Liebe zu seiner Mutter und Schwester, von denen er mir oftmals sprach, während er sonst eine geringe Achtung vor dem weiblichen Geschlechte zur Schau trug.

Stanley vor 20 Jahren.

Stanley in der Gegenwart.

Gegen Mitte des Monats Juni erging von seiten einiger spanischer Freunde an die Vertreter der auswärtigen Presse die Einladung zu einer Fahrt nach dem schönen Andalusien. Auch Stanley schloß sich uns an, und ich weiß, daß manchmal auch ihn in den afrikanischen Urwäldern und Wüsteneien die Erinnerung an unsere damaligen phantastischen Erlebnisse erheitert hat. Wer weiß, welcher Begriff von unserer Bedeutung und unserem Einfluß in der Welt den ohnedies leicht erregbaren südspanischen Bevölkerungen beigebracht worden sein mochte: kurz, als wir in der sonst so stillen Stadt Cordoba anlangten, wurden wir durch die Hochrufe von Tausenden, durch Ansprachen des Alcalden und verschiedener Arbeiterabgesandtschaften empfangen und in feierlichem Zuge nach der Fonda de Suiza (Schweizer-Hof) geleitet, wo ein Festmahl unser harrte. Auf die Willkommreden der Vertreter der Provinz und des Gemeinderathes von Cordoba hieß es nun, in gleichfalls möglichst begeisterungsvoller Rede zu antworten; die Franzosen entledigten sich zumeist ihrer Aufgabe, indem sie feurige Glückwünsche auf die nahe Verkündigung der spanischen Republik ausbrachten; ich sprach von der stolzen Stellung Spaniens im Schriftthum der Welt; und endlich erhob sich Stanley, wie wenn er sich auf der Platform eines nordamerikanischen Wahlbezirkes befände, um mit Donnerstimme, und indem er sich häufig mit der Faust auf seine wie ein Faß erdröhnende Brust schlug, in viertelstündiger Rede auszuführen, die Zeit der lateinischen Rasse in der Neuen Welt gehe zu Ende, die Angelsachsen allein seien berufen, das Sternenbanner der Freiheit und Gesittung von einem Ende Amerikas bis zum andern zu tragen. Zum Glück sprach er englisch, das die spanischen Zuhörer nicht verstanden; aber es bedurfte immerhin einer sehr diplomatischen Uebersetzungskunst, um einen ungünstigen Eindruck dieser rednerischen Leistung Stanleys abzuwenden. Eine ernstere Verwicklung drohte sich an einen andern Zwischenfall dieses Tages zu knüpfen. Wir hatten, auf die Einladung des Gemeinderathes, vom Balkon des Rathhauses aus einer Volksversammlung angewohnt, in der, wie damals üblich, die opfermuthigsten Beschlüsse zu Gunsten der Republik gefaßt wurden, und wir waren, ohne übrigens die Sache weiter zu beachten, einigermaßen erstaunt, als uns Stanley abends mittheilte, er habe ein Kabeltelegramm von mehreren hundert Worten über die Vorgänge des Tages nach New-York geschickt. Die Frage, was ihm denn so wichtig erschienen sei, ließ er unbeantwortet. Als wir aber von der Rundfahrt durch Sevilla, Cadiz und andere andalusische Städte, wo sich die Festlichkeiten von Cordoba wiederholten, nach Madrid zurückgekehrt waren, sahen wir zu unserem allerdings nicht geringen Staunen den langen Drahtbericht im „New-York-Herald“, dem zufolge am Tag unserer Anwesenheit in Cordoba ein Kampf auf Leben und Tod zwischen den Monarchisten und Republikanern ausgebrochen und die letztere Partei Sieger geblieben wäre!

Bei Stanley waren die rauschenden Redensarten der Volksredner auf der Stelle zu blutigen Thatsachen geworden. Aber der Russe Boborykin kam schlecht weg, als er dem Amerikaner Vorstellungen hierüber machen wollte. Stanley gab ihm gar keine Antwort, sondern eilte zu mir mit dem Ansinnen, seine Forderung an Boborykin zu überbringen, der außer acht gelassen habe, daß sich ein Gentleman nicht in die Geschäfte eines andern mengen dürfe! Zum Glück gelang es, wieder einen leidlichen Frieden zwischen den beiden Heißspornen herzustellen, und die übrige Zeit, die wir noch zusammen auf spanischem Boden zubringen durften, verlief ohne aufregenden Zwischenfall. Aus jenen spanischen Tagen stammt die mir gewidmete Photographie Stanleys, deren Nachbildung diesem Aufsatze beigegeben ist.

Als wir von einander Abschied nahmen, gaben wir uns Stelldichein in – Afrika. Und ich freute mich nicht wenig darauf, an Stanley, namentlich wegen seiner gerühmten Kenntniß des Arabischen, einen tüchtigen Führer drüben zu finden. Nun wollte es der Zufall, daß ich nach langen Monaten eines Abends auf dem Esbekieh-Platz in Kairo mit ihm zusammentraf und ihm mit meinen paar Brocken Arabisch im Handel mit einem Eseltreiber half, mit dem er sich nicht verständigen konnte. Wir machten nun mehrere Ausflüge in die Umgebung der ägyptischen Hauptstadt und schließlich in größerer Gesellschaft die herrliche Fahrt nach den Nilfällen bei Philä. Vor einigen Wochen erst hatte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_141.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)