Seite:Die Gartenlaube (1890) 131.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

die Kinder wohlhabender Eltern zu Nachbarn und Verwandten mit dem Spieß und waren stolz darauf, recht viel Fastenbrezeln, Würste u. dergl. mit nach Hause zu bringen.




Feierabend. (zu dem Bilde S. 104 u. 105) In der ganzen europäischen Kulturwelt ist keine Stunde geeigneter, das vertraute Leben und Treiben des Volkes unter sich zu beobachten, als die Stunde des Feierabends an einem Sommertage. Da lebt das Volk im Freien; es athmet auf von des Tages Mühen und Plagen; mit der süßen wohlverdienten Rast nach saurer Arbeit kommt ein frohmüthiges Gefühl über den Menschen, und der Schimmer des Humors vergoldet ihm die Dinge.

In solchen Stunden läßt sich auch am besten erkennen, wie hundertfach schattirt und durch kleine Besonderheiten ausgezeichnet des Volkes Arbeitsleben ist. Ein schönes Beispiel dafür liefert uns wieder das Bild von Meister Defregger, welches wir heute bringen. Dasselbe hat einen bestimmten landschaftlichen und wirthschaftlichen Hintergrund. Im Herzen von Tirol, wo das Pusterthal und das Eisachthal zusammentreten, liegen üppige Bergwiesen hoch oben an den Alpengehängen. Vielstündige steile Bergwege trennen sie von den Bauernhöfen, zu welchen sie gehören, und doch ist ihr Graswuchs so reichlich, daß der Bauer ihr Heu nicht entbehren mag. So bleibt nichts übrig, als daß, meistens um den Tag des heiligen Laurentius (Anfang August), die ganze Bevölkerung des Bauernhofes, mit Ausnahme der Bäuerin und der kleinen Rinder, mit Sensen und Heugabeln bewehrt auf ein paar Tage nach jenen Bergwiesen hinauswandert, um dort oben zu mähen, das Heu zu trocknen und es dann, je nach der Beschaffenheit des Weges, entweder auf dem Rücken oder auf nachgeschleiften Fichtenzweigen bis zum nächsten fahrbaren Sträßchen herab zu befördern. Die Mäher bringen die Nächte während dieser Arbeitszeit in den Heustadeln zu; da man aber in diesen Stadeln (Scheunen) wegen der Feuersgefahr kein Feuer anzünden darf, haben sie eine eigene „Kochhütte“, die in kunstlosester Weise aus unbehauenen Baumstämmen zusammengefügt ist. Diese Kochhütte, ein alpines Speisezimmer, bildet den Versammlungsplatz für die Mäher, wo sie von der Tagesmühe rasten, während eine alte Magd im rußigen Kessel die Polenta oder die Milchsuppe für die Gesellschaft bereitet. Vortrefflich ist dem Künstler die Feierabendstimmung in Haltung und Gesichtern der kleinen Gesellschaft gelungen, meisterhaft aber auch die Individualisirung der einzelnen Köpfe. Man glaubt es ordentlich zu hören, wie der etwas einfältig aussehende Mensch auf dem Holzklotze, der sich in täppischer Weise bemüht, seinen Hut mit Alpenblumen und Vogelfedern zu schmücken, von der übrigen, ihm geistig überlegenen Gesellschaft geneckt wird – sei es nun wegen seiner „Schönheit“ und „Klugheit“ oder wegen seiner „Erfolge“ bei den Schönen des Dorfes. Wer je bei dem frohen und kraftvollen Volke der Berge herumgewandert ist, erkennt auf den ersten Blick, wie glücklich mitten aus dem Leben dieses Volkes unser Bild gegriffen ist: aber auch der, dem diese Freude nie zu theil ward, fühlt heraus, wie einfach, gutherzig und schalkhaft zugleich die Menschen sind, die da droben hausen.

M. H.


Heizung der Personenzüge. Die Ueberheizung eines Eisenbahnwagens hat bekanntlich für die Gesundheit des Reisenden größere Nachtheile zur Folge als eine ungenügende Heizung. Bei den jetzigen Heizmethoden tritt das erstere Uebel leider nicht selten ein. Aus den über die Heizung der Personenzüge erlassenen Bestimmungen ist zwar zu erkennen, daß die Eisenbahnverwaltungen den Anforderungen in Bezug auf das Wohlbefinden der Reisenden Rechnung tragen wollen, indessen fehlt es bei den heutigen Betriebseinrichtungen an den nothwendigsten Prüfungsmitteln. Es ist nämlich angeordnet, in der Zeit von Anfang Oktober bis Ende April zu heizen, wenn die äußere Temperatur auf +5° R. sinkt. In den Monaten Dezember bis Februar soll nur ausnahmsweise nicht geheizt werden, überhaupt darf, wenn einmal mit Heizen angefangen wurde, eine Unterbrechung nur dann stattfinden, wenn in drei aufeinanderfolgenden Nächten die Temperatur nicht unter +5 R. gesunken ist. In den Wagen ist eine mittlere Wärme von 8° R. anzustreben, welche anscheinend niedrige Temperatur im Hinblick auf die wärmere Winterkleidung der Reisenden vollständig genügt.

Unterwegs haben die Zugführer die Aufsicht zu führen, auch etwaige Beschwerden der Reisenden wegen zu geringer oder zu starker Heizung nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Zur Prüfung solcher Beschwerden fehlt aber den Zugführern ein Thermometer in ihrer Ausrüstung. Es bleibt deshalb zum mindesten anzuordnen, daß jeder Zugführer einen Wärmemesser mit sich führe, den er auf Anfordern der Reisenden in die Wagen zu reichen hat. Noch besser wäre es freilich, wenn sich die Eisenbahnverwaltungen entschließen könnten, in jeder Wagenabtheilung ein solches Instrument aufzuhängen, damit sich die Reisenden jederzeit von der Temperaturhöhe überzeugen und namentlich den schädlichen Einflüssen einer Ueberheizung, wenn nicht anders, dann durch rechtzeitige Lüftung, selbst begegnen können.

Das Ziel der Wünsche ist freilich eine Heizeinrichtung mit selbstthätiger Wärmeregulirung.





Um eine Stunde. (Zu den nebenstehenden Abbildungen von F. Wittig.) Die Massenhaftigkeit und die dringende Eile des Verkehrs, in den Millionenstädten schafft immer schwierigere Aufgaben und immer erstaunlichere Mittel zu ihrer Bewältigung. Kernpunkt der letzteren ist, daß niemals Zeit verloren werde; was die Stunde bringt, muß schleunigst weggearbeitet werden, denn schon drängt die nächste Stunde mit neuen Massen und neuen Lasten.

Berliner Straßenpostwagen.

In Berlin wurden bis vor kurzem die Briefe, welche auf den einzelnen Postämtern zur Einlieferung kamen, durch kleine in einer bestimmten Reihenfolge bei den einzelnen Aemtern anfahrende Kariolwagen abgeholt und auf das Hauptpostamt verbracht. Die Fahrt, welche ein solcher Kariolwagen zu machen hatte, dauerte je etwa eine Stunde und so lange ruhten die Briefe unberührt und unbearbeitet in ihrem dunklen Verlies. Das aber bedeutete einen Zeitverlust, der sich mit den Grundsätzen einer auf der Höhe ihrer Aufgabe stehenden Postverwaltung nicht vertrug. So kam man auf den Gedanken, für die Abholung der Briefe von den einzelnen Postämtern eigene große Wagen herzustellen, in welchen nicht nur die Masse der Briefe selbst, sondern auch ein Beamter Platz findet. Dessen Aufgabe ist es dann, während der Fahrt die in Empfang genommenen Briefe rasch mit gewandter Hand zu sortiren und je nach ihrer Adresse in die einzelnen Fächer seines Wagens zu vertheilen; ist er an der letzten der ihm zugewiesenen Postanstalten vorüber und hat er auch die von ihr erhaltenen Briefe nach Maßgabe ihres Bestimmungsorts vertheilt, dann packt er den Inhalt seiner Fächer in Packete, welche er fertig zur sofortigen weiteren Versendung auf dem Hauptpostamt abliefert. Dort nimmt er alsbald die für die Postämter seines Bezirks bestimmten Briefpackete entgegen und begiebt sich von neuem auf die Fahrt.

Berliner Straßenpostdienst.

Von unseren Abbildungen zeigt die obere die äußere Ansicht eines solchen „Straßenpostwagens“, wie sie seit 1. November 1889 durch die Straßen Berlins fahren, während uns die untere einen Blick in das Innere thun läßt. Rechts und links an den Langseiten befinden sich die Fächer für die Briefe, eine aufschlagbare Klappe dient zum Schreiben, auf dem Boden lagern fertige Briefbeutel. Ein Feldstuhl und ein Korb vollenden die Einrichtung des Wagens. Die mit den, Sortiren betrauten Beamten müssen eine große Gewandtheit besitzen, um fertig zu werden, denn es bleiben ihnen von einem Postamt zum andern nur wenige Minuten. An der Außenseite des Wagens bemerken wir auch den Briefeinwurf, der von dem Publikum für eilige Sendungen benützt werden kann.

Der Zeitgewinn, welcher durch die neue Einrichtung erzielt wird, beläuft sich wie gesagt durchschnittlich auf eine Stunde. Für eine ziemliche Anzahl Sendungen aber ergiebt sich eine Beschleunigung der Bestellung um volle 12 Stunden, insofern sie noch abends vor Schluß der Post zur Ablieferung gelangen, anstatt erst am andern Morgen.

Es ist kein Zweifel, daß diese Einrichtung der Straßenpostwagen, mit welcher unsere Reichspostverwaltung bahnbrechend vorgegangen ist, bald auch in anderen Großstädten Nachahmung finden wird.



Kleiner Briefkasten.

F. Schl. m Gr. Gerau. Ein Null ouvert forcé gibt es nach der „Allgemeinen Deutschen Skatordnung“ nicht, denn danach ist auch im Null ouvert vom Spieler die Karte sofort, nicht erst nach dem ersten Stiche aufzudecken. Die letztere Spielweise ist eine Abschwächung der Null ouvert, welche allerdings durch die Skatbücher Verbreitung gefunden hat, aber jetzt in Mitteldeutschland nur selten zur Anwendung kommt und auch in den Skatvereinen Nord- und Westdeutschlands bereits aufgegeben ist. Null wird nach der „Allgemeinen Deutschen Skatordnung“ zu 20 und Null ouvert zu 40 berechnet.

O. Gr. in Königsberg i. Pr. Dafür gibt es keine Bestimmungen. Der Offizier übt seine Disziplinarstrafgewalt innerhalb bestimmter Grenzen ganz nach eigenem Ermessen und auf seine Verantwortung aus.

K. N. in Nassau. Sie haben uns die Frage vorgelegt: „Wenn wir uns alle Meere der Erde ausgetrocknet dächten, wie lange müsste es regnen, damit sich die Meeresbecken wieder füllen könnten, bis der Meeresspiegel seine gegenwärtige Höhe wieder erreichte?“ Darauf müssen wir zunächst antworten: „Wenn alle Meere trocken sein würden, so würde es gar nicht regnen, denn die Wasserdämpfe, welche von den Meeren ausgedünstet werden, bilden die Quelle von Regen und Schnee.“ Ohne Zweifel aber haben sie Ihre Frage so gemeint, wie groß das Verhältniß der athmosphärischen Niederschläge auf der Erde zu dem gesammten Meerwasser ist, d.h. wie lange es regnen müßte, bis die Menge des Regenwassers der des gegenwärtig vorhandenen Meerwassers gleichkäme. Diese Frage hat man wiederholt zu beantworten versucht. Nach Krümmels Schätzungen beträgt die gesammte Wassermasse des Meeres etwas mehr als 3 Millionen Kubikmeilen; die Höhe der Niederschläge auf dem Festlande im Durchschnitt 1m jährlich. Würde nun die gesammte auf dem Festlande fallende Regenmenge dem Meere zugeführt werden, so würde das Meerwasser in 9500 Jahren erneuert sein; rechnet man die Verdunstung in den Flüssen u. s. w. ab, so ergiebt sich für die Erneuerung des Meerwassers ein Zeitraum von 15 000 Jahren.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_131.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2023)