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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

übrigens ist dies noch gar nichts, ich habe einmal einen mit 10 solchen Knoten gesehen.’ E. und A.,[1] die beiden kleinen Menschenwürmer, sitzen hinterm Ofen und heulen, daß sich die Steine erbarmen mögten, über die unglückseligen Engelverpuppungs-Ideen ihres Herrn Bruders; und ich habe in aller Stille das Staknetz, worin wir die Karauschen fingen, vor dem Schlafstubenfenster aufstellen lassen; man kann ja nicht wissen, der Junge kann’s Burren[2] kriegen, und dann Adjes! –

Nun den Spaß bei Seite. Alle sind sehr wohl und der Junge ist die beiden letzten Nächte durchaus ruhig gewesen, er hat fast immerfort geschlafen, und so würde Madame einen bedeutenden Nebennutzen von ihrer Reise haben. Das Heu ist hinein (ich glaube 8 Fuder); die Rüben sind hinein und haben recht viel gebracht. Heute Mittag ist der Rappsweizen bei Seite. Es wird Dung aufs Grünfutter-Roggenland gefahren und ist heute mit dem Kartoffelaufnehmen mit 10 Mann angefangen; morgen mit 20. Auswärtige können wir nicht erhalten. Das Vieh ist gesund. Du siehst also, daß wir hier ganz gut aufgehoben sind und daß wir auch in der Wirthschaft weiter kommen. Nur daß die Kartoffeln so lange liegen, will mir nicht gefallen, denn wir haben ja auch noch die Runkeln; und daß der Roggen nicht vor dem Weizen besorgt werden konnte. Wir erwarten, daß Du uns den Tag Deiner Ankunft in Treptow meldest, damit wir des Abends um 10½ Uhr dorthin einen Wagen schicken können, oder sollen wir Dich von Neubrandenburg holen? Lebe wohl, mein bester Freund, und denke bei Deinen Herrlichkeiten

Deines
alten Onkel Ente[3].“

Zwei Jahre sind seitdem vergangen. Peters ist wieder mit seiner Frau abwesend und Reuter richtet den nachstehenden Brief an ihn:

„Thalberg, den 15. Oktober 1849.

Lieber Fritz!

Zuerst bitte ich Dich, ein ernsthaft Gesicht zu schneiden, denn zuerst denke ich von Geschäften mit Dir zu reden. – Gestern habe ich Rechnung gehalten und alle Sachen, wie ich hoffe, zu Deiner Zufriedenheit abgemacht. Dann an Geisler geschrieben und die 100 Thaler gegen Postschein abgesendet; darauf habe ich mich in Deinen Diensten den Sonntag Nachmittag auf meine eigene Hand recht plaisirlich gelangweilt, da ich nicht nach Tetzleben[4] gegangen bin, und heute habe ich einen unbefugten Eingriff in Deine Kasse und in Deine Rechte gewagt; in Deine Kasse, weil ich zu meinem eigenen Gebrauch 6 Thaler entnommen, in Deine Rechte, weil ich unberufen einen Brief erbrochen, der mir mit dem Poststempel Demmin von Schünemann herzurühren schien. Dies war denn auch so; er meldet, daß die Platten etc. fertig seien, auch daß er das alte Eisen annehmen wolle, schreibt aber nur von 20 Sgr. – 1 Thaler pro Centner. Da nun wir (,wir’ heißt in diesem Briefe immer ,Großmama und ich’) nicht genau wissen, was für altes Eisen dahin geschickt werden soll; ferner in Erwägung des schlechten Preises; ferner in noch fernerer Erwägung der Zweckmäßigkeit einer schleunigen Aufstellung des Heerdes, und endlich in noch fernerer Erwägung, daß Du doch wohl noch hinlänglich über Winter nach Demmin Gelegenheit haben wirst, und viel Aussicht dazu vorhanden, daß das alte Eisen durch den Verbrauch an Piken und Säbeln, auch anderem Kriegsmaterial in diesen eisernen Zeiten bedeutend ansteigen wird, so haben ,Wir’ beschlossen, uns mit sothanem Eisenhandel gar nicht zu bemengen und, weil ,Wir’ friedliche Leute sind, blos für das Essen und das Zustandekommen eines passenden Heerdes zu sorgen, und werden demnach morgen einen Wagen mit Begleitschreiben nach Demmin und eine Epistel an den Töpfer Erdmann in Neubrandenburg abgehen lassen und das sublime Vergnügen eines Handels mit altem Eisen für Deine Person aufsparen.

Das war die Geschichte vom Eisenhandel. – Nun kommt der Gerstenhandel. Darauf ist nur zu bemerken, daß heute eine Fuhr nebst einer Katze nach Brandenburg an Mohnke abgegangen ist; – ich meine aber eine Geldkatze. – Nun über unsern Gesundheitszustand: Sollte Dir beifallen zu glauben, daß wir Pflaumen äßen[5], so würdest Du Dich sehr irren, denn wir alle haben heute einige gegessen, mit Ausnahme der Kinder – daß dies Unsinn ist, weiß ich recht gut, schreibe es aber doch. Ich habe mir aber die möglichste Mühe gegeben, in den kleinen Würmern durch das Loben der Pflaumen, durch öfteres Vorzeigen und durch Essen in ihrer Gegenwart eine unwiderstehliche Neigung für diese verbotene Frucht hervorzurufen und bin nun fest überzeugt, daß ich das Mögliche gethan habe, sie in der Enthaltsamkeit zu üben. – Ihre Zunge, die sie mir alle halbe Stunde ein halbe Elle weit hinaus halten müssen, sieht noch sehr gut aus; und hoffe ich durch diese Glossarübungen den Kindern nebenbei eine größere Geläufigkeit im Sprechen beizubringen. P.[6] amüsirt sich sehr gut mit seinen Aussichten auf neue Hosen; ich fürchte aber, er geht nicht sehr räthlich und reinlich mit den schon vorhandenen Exemplaren um, weil ich ihn wieder mit jenen unnennbaren Unnennbaren umherlaufen sehe, die aussehen, als wäre ihr Vater mit ihnen auf der Kegelbahn zu schaden gekommen. Doch wer kann das wissen; dies mag ja wohl ein Charakterzug der Petersschen Familie sein. – Unsere Hanne hat es wieder; sie hat es wirklich wieder mit allen nicht näher zu beschreibenden Umständen; ich habe sie eigenhändig besichtigt und Großmama hat sie mit Eisentropfen traktirt und kredenzt ihr die nux vomica. – Auch unser komplaisanter Herr Bietz[7] hat sich gestern infolge – nicht der Cholera – sondern einer starken Cigarre heftig unwohl gefühlt, wobei er sich selbst tausendmal um Verzeihung gebeten hat, daß er seinen Gefühlen unumwunden freien Lauf ließe. – Großmama ist gesund, und was mich betrifft, so ist es am besten, davon zu schweigen, weil ich Dir sonst, Du Spitzbube, Gelegenheit geben könnte, den alten abgedroschenen Witz von dem nicht vergehenden Unkraut zu machen. – Schröder[8] ist gestern auf die Jagd gegangen und hat eine ganze Menge wilder Enten auf 200 Schritt – gesehen. Der Ebert[9] habe ich mit blutendem Herzen gestern morgen einen Verweis geben müssen; sie bot mir nämlich, gleich nachdem Ihr fortgefahren wart, die dritte Tasse Kaffee an, worauf ich sie auf ihre Pflicht verwies und fragte: ob sie glaube, daß es so nun losgehe. Morgen nachmittag werde ich aber wohl eine kleine Verschwendung in Kaffee machen müssen, weil ich den alten Leisten[10] zum Kaffee einzuladen gedenke, damit er mir einmal gründlich seine Proceßgeschichte erzähle, die leider immer im besten Zuge durch irgend etwas unterbrochen worden ist; ich denke, er bleibt dann auch wohl zum Abendbrot und wird sich gut amüsiren.

Heute ist eine Madame L. hier gewesen, um Dir ihren Herrn Sohn zu präsentiren, der bei O. in Leuschentin gewesen ist und nach dem Wunsche seiner Mutter hier seine landwirthschaftlichen Studien vervollständigen soll; der Herr Sohn ist ein langgewachsenes Menschenkind mit einem Flachskopf und sein Betragen erinnert stark an abgestandene Milchsuppe, auf der eine lederne Haut sich gebildet. Ich habe natürlich der Mutter gesagt, Du würdest Dich unendlich freuen u. s. w.

Weiter weiß ich nichts und – sei nicht unbescheiden – für einen Tag und eine Nacht ist dies genug. Sollte sich bis morgen mehr ereignen, so erfährst Du mehr, vorzüglich wenn es der Reaktion gelingen sollte, hier einzubrechen und mich todt zu schlagen. Bis dahin

Dein F. Reuter,
augenblicklich im Begriff nach Tetzleben zu gehen.
Fortsetzung am 16. Oktober.

Es ist alles beim Alten. Gestern hat Deine und meine Großmama[11] lauter Kartoffelmehl gemacht und hat sich gar nicht sehen lassen. Ich habe Schröder veranlaßt, sein Pfund nicht zu vergraben, d. h. sein musikalisches; derselbe ist ein großer Virtuose auf der Handharmonika. Wie muß der Mensch erst auf der Drehorgel sein. Jeden Ton begleitet er mit einem besonderen Gesicht, jeden Takt mit einer besonderen Bewegung, so daß er aussah wie eine illustrirte Zeitung für Musikliebhaber. – Es hat hier zwei Nächte scharf gereift und gefroren. Heute hoffen wir das Flachs hineinzubringen.

Mit Liebe
Dein F. Reuter.“
  1. Die beiden Töchterchen.
  2. Fliegen mit den Engelsflügeln.
  3. „Ente“ = kindliche Aussprache des Names „Reuter“, der von den Kindern stets als „Onkel“ angeredet wurde.
  4. Nachbargut, auf welchem damals Luise, Reuters spätere Frau, als Erzieherin thätig war.
  5. Wegen der herrschenden Cholera war das Obstessen vom Arzt untersagt.
  6. Der damals drei Jahre alte Sohn.
  7. Wirthschafter in Thalberg.
  8. Ebenfalls Wirthschafter in Thalberg.
  9. Küchenlehrling.
  10. Einen alten Bekannten, der in einen langwierigen Prozeß verwickelt war.
  11. Scherzhaft für Peters’ Schwiegermutter.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_096.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)