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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

anders wär’ . . . Und daß ihn Siebenhaar heute angepredigt und ihm den Kopf a bissel gewaschen und seinen Standpunkt klar gemacht hat, na, das wird ihn Dir beim Schottschen nicht verleiden und noch weniger draußen in der Laube. Tanz ist Tanz und Kuß ist Kuß. Und ich gönne ihn Dir auch und heute lieber als morgen. Denn Du bist eine verständige Person und wirst ihn schon zurecht rücken, besser als Siebenhaar. Und ist er erst aus dem Dünkel heraus und sitzt an der Wiege, vielleicht sind es Zwillinge, was meinst Du, Christine? Ja, was ich sagen wollte, sitzt er erst an der Wiege, statt zu paschen und zu wildern, dann werd’ ich auch gute Nachbarschaft mit ihm halten. Ich bin für Frieden, aber zu gutem Frieden gehören zwei.“

Christine hatte, während Opitz so redete, den linken Schürzenzipfel in die Hand genommen und strich an dem Saum entlang. Als er jetzt schwieg, sagte sie: „Nichts für ungut, Herr Förster, aber wenn Sie besser mit ihm wären . . .“

„. . . Da wär’ er besser mit mir,“ lachte Opitz. „Ja, das glaub’ ich. Ich soll anfangen und jeden Morgen, wenn ich ihn drüben hantieren seh’, meine Kapp’ abnehmen und über die Brück’ hinübergrüßen: ,Guten Morgen, Herr Lehnert Menz! Herr Lehnert Menz geruhten wohl zu ruhen? Ah, sehr erfreut. Empfehle mich zu Gnaden . . . ’ Nein, nein, Christine, Unterschiede müssen sein, Unterschiede sind Gottes Ordnungen. Und nun geh’ und komme nicht zu spät! All Ding will Maß haben.“

Christine ging. Frau Bärbel aber hatte mittlerweile nach ihrem Strickstrumpf gegriffen und sah verstimmt vor sich hin, weil es ihr gegen die Hausfrauenehre war, daß Opitz sich in ihre Sache gemischt und der Christine so mir nichts Dir nichts einen Ausgehetag angeboten hatte. Sie schwieg aber und erst als Opitz, der heute den Galanten und Rücksichtsvollen spielte, sie mit freundlicher Miene bat, das Licht und den Fidibusbecher vor ihn hin zu stellen, weil er sie nicht immer wieder belästigen wolle, hielt sie mit ihrer neben allem Aerger herlaufenden Neugier nicht länger zurück und sagte: „Angepredigt hat er ihn? Bist Du denn auch sicher? Er wird ihn doch nicht beim Namen genannt haben?“

„Nein,“ sagte Opitz, dessen gute Laune durch seiner Frau Neugier eher gesteigert als gemindert wurde, „nein, er nannte keinen Namen. Aber es war so gut, als ob er ihn genannt hätte, denn alles sah nach der Ecke hin, wo die Menzens saßen. Und die Alte nickte mit dem Kopf, als ob sie jedes Wort unterschreiben wolle. Freilich weiß ich, daß es nichts zu bedeuten hat, ihr steckt noch so was Polnisches im Blut, kriecht und scherwenzelt immer hin und her, und kann keinem ins Gesicht sehen, und von alldem, wovon der Lehnert zuviel hat, hat sie zu wenig. Alte Hexe, verschlagen und heimtückisch und feige dazu.“

„Sie taugt nicht viel. Aber Du wirst doch dem Sohne die Mutter nicht anrechnen wollen?“

„Nein,“ lachte Opitz. „Das nicht und ist auch nicht nöthig, denn er trägt an seinem eignen Bündel gerade schwer genug. Er trotzt mir, und weil er, außer der Denkmünze, auch noch das Ding, die Schwimmmedaille hat, ich sage, die Schwimmmedaille, denn von retten war keine Rede, und weil es, Gott sei’s geklagt, nahe dran war, daß er das Kreuz kriegte, spielt er sich mir gegenüber auf den Ebenbürtigen, ja den Ueberlegenen aus. Ich wette, er wildert bloß, um mir einen Tort anzuthun; er könnte die Dummheit sehr gut lassen, bei der ohnehin nicht viel ’raus kommt, aber es macht ihm Spaß, mir so unter der Nase hin ein Wild wegzuknallen. Das ist es. Aber ich denke, die zwei Monat in Jauer werden ihm gezeigt haben . . .“

„Du bist zu streng, Opitz.“

„Unsinn! Streng! Was heißt streng? Ich thu’ meine Pflicht.“

„Zu sehr. Du müßtest auch ’mal ein Auge zudrücken.“

„Bah, Bärbel, Du redest, wie Du’s verstehst! Auge zudrücken! Dazu bin ich nicht da, dazu bin ich nicht in Dienst und Lohn. Ich bin dazu da, die Augen aufzumachen. Und thu’ meine Pflicht zu sehr, sagst Du? Als ob man jemalen seine Pflicht zu sehr thun könnte! Man kann sie falsch thun, am unrechten Fleck, so viel geb’ ich zu, thut man sie aber am rechten Fleck, so ist von ,zu sehr’ keine Rede mehr. Die Gesetze sind nicht dazu da, daß Hinz und Kunz mit ihnen umspringen. Das verloddert bloß. Ich bin nicht so dumm, daß ich mir einbildete, wenn der Rehbock geschossen wird, geht die Welt unter. Nein, die Welt geht nicht unter. Aber Ordre parieren geht unter, Ordre parieren, ohne das die Welt nicht gut sein kann. Und heut am wenigsten, wo jeder denkt, er sei Graf oder Herr und könne thun, was ihm beliebt, und sei kein Unterschied mehr. Das ist die verdammte neue Zeit, die das Maulhelden- und Schreibervolk gemacht hat, Kerle, die keinen Fuchs von einem Hasen unterscheiden können, trotzdem sie beides sind. Geh’ mir damit. Ich weiß, was ich zu thun hab’. Und dieser Bengel, dieser Herr Lehnert Menz, gehört auch mit dazu, hat die Glocken läuten hören, schwatzt und quatscht von Freiheit, will nach Amerika gehen und hat keine Ahnung davon, daß sie da drüben noch ganz anders ’ran müssen als hier, sonst holt sie der Teufel erst recht und lacht sie mit ihrer ganzen Freiheit aus. Ich sage Dir, hier ist es am besten, hier, weil wir Ordnung haben und einen König und eine Armee. Ich bin ein Mann in Amt und Dienst und meinen Dienst thu’ ich, und wenn es mir ans Leben geht.“

„Sprich nicht so! Beruf’ es nicht!“

„Unsinn! Unsere Stunden sind gezählt und wir können uns keine zulegen und keine wegnehmen.“

„Doch, doch!“ sagte die Frau.

Der Förster war unter diesem Gespräch ans Fenster getreten und sah auf die hart an seinem Vorgarten vorüberführende Fahrstraße hinaus. Jenseit derselben, dem Blick entzogen, floß die tief eingebettete Lomnitz und man hörte nur ihr Hinschäumen über das Steingeröll. Opitz öffnete das Fenster, um frische Luft zu schöpfen, nahm ein Kiffen und wollte sich’s eben bequem machen, als er Lehnerts gewahr wurde; unwillkürlich trat er zurück, aber doch nur so weit, daß er von der Straße her immer noch deutlich gesehen werden konnte. Lehnert sah ihn auch wirklich und hob seinen Zeigefinger nachlässig und wie zu halbem Gruß bis an den Schirm seiner Mütze.

„Wie der Kerl nur wieder grüßt!“ rief Opitz seiner Frau zu. „Hast Du gesehen, Bärbel? Und das soll ich für einen Gruß nehmen! So grüßt man einen Rekruten, aber nicht einen Vorgesetzten. Und das Gesicht dazu . . .“

„Du bist nicht sein Vorgesetzter.“

„Ach was! Was weißt Du davon! Ich sage Dir, ich bin’s. Und wenn ich es nicht wär’, ein Mann in Amt und Würden ist allemal eine Respektsperson. Der Gernegroß da drüben kann seinen Gruß lassen und sagen, er habe mich nicht gesehen, aber wenn er mich grüßt, muß er mich grüßen, wie sich’s gehört, Mütze ’runter oder den Finger fest an den Streifen und nicht so wie von ungefähr und wie bloß zum Spaß. Das ist Unordnung und Unmanier!“

(Fortsetzung folgt.)


Der Bazar.

Plauderei von Oscar Justinus.

In den Tagen vom 25. bis zum 31. d. M. findet in den Räumen des Schießhauses zum Besten des Vereins zur Unterstützung verschämter Armer ein

Wohlthätigkeitsbazar

statt, zu dessen freundlichem Besuch das unterzeichnete Komitee Sie hierdurch ergebenst einzuladen sich die Ehre giebt.

Gaben wolle man bis zum 20. bei einem der Komiteemitglieder gütigst hinterlegen.

(Folgen neunundvierzig Unterschriften.)

Eine solche Karte in großem Umschlag fiel schwer aufschlagend in den blechernen Briefkasten. Ich erschrecke immer, wenn es so klappt: etwas Gutes klappt nie! Entweder ist es die Aufforderung zu einem Gesellschaftszauber oder eine Verlobungsanzeige oder eine Hochzeitseinladung oder ein zurückkehrendes Manuskript - eins so schlimm wie das andere. Diesmal nur eine Bazareröffnung. Das wird ja den Hals nicht gleich kosten!

Der Umschlag ist geschlossen, einige Privatzeilen sind beigefügt.

Sie rühren her von der Hand einer Freundin und deren Schriftzüge zusehen macht uns große Freude, weniger des Inhalts wegen als wegen dessen, was zwischen den Zeilen liegt. Die Dame hatte nämlich, von schwerem Unglück verfolgt, Jahre lang sich ganz dem Schmerze und der Klage hingegeben. Ihr Name unter den Komiteemitgliedern eines Bazars gab den Beweis, daß endlich sich wieder ein Fünkchen der erloschen geglaubten Lebenslust unter der Asche befunden, daß das Bedürfniß einer Zerstreuung die Weltentfremdete aus ihrer Einsamkeit hervorgelockt hatte. In diesem Sinne allein schon hatte das Unternehmen auf den Namen „Wohlthätigkeits“bazar ein volles Anrecht.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_027.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)