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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

ausgewählt und mit einem reichen Bilderschmuck von Künstlerhand reizvoll ausgestattet. – Auch auf die anmuthigen „Neuen Märchen und Erzählungen“ von A. Godin (Glogau, Flemming) und die eigenartigen „Japanischen Märchen“ von C. W. E. Brauns (ebenda), beide hübsch illustrirt, kann nur empfehlend hingewiesen werden.

Knabenbücher haben wir schon in Nr. 49 der „Gartenlaube“ eine ganze Anzahl genannt, aber dieselben sind damit nicht erschöpft, und wenigstens einige, die in jeder Beziehung Lob verdienen, müssen wir noch anführen, vor allem das stattliche „Buch der Jugend“ (Stuttgart, K. Thienemanns Verlag), ein reichhaltiges Jahrbuch mit trefflichen Erzählungen und belehrenden Beiträgen; dann: „Heimathlos“ (ebenda), eine für die Jugend berechnete und wohl geeignete Bearbeitung von H. Malots gleichnamigem Roman, mit 50 Textillustrationen und 16 ganzseitigen Tonbildern; „Die Gefahren der Wildniß“ (ebenda), von Franz Hoffmann nach dem Englischen des Dr. Bird erzählt und von Hermann Vogel meisterlich illustrirt; ferner: „Eldoradofahrer“ von C. Falkenhorst (Leipzig, F. A. Brockhaus). Der Verfasser führt seine Leser diesmal nicht nach Afrika in das Reich Emin Paschas, sondern versetzt sie um Jahrhunderte zurück in jene Zeit, da die reichen Augsburger Kaufleute, die Welser, von Karl V. das heutige Venezuela zur Gründung einer Kolonie erwarben und ihre Vertreter das fabelhafte Goldland „Eldorado“ zu entdecken suchten, statt dessen aber nicht als „Thäler des Elends“ fanden. Die Erzählung ist farbenreich und spannend und wird unsere Knaben sicher anziehen. Auch Albert Kleinschmidts vier Erzählungen unter dem Titel „Germanisches Heldenschicksal in Sieg und Untergang“ (Leipzig, Friedrich Brandstetter) sind in erster Reihe, obwohl nicht ausschließlich, für Knaben von Interesse. Der Verfasser erzählt markig und fesselnd, ohne gelehrten Aufputz, aber mit genauer Kenntniß und sorgfältiger Berücksichtigung der Geschichte.

Das Verzeichniß der Mädchenbücher wäre nicht vollständig ohne die Anführung des „Töchter-Albums“ von Thekla von Gumpert (Glogau, Flemming), das im 35. Jahrgang vorliegt und wieder, neben zahlreichen künstlerischen Illustrationen in Farbendruck, ansprechende, gemüthvolle Erzählungen und vermischte Beiträge in bunter Reihenfolge enthält.

Dietrich Theden.

Das Hermann Kurz-Denkmal in Reutlingen.
Nach einer Photographie von P. Sinner in Tübingen.

Das Denkmal für Hermann Kurz in Reutlingen. Es ist noch nicht lange her, seit die Stadt Reutlingen den hundertjährigen Geburtstag ihres größten Sohnes, Friedrich Lists[1], festlich beging, und nun hat sie bereits einem zweiten ihrer Söhne gegenüber eine Schuld der Dankbarkeit und der öffentlichen Ehrung eingelöst, indem sie am 6. Oktober ein Denkmal für den Dichter von „Schillers Heimathjahren“, für Hermann Kurz, feierlich enthüllte. Wie verschieden diese beiden, einem Boden entwachsenen Männer und doch wie ähnlich wieder in ihren Anlagen, Geschicken und – Mißgeschicken! Dort der glühende, vielumhergetriebene, überall auf den praktischen Fortschritt drängende Agitator, hier der sinnige, in enge landschaftliche Kreise sich einschließende, am Romantischen hängende Dichter, aber hier wie dort derselbe unbeugsame, zäh am ergriffenen Ideale festhaltende Sinn trotz aller Enttäuschung, Noth, Kummer und Bitterniß, womit ein hartes Schicksal beider Leben belastet hatte. Hermann Kurz hat nicht wie List mit verzweifelter Hand selbst die ihm gesteckte Lebensfrist gekürzt, er hat ausgeharrt bis zuletzt. Aber die eigenthümliche Tragik seines Verhängnisses liegt darin, daß eben in dem Augenblicke, als seine äußeren Verhältnisse in bessere Wege geleitet waren, ein Herzschlag seinem Leben, am 10. Oktober 1873, ein Ende machen mußte.

Es ist fast merkwürdig, wie es kommt, daß Hermann Kurz – darin seinem Freunde Eduard Mörike gleich – so wenig über die Grenzen seiner engeren Heimath und auch innerhalb dieser nicht über eine verhältnißmäßig kleine Gemeinde hinausgedrungen ist. Paul Heyse, der dem Dichter in seinen letzten Lebensjahren sehr nahe stand und der die Herausgabe seiner gesammelten Werke (Stuttgart, A. Kröner, 1874) besorgt hat, beschäftigt sich in seiner biographischen Einleitung ebenfalls mit dieser auffallenden Erscheinung und meint, das „sorglose Einspinnen in das innigste Heimathsbewußtsein“ sei der Grund, weshalb ein so bedeutendes Talent wie Hermann Kurz im nördlichen Deutschland noch immer nicht durchgedrungen sei. Und doch sind seine beiden großen Romane „Schillers Heimathjahre“ (oder wie der Titel ursprünglich hieß „Heinrich Roller“) und „Der Sonnenwirth“ Meisterwerke nach Inhalt und Form, Arbeiten einer völlig ausgereiften Kraft.

„Nirgend wohl ist der schwäbische Volksgeist so lebendig bis in seine Tiefen durchdrungen worden wie in den einleitenden Kapiteln des ‚Sonnenwirths‘, die eine wahre Fundgrube für den Erforscher des Stammescharakters sind,“ sagt Heyse an derselben Stelle. Die Uebertragung von „Tristan und Isolde“, die Kurz mitten im Gewirre politischer Aufregungen zu Karlsruhe angefertigt hat, ist ein Muster von nachempfindendem Verständniß und ebenbürtiger Wiedergabe, den Schluß aber, den Kurz hinzugedichtet hat, darf man unter das Höchste rechnen, was je auf dem Gebiete der lyrisch-epischen Dichtweise geschaffen worden ist. Und welch köstliche Töne lieblicher Lust und heißen Schmerzes, kecken Humors und herben Ernstes in seinen Liedern, in seinen kleinen Erzählungen, in seinen Jugenderinnerungen! Wahrhaftig, dieser Mann hat es verdient, daß ihm ein Denkmal errichtet werde, nicht weil er dessen bedürfte, sondern weil eine vergeßliche, raschlebige Nachwelt dessen bedarf, damit sie sich von dem Denkmal aus Stein und Erz hinführen lasse zu jenem anderen Denkmal, das der Dichter sich selbst errichtet hat – in seinen Werken.

Seine Büste, die jetzt auf der sogenannten „Oberen Planie“ zu Reutlingen dem Blicke sich bietet und die der eigene Sohn, der Bildhauer Erwin Kurz, modellirt hat, zeigt den mächtigen Dichterkopf und die geistvollen Züge, die ihm im Leben eigen waren, „die Stirn und die glänzenden Augen, die ihm die Muse mit unsprödem Kusse berührt“, wie Mörike von dem Freunde singt. Der Sockel, welcher die in der Stotzschen Gießerei in Stuttgart hergestellte Bronzebüste trägt, ist von rothem Sandstein und nach einem Entwurfe des Bauinspektors Dolmetsch in Stuttgart


  1. Vgl. Nr. 31 dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 891. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_891.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)