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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

er sich 1873 mit Julie Löschner, der Tochter eines österreichischen Beamten in Auscha, vermählte. Er erwarb sich damit eine treue Genossin fürs Leben, die auch seinen dichterischen Bestrebungen ein warmes Interesse und ein tiefes Verständniß entgegenbrachte und durch ihre rege Antheilnahme gar manche Schöpfung fördern half.

Ein Jahr später siedelte Ohorn als Oberlehrer an die höhere Töchterschule nach Chemnitz über und trat dann 1877 in den Lehrkörper der technischen Staatsanstalten daselbst, wo er noch jetzt als Professor für deutsche Sprache und Litteraturgeschichte erfolgreich wirkt.

Anton Ohorn.

Seine litterarische Thätigkeit begann Ohorn schon sehr früh. Bereits in der Klosterzelle schrieb er eine Novelle „Der Dorfengel“, dann folgten in bunter Reihe Epen, Romane, Novellen, Dramen und lyrische Gedichte. In fast allen diesen Dichtungen giebt das schöne Böhmerland den Hintergrund ab, und den Inhalt bilden wiederholt die Kämpfe, welche in den böhmischen Thälern um Licht und Freiheit ausgefochten wurden. Nicht selten schreitet der Dichter auch bis in die Gegenwart vor, und dann erhebt sich seine Stimme zum begeisterten Nationalgesange. Weithin wurde es gehört, als er den so schwer bedrängten Landsleuten zurief:

„Getrost, ihr Deutschen bleibt am Steuer,
Ob’s auch wie Sturmwind euch umfliegt,
Das Böhmerland, so lieb und theuer,
Es ist mit seiner Zukunft euer;
Die Bildung ist’s, die endlich siegt.“

Wir heben von den Epen besonders "Die Tochter Judas“, „Die Madonna“ und „In tschechischen Wettern“ hervor. Die erstgenannte Dichtung führt in das düstere Prag Rudolfs II., wo es bei dem unversöhnlichen Glaubenshasse zu entsetzlichen Ereignissen kommt; das Epos „Die Madonna“ entrollt dagegen eine sonnige Künstlergeschichte, in welcher der Dichter ein Liebesidyll mit großer Anmuth schildert; „In tschechischen Wettern“ behandelt den großen Kampf der deutschen Professoren und Studenten gegen wie Hussiten, der bekanntlich schließlich 1409 mit der Auswanderung der Studenten nach Leipzig endete. Der Dichter entwirft hier eine Reihe farbenprächtiger Bilder und charakterisiert dabei den tschechischen und den deutschen Geist in packend scharfer Weise. Huß selbst wird in eine ganz andere als die bisher übliche Beleuchtung gerückt.

Von Ohorns Romanen muß in erster Linie „Der Klosterzögling“ hervorgehoben werden, wo Selbsterlebtes in poetischem Lichte erscheint, sodann der historische Roman „Es werde Licht!“, welcher eine Verwicklung aus der Reformationszeit behandelt und die Kulturzustände jener großen Epoche überaus anschaulich schildert. Auch die Novellensammlungen „Im Lotto des Lebens“ und „Wie sich Herzen finden“ müssen als anmuthige und feinsinnige Schöpfungen genannt werden.

Als Dramatiker hat sich Ohorn in dem leicht und gewandt aufgebauten einaktigen Lustspiele „Komm den Frauen zart entgegen“ und den Schauspielen „Der Uhrmacher von Straßburg“ und „Fürst und Bürger“ versucht. Alle drei Stücke sind wiederholt mit Erfolg über die Bühne gegangen.

Sein tiefstes Denken und Empfinden offenbart Ohorn aber in der Sammlung seiner Gedichte, die er unter dem Titel „Heimchen“ im Verlage von Ernst Keils Nachfolger in Leipzig herausgab. Hier flammt seine Vaterlandsliebe sowohl in rauschenden Festgesängen empor wie in scharfen Zornesliedern; hier erschließt er auch die innersten Falten seines Herzens und klagt um den Verlust eines geliebten Kindes, oder er preist die Gattin, die seines Lebens Sonnenschein; ihr, der „Frau Julia“, ist das Büchlein zugeeignet. Auch für die Schönheit der Natur begeistert er sich; mit echtem Poetensinn weiß er den Zauber des Waldes, die Wonne der Pfingstzeit, die Heiligkeit der Weihnacht zu erfassen und in dichterische Schöpfungen umzusetzen.

Bei so reicher und vielseitiger poetischer Thätigkeit ist denn auch der Name Anton Ohorns vor allem im ganzen Böhmerland, überall, wo Deutsche wohnen, einer der bekanntesten und gefeiertsten geworden; er ist einer der bedeutendsten der jetzt lebenden deutsch-böhmischen Dichter, dessen Lied überall in Böhmen verlangt wird, wo die Begeisterung für die deutsche Sache angefacht werden soll, dessen Zuversicht auf eine bessere Zeit die zagenden Herzen mit neuen Hoffnungen erfüllt. Er selbst sieht gerade in diesem Erfolge seinen schönsten Lohn; es macht ihn mit Recht glücklich, daß er einer der vornehmsten Pfleger deutschen Geistes und deutscher Poesie in Böhmen geworden ist. Ludwig Salomon.




Ueberraschungen.

Eine Weihnachtserzählung von Victor Blüthgen. Mit Abbildungen von W. Claudius.
(Schluß.)


Ein einziges Mal hat man das Dienstmädchen zu Billa hinaufgeschickt, sie möge zum Kaffee und zur Kuchenprobe herunter kommen.

„Fräulein ist nicht da, aber die Lampe brennt,“ ist der Bescheid, den das Mädchen zurückbringt.

„Wir wollen sie nur lassen,“ meint Frau Busse. „Am Ende hat sie noch einen kurzen Gang in der Stadt gethan; die Handwerker werden ja Weihnachten mit den Aufträgen gewöhnlich erst in der letzten Stunde fertig, und dann muß man sie noch drängen.“

„Es ist nur, daß sie nicht zur Unzeit herunter kommt. Dreiviertel acht schicke jedenfalls noch ’mal hinauf und laß ihr sagen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 883. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_883.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)