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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

oft wurden aus solchen Kunstnovizen Schüler, und wem dieses Glück zu theil wurde, der war geborgen für seine Zukunft, denn Staegemann ist ein ebenso ausgezeichneter Lehrer der Gesangskunst, wie er ein genialer Sänger war.

Ihm ward das Erbe künstlerischen Sinns und Strebens zu theil, denn er entstammt einem Künstlergeschlechte, das sich in unserer Kunstgeschichte einen hohen Ruf erworben hat. Seine Mutter war die Nichte des großen Ludwig Devrient, die Schwester der drei Devrients: Karls, Eduards und Emils. Der erstere wurde berühmt als genialer Darsteller scharf gezeichneter Charaktere, der zweite als trefflicher Bühnenleiter und Verfasser der besten Geschichte des deutschen Schauspiels, der dritte als der schwunghafteste, ritterlichste und liebenswürdigste Darsteller der Liebhaber- und jugendlichen Heldenrollen aus klassischer und nachklassischer Zeit. Der älteste Sohn ihrer Schwester war der am 10. Mai 1843 in dem märkischen Bade Freienwalde geborene Max. Die Eltern lebten später in Dresden, wo Emil Devrient eine mächtige künstlerische Anregung auf den hochbegabten und feurigen Knaben ausübte. Als Max in der Prima der altberühmten Dresdner Kreuzschule saß, kam das Künstlerblut zum Durchbruch. Unterstützt von seinem Oheim, der mit Scharfblick die verwandte geniale Natur erkannt hatte, setzte Max es seinen Eltern gegenüber durch, die in Aussicht genommene akademische Laufbahn mit der des darstellenden Künstlers zu vertauschen. Er besuchte fortan das Dresdener Konservatorium, wo er unter der Leitung des vortrefflichen dramatischen Lehrers Heine sehr bald zu einem der tüchtigsten und hoffnungsvollsten Schüler heranwuchs.

Bildete er sich hier nun zu einem guten Darsteller heran, so daß der erst Neunzehnjährige 1862 in Bremen mit Erfolg auftreten konnte, so lenkte er doch jetzt schon sein Streben auf die Ausbildung seiner Singstimme, welche bereits in Dresden Aufmerksamkeit erregt hatte; er wollte dramatischer Sänger werden.

Durch den Hofkapellmeister Fischer in Hannover, dessen Urtheil er einholte, ermuthigt, gab er sich nun mit Eifer musikalischen Studien hin und erzielte, unterstützt durch ein in der That unvergleichlich schönes Stimmmaterial, bereits im Mai 1863 auf der Hannoverschen Hofbühne einen so unbestrittenen Erfolg, daß er sofort angestellt wurde. Seine sympathische, sonore Barytonstimme, sein geistvolles, tief durchdachtes und anmuthig belebtes Spiel, die schöne männliche Erscheinung gewannen ihm schnell die Herzen der Einwohner der kunstsinnigen Stadt.

Doch hielt er sich damit nicht für fertig; in seinen ersten Ferien ging er nach Paris und studierte dort bei Meister Delsarte drei Monate lang; nach Hannover zurückgekehrt, setzte er fleißig seine Studien unter dem Schweden Lindhuld fort. So immer mehr zur Vollkommenheit emporstrebend, ward er 1865 an Zottmayrs Stelle zum ersten Baryton ernannt und wurde namentlich in Marschnerschen Opern, welche die Hannoveraner aus Pietät gegen ihren früheren Kapellmeister besonders bevorzugten, ein unübertrefflicher Sänger. Der Ehrentitel „Marschner-Sänger“ ward ihm zu theil; verstand es doch niemand die Helden dieses Komponisten so ergreifend und herrlich zu gestalten wie Staegemann. Wem der Genuß zu theil ward, ihn in „Hans Heiling“, im „Vampyr“, im „Templer“ zu hören, der wird diese Stunden nie vergessen; aber auch sein Fliegender Holländer, sein Hans Sachs, sein Tell erschienen als die Verkörperungen der Idealgestalten, welche den Schöpfern dieser Werke vorgeschwebt hatten. Am glänzendsten traten die Vorzüge seiner Begabung im Don Juan zu Tage; in dieser Rolle, deren vorzüglichster Vertreter er war, verschmolzen Gesang und Spiel zu einer Gesammtleistung ersten Ranges.

An Ruhm und Ehren reich, wirkte der Sänger in der Blüthe seiner männlichen Kraft und im Vollbesitz seiner schönen Stimme 13 Jahre an der Hannoverschen Bühne und auf zahlreichen Gastspielen, bis er dem unwiderstehlichen Drange nachgeben mußte, seinem hochstrebenden künstlerischen Geiste ein größeres Feld zur Bethätigung zu bieten. Er übernahm 1876 die Direktion des Stadttheaters in Königsberg und schuf für die alte Pregelstadt eine ungeahnte Blüthe des Theaters, das unter der jahrelangen Herrschaft Woltersdorffs zuletzt des frischen Aufschwungs und der Theilnahme des Publikums entbehrte. Mit einem Schlage änderte sich das, als Staegemann das Scepter ergriff; man hatte sich des Theaterbesuches fast entwöhnt und konnte nur schwer an eine anbrechende Morgenröthe der Kunst glauben, aber der neue Direktor verstand es, sein Publikum ins Theater zu zwingen, und noch heute leuchten dem Königsberger Theaterfreunde die Augen, wenn er an die glänzenden Zeiten der Staegemannschen Direktion denkt, wo ihm das Theater wieder zur weihevollen Stätte hohen geistigen Genusses geworden war.

Zum Leidwesen der Königsberger aber legte Staegemann bereits nach vier Jahren die Direktion nieder, geehrt vom Könige, der ihn zum königl. preußischen Kammersänger ernannt hatte, und umrauscht von Huldigungen, die man schweren Herzens dem Scheidenden darbrachte.

Im Sommer 1882 übernahm er die Direktion des Leipziger Stadttheaters. Daß sein Amt kein leichtes ist, haben wir erwähnt; seine Erfolge in künstlerischer Beziehung beweist die Thatsache, daß das Leipziger Theater unter den Kunstinstituten Deutschlands einen ersten Rang behauptet; in unentwegtem Streben sucht Staegemann die ihm anvertraute Bühne immer mehr zu heben. An äußerlichen Zeichen der Anerkennung hat es denn auch weder seitens des Publikums, noch seitens unserer kunstfreundlichen Fürsten gefehlt. Den größten Lohn aber wird Staegemann in dem Bewußtsein finden, zu allen Zeiten mit völliger Hingabe und unter Einsetzung seiner ganzen Kraft dem höchsten Ziele zugestrebt und stets das Beste gewollt zu haben.

Das Bild dieses hervorragenden Bühnenleiters würde jedoch nicht vollständig sein, wenn ihm die Züge mangelten, welche den Menschen Staegemann neben dem Künstler schmücken und liebenswürdig machen. Vor allem ist seine aufopfernde Hilfsbereitschaft für alle Bestrebungen zu nennen, welche der Linderung menschlicher Noth und menschlichen Elends gelten; selbstlos tritt Staegemann hier in die Schranken und weiß in seiner thatkräftigen Art zu den höchsten Anstrengungen anzuspornen und den Ertrag der Bemühungen geschäftsgewandt zu verdoppeln. Die Pensionskasse des Schriftstellerverbandes, die Genossenschaft der Bühnenangehörigen, wohlthätige Veranstaltungen und Anstalten mancherlei Art, das Komitee des Gutzkowdenkmals etc. – sie alle haben sich der bereitwilligsten Unterstützung des Leipziger Theaterdirektors zu erfreuen gehabt; seine bezwingende Liebenswürdigkeit im persönlichen Verkehr, seine Herzensgüte, seine vornehme Denkungsart und seine gerade, charakterfeste Handlungsweise haben ihm manchen treuen Freund erworben und manchem Gegner Achtung abgerungen.

Möge sein ernsthaftes Streben auch ferner mit Erfolg gekrönt sein! Die Chronik des Leipziger Theaters wird gewiß noch manche künstlerische Großthat Staegemanns zu verzeichnen haben.

Dr. H. Tischler.




Blätter und Blüthen.

Geschenkwerke für den Familientisch. I.

Es ist von jeher in lobwürdiger gewonheyt undt uebung gewest, auch also biß an uns kummen, das Vest, so uns das verlaufendt Jar beschliesst mit groß Freud zu feyern und sorgt sich maennigklich, was er synen hertzviellgeliepten legen mücht under den Lichterbaum zur heyligen Weyenacht. So mir vergunnt eyn Wortlin eynzureden undt myn rat ir fruendlich wolet hoeren: eyn daverndt andenk ist eyn buch. Ein gut Buch ist eyn grosser Schazz.“

So beginnt der originelle altdeutsche Weihnachtsbrief des Reinhard Schmithals, „Hofbuchfürers zu Kreutzenach“, an seine Kunden, und indem wir die gleichen Worte unserem nachfolgenden kurzen Berichte voranstellen, wollen wir unseren Rath ebenfalls denjenigen anbieten, die ihn „freundlich wollen hören.“ Wir sind außer stande, auf dem zur Verfügung stehenden beschränkten Raume auch nur eine annähernd vollständige Uebersicht aller neuen Erscheinungen zu geben, aber bei den angeführten Werken ist die Mahnung befolgt: „Pruevet alls und haltets best.“

Die Erzähler und Erzählerinnen der „Gartenlaube“ haben auch in diesem Jahre ihren Theil zur Schmückung des Weihnachtstisches beigesteuert und die Verlagshandlung von Ernst Keils Nachfolger in Leipzig hat diese Festgaben in ein Gewand gekleidet, daß sie jedem Geschenktische zur Zierde gereichen. W. Heimburgs gemüth- und geistvoller Roman „Lore von Tollen“ erschien in Buchausgabe vor wenigen Wochen und der ersten sofort vergriffenen Auflage mußte eine zweite auf dem Fuße folgen. Einer ähnlich freudigen Aufnahme begegnet jede neue Schöpfung E. Werners, deren fesselnder Roman „Die Alpenfee“ uns in die Hochgebirgswelt führt und den ringenden Menschen mit der majestätischen und machtvollen Gebirgsnatur im Kampfe zeigt. – Freunden kulturhistorischer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 854. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_854.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)