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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Hinsicht selbstverständlich den Werth für die Kleinschiffahrt behalten, den der alte Kanal gehabt hat, wie er ja auch, außer der großen Mündung bei Brunsbüttel, die ältere, kleinere Eidermündung bei Tönning beibehält. Diese zweite Mündung bildet, nachdem die lästigen und für unsere Torpedoboote zu kurzen Schleusen im Kanal gefallen sind, für letztere auch ein gutes Ausfallthor, um einem Feinde, der vor der Elbmündung liegt, in den Rücken zu fallen, und eine Torpedo- oder gar Panzerkanonenbootflottille, welcher der Rückzug durch den vorgenannten Kanal zur Ostsee kaum abgeschnitten werden könnte, würde einem feindlichen Blockadegeschwader, das sich auf Helgoland stützt, die ernstesten Gefahren und Schwierigkeiten bereiten. Den Schiffern aber, die bisher ihre Kuffs sechsmal mußten durchschleusen lassen, wird die glatte Fahrt auch nicht unangenehm sein in Zukunft.

Entwässerung durch die Dampfpumpe.

Der Kanal soll aber in erster Linie militärischen Zwecken dienen. Die dänische Halbinsel trennt die beiden großen Kriegshäfen Wilhelmshaven und Kiel. Ein einziges feindliches Geschwader, das die Belte blockiert, kann alle Verbindung zwischen den beiden Häfen aufheben. Der Kanal stellt die Verbindung her, und während er den Feind zwingt, zwei Blockadeflotten statt einer aufzustellen, ermöglicht er uns, aus zwei Geschwadern eine Flotte zu bilden, ohne daß der Leuchtthurmwächter auf Skagen es merkt. Nur daß der Kanal im Winter nicht zufriert! Aber gegen die Elemente schützt keine Kraft und Klugheit.

Der Kanal wird natürlich an den Eingängen stark befestigt werden, um einem Feinde die Annäherung an denselben oder die Vergewaltigung der Mündungen unmöglich zu machen. Aber auch dem Landheer in der Nordprovinz wird durch die Schaffung des Kanals eine ganz neue Aufgabe zufallen, nämlich die Deckung des freien Verkehrs von Schiffen der deutschen Flotte von der Ostsee nach der Nordsee und umgekehrt. Wenn die ganze Feldarmee an den Grenzen kämpfen müßte, wäre es nicht unmöglich, daß die Deckung des Nordostseekanals im wesentlichen dem Landsturm der Provinz anvertraut werden müßte. Die Volksbewaffnung und der Kampf gegen Eindringlinge aus Norden ist bei den Schleswig-Holsteinern so nichts Unbekanntes, und für die Mitbetheiligung der Landsturmtruppen an der Küsten- und Landvertheidigung zur Deckung des Nordostseekanals ist die Bodenbeschaffenheit des Landes mit seinen vielfachen „Knicks“ außerordentlich günstig: den niedrigen Wällen, welche die Felder von einander scheiden und die Wege begrenzen, durchgängig mit hohem dichten Buschwerk bepflanzt. In solchem Gelände können ortskundige Landsturmtruppen vorzügliche Dienste thun.

Handausschachtungen.

Der Handelsmarine wird der neue Kanal einmal eine größere Sicherheit der Fahrt und dann eine bedeutende Abkürzung derselben bringen. In der Bauhütte bei Holtenau hängt eine Karte, auf welcher an der ganzen Küste von Nordjütland mit schwarzen, dichtgesäeten Punkten die Stätten aller Schiffsunfälle von 1858 bis 1885 angegeben sind in geradezu erschreckender Anzahl. Es sind im ganzen nicht weniger als 6316, jährlich im Durchschnitt 226 mit einem Gesammtwerth an verlorenen Schiffen und Ladungen von 14 Millionen Mark! In den Jahren 1878 bis 1881 gingen dort an deutschen Schiffen durchschnittlich jährlich 18 mit einem Versicherungswerth von 700 000 Mark – ohne die Ladung! – unter. Die „Jammerbucht“ bei Skagen ist ein Schrecken der Seeleute und eines der verrufensten Küstengewässer auf Erden. Auch unsere „Undine“ ging da 1884 verloren mit jenem berühmten, durch die tosende Sturmbrandung donnernden Hoch auf den Kaiser.

Zu der vermehrten Sicherheit kommt die bedeutende Abkürzung der Fahrt für die Schiffe, die aus der Nordsee in die Ostsee wollen und umgekehrt. Und für den Kaufmann ist Zeit Geld. Der neue Kanal kürzt die Reise von der Ostmündung bis nach Hamburg um nicht weniger als 425 Seemeilen ab, d. h. einschließlich eines angemessenen Aufenthaltes bei den Schleusen um 45 Stunden; nach Bremerhaven um 32 Stunden, nach London um 239 Seemeilen oder 23 Stunden gegenüber der Fahrt um Skagen herum. Es handelt sich dabei um Dampfer, deren Durchschnittsfahrt auf Seemeilen in der Stunde berechnet ist. Nach dem nördlichen England, z. B. nach New-Castle, verringert sich der Vortheil auf einen Gewinn von nur 6 Stunden. Die ganze Schiffahrt aber nach den norddeutschen Küsten, nach Holland, Belgien und dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 848. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_848.jpg&oldid=- (Version vom 1.1.2023)